Breite Kritik an Verzögerung beim Tariftreuegesetz
Die Verzögerung des geplanten Tariftreuegesetzes sorgt für breite Kritik. SPD-Chefin Saskia Esken ging insbesondere den Koalitionspartner FDP scharf an: "Das Tariftreuegesetz kommt - es aus falsch verstandener Wirtschaftsfreundlichkeit aufhalten zu wollen, ist nicht sehr klug von der FDP", sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. Das von FDP-Chef Christian Lindner geführte Bundesfinanzministerium blockiert die Vorlage offenbar unter Verweis auf steigende Bürokratie.
Esken sagte weiter, es wisse mittlerweile jeder, dass tarifgebundene Unternehmen langfristig erfolgreicher seien. Gerade jetzt müsse es darum gehen, die Wirtschaft nachhaltig zu fördern.
"Dazu kommt: Gute Löhne müssen gewährleistet sein, wenn jemand im Auftrag des Staates arbeitet", fügte Esken hinzu. "Gerade da, wo der Bund Aufträge vergibt, müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter herrschen - und Lohndumping sollte dort niemandem einen Vorteil verschaffen."
Der Staat müsse Vorbild sein, wenn es um faire Arbeitsbedingungen und Löhne gehe, von denen Menschen gut leben können. "Sie sind die Grundlage unser sozialen Marktwirtschaft", sagte Esken.
Kritik kam auch von den Grünen. Das Gesetz sei ein "Eckpfeiler der Koalitionsvereinbarung" zwischen den Ampel-Parteien, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, im Deutschlandfunk. In der FDP-Blockade sieht er deshalb "einen substanziellen Angriff" auf die Koalition.
Das Tariftreuegesetz ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vorgesehen. Es geht um die Vorgabe, dass für die Mitarbeitenden von Unternehmen, die Aufträge vom Bund bekommen, tarifvertragliche Regelungen gelten.
In der vergangenen Woche hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärt, er habe einen Entwurf für das Gesetz den anderen Kabinettsmitgliedern zur Ressortabstimmung vorgelegt. Wie die Funke Zeitungen diese Woche berichtet hatten, verlangt das Finanzministerium, dass Unternehmen an anderer Stelle von Bürokratie entlastet werden, bevor durch das Tariftreuegesetz neue Lasten entstehen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte die Umsetzung des Vorhabens. Die Regierungskoalition habe sich erst kürzlich bei der Haushaltseinigung erneut darauf verständigt, das Gesetz auf den Weg zu bringen, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. "Die Bundesregierung steht im Wort."
Dabei gehe es um Fairness: "Den Beschäftigten gegenüber und den Firmen, die nach Tarif zahlen und ohne Tariftreuegesetz weiter Wettbewerbsnachteile erleiden. Und den Steuerzahlern gegenüber – sie sind es leid, dass der Staat mit ihrem Geld Lohndumping bezahlt." Das Argument einer zu starken Belastung der Firmen wies Körzell zurück: "Der jetzt vorliegende Entwurf ist bürokratiearm."
Ähnliche Äußerungen kamen aus dem CDU-Sozialflügel. "Das Tariftreuegesetz muss kommen", sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratische Arbeiterschaft (CDA), Dennis Radtke, den RND-Zeitungen. Er erinnerte daran, dass die europäische Mindestlohnrichtlinie bis Ende November in nationales Recht umgesetzt werden müsse. "Um 80 Prozent Tarifbindung zu erreichen, braucht es konkrete Maßnahmen." Das Tariftreuegesetz sei ein Baustein von mehreren, sagte Radtke.
Verdi-Chef Frank Werneke warf der FDP eine "Blockadehaltung" vor. Ihr gehe es "nur noch darum, die Interessen ihrer Klientel gegen Millionen von Menschen durchzusetzen, die auf auskömmliche Löhne und einen funktionierenden Staat angewiesen sind".
Die Linke-Vorsitzende Janine Wissler erklärte am Mittwochabend, Heil und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) '"müssen endlich Rückgrat zeigen und die FDP in die Schranken weisen". SPD und Grüne würden "von der neoliberalen Erpressertruppe um Bandenchef Christian Lindner mal wieder vorgeführt".
Der Bund müsse "mit gutem Beispiel vorangehen und das Tariftreuegesetz schnellstens auf den Weg bringen", verlangte Wissler. "Die Ampel kann so ein Zeichen setzen gegen den dramatischen Einbruch bei der Tarifbindung."
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