BMW R 1300 GS mit ASA - Tschüs, Kupplung - BMWs neue Motorrad-Automatik im ersten Test
Bei PKW gibt es bei Premium-Autobauern fast keine Autos mit gewöhnlichem Schaltgetriebe mehr. Doch auch bei Motorrädern hat der Kupplungsgriff vielleicht schon bald ausgedient. FOCUS online hat die Lösung getestet, die BMW jetzt anbietet: ASA.
BMW gilt zu Recht als einer der innovativsten Motorradhersteller, ist aber mit seinem brandneuen „Automatisierten Schaltassistenten“ ausnahmsweise etwas später dran. Vergleichbare System gibt es bereits von anderen Herstellern - zumindest, was die Kernfunktion betrifft: die vollautomatisierte Kupplungsbetätigung. Umso mehr ist FOCUS online gespannt, wie gut sich der Automatisierte Schaltassistent, kurz ASA, beim ausführlichen Erstkontakt in der BMW R 1300 GS schlägt.
Flaggschiff R 1300 GS mit neuer Schaltautomatik
Sie ist das Flaggschiff, die Speerspitze, die Bestsellerin – deshalb war für BMW klar, dass zuerst die R 1300 GS von der Innovation profitieren soll: dem Automatisierten Schaltassistenten. Dabei handelt es sich um ein System zur vollautomatischen Betätigung der Kupplung, inklusive zweier Modi für manuelle oder automatisierte Gangwechsel. „Simplify your ride“ nennt BMW als Motto, Motorradfahren soll einfacher und komfortabler werden, ohne dass die Emotion zu kurz kommt.
Blumige Presselyrik hin oder her: Wie funktioniert das eigentlich?
Zwei elektromechanische Aktuatoren übernehmen das Kuppeln und Schalten des GS-Sechsganggetriebes, genau das ist auch der wesentliche Unterschied zu einem herkömmlichen Quickshifter, denn das Räderwerk selbst bleibt in beiden Fällen unverändert.
Die komplette Aktuatorik ist in das Getriebe integriert, das ganze System soll gerade mal 2,1 Kilo wiegen.
Von außen merkt man davon im Motorbereich nichts, auf den ersten Blick sieht die GS ganz normal aus. Im Stand weisen nur zwei Dinge auf ASA hin: der fehlende Kupplungshebel und ein Druckschalter neben der linken Lenkerarmatur mit der Aufschrift „D“ und „M“, garniert mit stilisierten Gangrädchen. Er verweist auf den automatischen und manuellen Schaltmodus.
Über 100.000 Kilometer habe man mit ASA im Testbetrieb abgespult, sagt BMW. Schon beim Entwicklungsstart der großen GS wurde das Getriebe einer „Bauraumprüfung“ (schönes Wort!) unterzogen, um herauszufinden, ob da auch ein Automatisierter Schaltassistent hineinpasst. Es war also immer geplant, das Flaggschiff damit auszurüsten.
In „P“ ist der erste Gang eingelegt
Deshalb sind wir neugierig, wie ASA denn nun in der Praxis performt. Nachdem man per Keyless-System die Zündung der R 1300 GS aktiviert hat, tut sich beim Druck auf den Startschalter erst mal nichts. Im Display erscheint rechts in der Mitte ein großes „P“. In dieser Parkposition ist der 1. Gang eingelegt, um das Motorrad im Stand gegen Wegrollen zu sichern, das geschieht automatisch mit dem Abstellen. Deswegen muss man zum Starten die Vorderradbremse ziehen, während man mit dem rechten Daumen den Schalter betätigt. Mit dem Anspringen des Boxermotors wechselt das „P“ im Display auf ein grünes „N“ – der Leerlauf ist aktiviert.
So weit, so gut. Zu Beginn braucht es etwas Überwindung, den Schalthebel nach unten zu drücken, ohne den Kupplungshebel zu ziehen – es gibt ja keinen. Mit einem deutlichen Klack legt ASA dann den 1. Gang ein. Wer jetzt dachte, der Automatisierte Schaltassistent kann das GS-Getriebe lautlos bedienen, wird vielleicht etwas enttäuscht sein. Es bleibt auch mit ASA bei einer mitunter etwas rustikalen Geräuschkulisse bei den Gangwechseln, je nach Last und Drehzahl mal mehr oder weniger.
Auch mit ASA bleibt die rustikale Geräuschkulisse
Nach dem Einlegen des Gangs ist immer zunächst der manuelle Modus aktiv, zu erkennen am „M“ im Display. Wir finden es übrigens gut, dass ASA mit dem Fuß geschaltet wird und nicht etwa an der Lenkerarmatur, z.B. über einen Wippschalter. Der Lenker kann dadurch weiterhin locker geführt werden – und der linke Fuß weiß genau, was er zu tun hat. Außerdem fällt die Eingewöhnung sehr kurz aus. Der spannende Moment kommt jetzt: Wie wird das System beim Gas geben einkuppeln? Wie fühlt sich das erste Losrollen an? Wie lässt sich der Vortrieb dosieren? Zu wenig E-Motorräder - Aufgrund von Lärm und Gestank: Wütende Mutter legt sich mit Hunderten Bikern an
Die Überraschung ist, dass es keine gibt: Das Anfahren gestaltet sich ganz normal. Nach etwas Leerweg am Gasgriff nimmt die GS weich und sanft Fahrt auf, die Motordrehzahl erhöht sich dabei kaum. Klar, der Big Boxer hat mit seinen 145 PS bereits ab Standgas ordentlich Dampf im Kessel. Kaum hat man Schritttempo hinter sich gelassen, lässt sich die nächste Fahrstufe einklinken, hier und da wieder unterbrochen von einem leichten Klack. Und so flippern wir uns fröhlich bis in den 6. Gang hinauf.
Knackig-kurze Schaltwege
Dabei fällt im manuellen Modus auf: Die benötigte Kraft am Schalthebel ist ausgesprochen gering. Außerdem gibt es am Fußhebel keinerlei Leerweg, die Schaltwege sind knackig kurz, der Hebel ist präzise geführt und sitzt spielfrei in seiner Lagerung. Nach ein paar Kilometern beginnt man, bei konstantem Tempo völlig sinnbefreit ein paar Gänge rauf- und sofort wieder runterzuschalten, so schnell und flüssig wechselt ASA die Fahrstufen. Ein Heidenspaß! Die Bewegung am Fußhebel wird durch einen Schalthebelsensor übermittelt, eine mechanische Verbindung zwischen Schalthebel und Getriebe gibt es nicht.
Die Sensorik füttert u.a. das Getriebesteuergerät (Transmission Control Unit), das wiederum eng mit der Motorsteuerung vernetzt ist, mit Daten, die Aktuatoren führen den Gangwechsel aus. Diese gehen speziell unter Last, z.B. beim harten Beschleunigen, mit einem kurzen Ruck einher, schließlich wird auch hier die Zugkraft unterbrochen. Einen astreinen Job erledigt das System beim Anbremsen vor Kurven: Der Automatisierte Schaltassistent wechselt blitzschnell in die jeweils niedrigere Fahrstufe, ein kurzes Antippen des Schalthebels genügt, das Einkuppeln geht sehr schnell und trotzdem weich. So kann man extrem hart bremsen und dabei die Gänge einfach nach unten durchsteppen, das Motorrad bleibt absolut stabil.
Selbst beim tiefen Hineinbremsen in Kurven lässt sich in Schräglage noch ein weiterer Gang zurückschalten, ohne damit Unruhe ins Fahrwerk einzuleiten. Großes Kino. Viel Licht also, wenig Schatten, die Vorteile des Systems überwiegen: Mit ASA ist ein Abwürgen des Motors auch bei forcierten Ampelstarts unmöglich, allerdings wird dann auch - analog zum Dreh am Gasgriff – knackig und hart eingekuppelt. Die Gänge lassen sich auch bei niedrigen Drehzahlen und Teillast jederzeit problemlos wechseln, und zwar in beide Richtungen, da tun sich herkömmliche Quickshifter mitunter schwer.
ASA schaltet Gänge einzeln herunter
ASA schaltet die Gänge einzeln herunter, wenn ein bestimmtes Drehzahlniveau unterschritten wird. Man kann z.B. im 6. Gang an eine Ampel rollen, ASA erledigt auf dem Weg dahin den Rest, kurz vor dem Stillstand ist dann der 1. Gang eingelegt. Im Gegenzug schaltet das System im manuellen Modus aber auch im Drehzahlbegrenzer nicht selbstständig hoch: ein Umstand, den vor allem sportlich orientierte Fahrer zu schätzen wissen. Wer will, darf sogar im 2. Gang anfahren. Dass man beim Schalten mal zwischen den Gängen landet, weil man die Aktion unsauber ausführt – unmöglich. Ein hakeliges oder teigiges Gefühl am Schalthebel? Aufgrund der Bauart Fehlanzeige. Fragwürdige Denunziationsanleitung - Anti-Lärm-Plan der Umwelthilfe: Deutsche sollen laute Fahrzeuge einfach anzeigen
Die Leerlauffindung ist ebenfalls clever gelöst: Einfach ein paar Sekunden den Schalthebel im 1. Gang nach unten drücken oder den Wechsel\u0002schalter für die Getriebe-Modi drücken und halten – und ASA legt die Neutralstellung ein. Das funktioniert auch, wenn nur die Zündung aktiviert ist. Immer wieder beeindruckend sind die möglichen Manöver bei langsamer Fahrt: Nur über den Gasgriff lassen sich bis kurz vor dem Stillstand enge Radien ziehen, wer quasi auf dem Handtuch wenden möchte, nimmt bei Bedarf die Hinterradbremse zu Hilfe.
Kein hektisches Pumpen mehr mit der Kupplung
Das klappt ganz hervorragend, weil das System beim Einkuppeln am Schleifpunkt so weich, feinfühlig und kontrollierbar vorgeht - ein klarer Komfort- und Sicherheitsgewinn: kein hektisches „Pumpen“ mit dem Kupplungshebel mehr, keine Angst davor, dass die voll beladene Fuhre beim Hakenschlagen um die Zapfsäule umkippt, einfach nur sanft Gas geben – das sorgt für weniger Stress und mehr Spaß. „Betreutes Fahren“ sozusagen… Okay, den manuellen Modus haben wir nun genug gelobt, wechseln wir also in den D-Modus, vergleichbar der „Drive“-Stellung beim Auto. Hier schaltet ASA das Sechsganggetriebe der GS nun komplett selbstständig. Um es vorwegzunehmen: Der Automatik-Modus hat uns nicht völlig überzeugt. Je nachdem, welchen der Fahrmodi - z.B. ECO, ROAD oder DYNAMIC – der Pilot nutzt, sieht er sich bisweilen mit interessanten Schaltmanövern konfrontiert.
Keine Frage, dieses Urteil ist subjektiv gefärbt, da der Eindruck bis zu einem gewissen Grad vom persönlichen Fahrstil abhängt. Manchmal schaltet das System im Automatik-Modus gefühlt etwas zu früh rauf, zu spät runter oder umgekehrt, z.B. am Kurveneingang oder bei spontanen Überholmanövern. Das ist alles nicht dramatisch oder gar „unfahrbar“, zeigt aber, wo die Grenzen von ASA liegen. So war die Software für die Ingenieure die größte Herausforderung bei der Entwicklung des Automatisierten Schaltassistenten. Am Ende ist sie ein Kompromiss, der viele unterschiedliche Fahrprofile abbilden muss. Und vor diesem Hintergrund hat BMW dann auch beim Automatik-Modus einen soliden Job gemacht. Auf dem Stadtring oder bei längeren Etappen auf Bundesstraßen oder Autobahnen lässt sich damit gut leben. Und bei Bedarf kann man den Automatik-Modus jederzeit durch ein kurzes Zucken am Schalthebel „überstimmen“, ein manueller Gangwechsel ist auch in „D“ immer möglich.
...und was kostet der automatisierte Spaß?
Bleibt die Frage: Was kostet der Spaß? Das ist nicht so leicht zu beantworten, denn dazu muss man bei der GS das Dynamik-Paket inklusive ASA für 2525 Euro ordern. Für das „normale“ Dynamik-Paket mit Schaltassistent PRO sind 1660 Euro fällig. Die Differenz von 865 Euro sind somit der Aufpreis für den Automatisierten Schaltassistenten, „nur“ ASA gibt es nicht. Der Preis für das System geht also nicht mehr als Schnäppchen durch, ist aber auch nicht unverschämt. Bei Honda kostet das aufwendige Doppelkupplungsgetriebe DCT 1.100 Euro, die E-Clutch 400. Yamaha möchte für das brandneue Y-AMT in der MT-09 500 Euro extra sehen. Die Systeme unterscheiden sich aber z.T. deutlich in Konstruktion, Bedienung, Funktionsumfang und Gewicht.
Fazit
Exakt 513 Kilometer sind wir bei unserem Test des Automatisierten Schaltassistenten mit der BMW R 1300 GS gefahren – also nicht nur mal schnell ums Eck. Dabei haben wir versucht, alle möglichen Fahrzustände abzubilden, sind wild zwischen den Fahr- und Schalt-Modi hin und her gesprungen, haben Attacke gemacht und sind entspannt dahingerollt. Unterm Strich muss man sagen: ASA ist nicht perfekt, macht aber vor allem im manuellen Modus enorm viel Spaß und unterstreicht damit den Sportsgeist der GS und ihrem grandiosen Boxer. Außerdem erleichtert es die Bedienung und steigert Komfort und Sicherheit, vor allem bei langsamen Fahrmanövern. Dynamische Jäger profitieren von ASA also ebenso wie gemütliche Sammler.
BMW geht davon aus, dass künftig die Hälfte aller neuen R 1300 GS mit dem System im Dynamik-Paket geordert werden. Das klingt ambitioniert. Ob das tatsächlich klappt, hängt davon ab, wie gut die Kunden auf ASA anspringen. Wenn es nach den Weißblauen geht, befinden sich darunter auch einige Wiedereinsteiger. Für die hätte es sich dann ebenfalls ausgekuppelt. Aber egal, ob Jäger oder Sammler: Eine Probefahrt sei ihnen empfohlen. Danach kann dann jeder selbst entscheiden, ob er jemals wieder zur Kupplung greifen will.