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Der brave Christ: Mike Pence und sein Präsidentschaftsrennen

Niemand hat ein derart gespaltenes Verhältnis zu Donald Trump wie Mike Pence: Der Ex-Vize wurde vom loyalen Sekundanten zum Ziel eines Mobs - und nun zum Herausforderer des alten Chefs.

Mike Pence wird am 7.6. 64 Jahre alt und will zur Feier des Tages seine Kandidatur offiziell ankündigen. (Bild: dpa)
Mike Pence wird am 7.6. 64 Jahre alt und will zur Feier des Tages seine Kandidatur offiziell ankündigen. (Bild: dpa)

Mike Pence auf seiner Harley Davidson, Mike Pence in Jeans und Lederweste, Mike Pence neben Strohballen, Mike Pence auf der Ladefläche eines Pickup-Trucks. Der sonst eher zugeknöpfte Republikaner tourt seit Tagen durch den Bundesstaat Iowa und gibt den volksnahen Wahlkämpfer.

Der Republikaner will ins Weiße Haus. Schon am Montag reichte Pence die nötigen Unterlagen bei der Wahlkommission ein. An diesem Mittwoch, an seinem 64. Geburtstag, soll die offizielle Verkündung seiner Präsidentschaftsbewerbung folgen - auch in Iowa, wo traditionell die Vorwahlen der Republikaner starten. Pence' Einstieg in den Wahlkampf sticht in mehrfacher Weise heraus.

Konkurrent: Donald Trump

Der Republikaner will gegen den demokratischen Präsidenten Joe Biden ins Rennen gehen - vor allem aber gegen seinen früheren Chef, Ex-Präsident Donald Trump, der sich bei der Wahl 2024 ebenfalls für eine zweite Amtszeit bewirbt. Dass ein früherer Vizepräsident seinen Ex-Chef im Wahlkampf herausfordert, ist per se ein bemerkenswerter Vorgang. Im Fall von Pence und Trump gilt das umso mehr.

Mike Pence in Lederweste: Ein ungewohntes Outfit, mit dem sich der ehemalige Vizepräsident volksnah zeigen will. (Bild: REUTERS/Dave Kaup)
Mike Pence in Lederweste: Ein ungewohntes Outfit, mit dem sich der ehemalige Vizepräsident volksnah zeigen will. (Bild: REUTERS/Dave Kaup)

Niemand hat ein derart gespaltenes Verhältnis zu dem ehemaligen Präsidenten wie Pence. Vier Jahre lang stand er treu ergeben als Vize an Trumps Seite, stets überloyal, fast unterwürfig. Kein öffentliches Statement von Pence ohne Preisung des Chefs. Stoisch ließ Pence alle Skandale des damaligen Präsidenten über sich ergehen, selbst jene, die Pence als evangelikalen Christen an die moralische Belastungsgrenze brachten. Dies endete erst in jenem Moment, ganz am Ende der Amtszeit, als Trump seine Anhänger offen gegen Pence aufhetzte, als der Mob des Präsidenten «Hängt Mike Pence» johlte und der Vizepräsident um sein Leben fürchten musste.

Sturm aufs Kapitol - und auf die Demokratie

Es war der 6. Januar 2021. Jener Tag, an dem der Kongress unter Pence' Vorsitz Bidens Wahlsieg formal bestätigen sollte - und jener Tag, der ausartete in einen nie dagewesenen Anschlag auf die US-Demokratie. Trump sah seinen Stellvertreter damals als letzten Ausweg in seinem beispiellosen Feldzug gegen den Wahlausgang und behauptete, Pence könne in seiner Rolle als Vizepräsident Wahlergebnisse aus einzelnen Bundesstaaten einfach abweisen - was Fachleute als unrechtmäßig abtaten und auch Pence rigoros verwarf.

Die Trump-Anhänger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmten, hatten es auch auf Mike Pence abgesehen. (Bild: Win McNamee/Getty Images)
Die Trump-Anhänger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmten, hatten es auch auf Mike Pence abgesehen. (Bild: Win McNamee/Getty Images)

Während Trumps Anhänger damals den Kongresssitz erstürmten, twitterte der damalige Präsident, Pence habe «nicht den Mut gehabt, das zu tun, was getan werden sollte». Der Mob schrie daraufhin «Hängt Mike Pence». Trumps Stellvertreter musste sich mit Sicherheitsleuten in einer Garage unter dem Kapitol-Komplex verstecken, während draußen vor dem Gebäude ein Strick an einem Galgen baumelte.

«Es ist nicht gut ausgegangen», sagte Pence viele Monate danach in einem Interview über sein «enges Arbeitsverhältnis» zu Trump. Das ist dezent ausgedrückt dafür, dass ein amtierender Präsident seinen Vize vor den Augen der Welt einer gewalttätigen Meute auslieferte. Pence nannte Trumps Verhalten später gefährlich und falsch. Die Geschichte werde Trump dafür zur Rechenschaft ziehen, mahnte er. Und ja, er sei «sauer» gewesen auf Trump. Das klingt einigermaßen zurückhaltend. Pence' Absetzbewegungen kamen in gemäßigter Tonalität daher.

Das Trump-Dilemma

Der Republikaner versucht sich in dem nahezu unmöglichen Spagat, auf größtmögliche Distanz zu Trump zu gehen, ohne dessen Anhänger zu verprellen. Er muss die Arbeit aus der gemeinsamen Regierungszeit anpreisen, um seine eigene Bilanz aufzupolieren, und den Menschen gleichzeitig erklären, warum er Trump für den falschen Mann im Weißen Haus hält. Von allen republikanischen Präsidentschaftsanwärtern, die sich in diesem Dilemma befinden, hat es Pence am schwersten - wegen seiner aufgeladenen gemeinsamen Geschichte mit Trump.

Hier tritt Mike Pence kurz nach den verlorenen Wahlen im November 2020 noch als Vizepräsident auf, bald könnten sich die beiden bei TV-Debatten wieder begegnen. (Bild: Jabin Botsford/The Washington Post via Getty Images)
Hier tritt Mike Pence kurz nach den verlorenen Wahlen im November 2020 noch als Vizepräsident auf, bald könnten sich die beiden bei TV-Debatten wieder begegnen. (Bild: Jabin Botsford/The Washington Post via Getty Images)

Bei vielen inhaltlichen Themen vertritt Pence ähnlich knallharte Rechtsaußen-Positionen wie Trump. «Ich war Tea-Party, bevor das cool war», sagte Pence 2011 über sich selbst, mit Blick auf die erzkonservative Tea-Party-Bewegung innerhalb seiner Partei. Manch liberaler Demokrat hielt Pence während der Trump-Jahre für den politisch «gefährlicheren» von beiden - weil er ultrakonservative Positionen vertritt, ohne Trumps Hang zu Chaos und Skandal zu teilen.

Auf menschlicher Ebene könnten die beiden unterschiedlicher nicht sein. Da wäre Pence, der brave Christ, der strenge Evangelikale, für den es schon eine Grenzüberschreitung ist, alleine mit einer anderen Frau als seiner Ehefrau ein Essen einzunehmen. Der Veranstaltungen, wo Alkohol ausgeschenkt wird, nur besucht, wenn er seine Frau an seiner Seite hat. Dagegen steht Trump, der sich in der Vergangenheit damit rühmte, ein Prominenter könne Frauen überall anfassen, auch an ihren Genitalien. Der vor Gericht für einen sexuellen Übergriff verantwortlich gemacht wurde und sich in einem Verfahren wegen dubioser Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar verantworten muss.

Christ, Konservativer, Republikaner - «in der Reihenfolge»

Trump holte Pence nicht zufällig an seine Seite. Der Vize deckte für Trump die wichtige Wählergruppe der Evangelikalen ab, versorgte seinen skandalumwobenen Chef nach außen hin mit einem Anstrich von Solidität und Moral, zumindest nach konservativem Ermessen. Pence sagt von sich selbst regelmäßig, er sei «ein Christ, ein Konservativer und ein Republikaner - in der Reihenfolge». Er beschreibt seinen christlichen Glauben und die Ehe mit seiner Frau Karen als die wichtigsten Einflüsse in seinem Leben - mutmaßlich ebenfalls in dieser Reihenfolge. Der 64-Jährige spricht oft und viel über Religion. Sein jüngstes Buch heißt «So wahr mir Gott helfe».

Karen Pence wird im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Das Paar gilt als eng verbunden. (Bild: REUTERS/Brian Snyder)
Karen Pence wird im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Das Paar gilt als eng verbunden. (Bild: REUTERS/Brian Snyder)

Bei strenggläubigen Christen im Land könnte Pence durchaus punkten. Durch seine Zeit als Vizepräsident ist er auch weithin bekannt. Nur: Sehr beliebt ist er nicht. Manchen Republikanern ist der Mann mit dem Image des braven Staatsdieners zu steif, zu langweilig, zu wenig charismatisch. Manche hartgesottenen Trump-Fans wiederum sehen ihn als «Verräter». In Umfragen liegt Pence derzeit zwar vor der früheren US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, und anderen. Aber weit hinter Floridas Gouverneur, Ron DeSantis - und komplett abgeschlagen hinter Trump.

Im Video: Mike Pence will US-Präsident werden