Brendan Frasers dramatische Verwandlung für "The Whale"
Brendan Fraser spielt in dem preisgekrönten Film "The Whale" einen 272kg schweren zurückgezogen lebenden Mann.
Es geht nichts über eine schockierende körperliche Verwandlung für eine Filmrolle, um in Hollywood für Gesprächsstoff zu sorgen und für zahlreiche Preise nominiert zu werden. Und Brendan Frasers Comeback-Rolle in "The Whale" hat beides geschafft.
Der Film "The Whale", bei dem Darren Aronofsky Regie führte, erzählt die Geschichte von Charlie, einem zurückgezogen lebenden und chronisch fettleibigen Online-Englischlehrer, der verzweifelt versucht, wieder Kontakt zu seiner entfremdeten Tochter aufzunehmen, während er dem Tod entgegengeht.
Charlie hatte seine Familie verlassen, um mit seinem Liebhaber zusammenzuleben. Als dieser stirbt, beginnt Charlie zwanghaft zu Essen, um mit den Schuldgefühlen und dem Schmerz fertig zu werden. Durch die katastrophalen Fressattacken ist er zu einem 272kg schweren Einsiedler geworden.
Trotz seiner schlechten Prognose sucht Charlie nach Erlösung, indem er versucht, eine Beziehung zu seiner 17-jährigen Tochter Ellie aufzubauen, die von "Stranger Things"-Star Sadie Sink gespielt wird.
Sehen Sie sich den Trailer zu "The Whale" an
"The Whale" ist eine Adaptation des preisgekrönten Broadway-Stücks des Dramatikers Samuel D. Hunter. Der Film hat sowohl viel Lob als auch viel Kritik erhalten und konnte in der diesjährigen Filmpreissaison bereits zahlreiche Preise abräumen. Er brachte Fraser seine erste Oscar-Nominierung in der Kategorie Bester Hauptdarsteller ein, zwei weitere Nominierungen gab es in den Kategorien Beste Nebendarstellerin für Hong Chau (die Charlies Freundin Liz spielt) sowie für das beste Make-up und Hairstyling.
Eines der größten Gesprächsthemen rund um den Film ist natürlich Frasers dramatische körperliche Veränderung. Für die Darstellung von Charlie wurde eine Kombination aus schweren Prothesen, CGI und Make-up verwendet, die den "Die Mumie"-Star völlig unkenntlich macht.
Der 54-Jährige erzählte letztes Jahr auf der GalaxyCon Raleigh: "Die eigentliche Aufgabe bestand darin, diese Figur authentisch zu erschaffen und zwar mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen: Make-up, Prothesen, Anzug und ein bisschen CGI, um sicherzustellen, dass die Form des Körpers dieses Mannes den Gesetzen der Physik und der Schwerkraft gehorcht."
Ehrlich oder ausbeuterisch?
Der Wandel vom muskulösen Filmschwarm der 90er-Jahre zum krankhaft fettleibigen Charlie im Jahr 2023 fühlt sich sicherlich ein wenig unangenehm an und hat viele Diskussionen über Fettphobie ausgelöst. Roxane Gay schrieb ein Meinungsstück in der "New York Times" mit dem Titel "The Cruel Spectacle of The Whale" (auf Deutsch etwa: Das grausame Spektakel von The Whale).
Darin heißt es unter anderem: "'The Whale" behauptet, mit Sorgfalt und Anmut erzählt worden zu sein, aber er ist genauso ausbeuterisch wie jede Folge von TLC's 'My 600-lb Life'." Auch Richard Lawson von "Vanity Fair" schreibt in seiner Kritik, dass Charlies Existenz mit "einer Art von lüsternem Horror" erzählt wird.
Trotz der negativen Kritiken beharrt Fraser darauf, dass man "das Werk sehen müsse", bevor man über seine Darstellung urteilt. Im Gespräch mit dem "Telegraph" erklärte er, dass er "wusste, dass es mit Sensibilität und Ehrlichkeit gemacht werden musste".
"Dieser Film zeigt, dass wir alle nur Menschen sind"
Auch Regisseur Darren Aronofsky hat sich zu der Kontroverse über die Darstellung von Fettleibigkeit im Film geäußert. "Menschen mit Fettleibigkeit werden im Allgemeinen als Bösewichte oder als Witzfiguren dargestellt", sagte Aronofsky letztes Jahr gegenüber Yahoo Entertainment.
"Wir wollten eine vollständig ausgearbeitete Figur schaffen, die sowohl schlechte als auch gute Seiten hat; Charlie ist sehr egoistisch, aber er ist auch voller Liebe und sucht nach Vergebung. Daher ergibt [die Kontroverse] für mich keinen Sinn. Brendan Fraser ist der richtige Schauspieler, um diese Rolle zu spielen, und der Film ist eine Übung in Empathie."
Aronofsky sprach auch mit dem "The Envelope-Podcast" der "Los Angeles Times" über seine Zusammenarbeit mit der Obesity Action Coalition (OAC). "Sie glauben wirklich, dass dies den Leuten die Augen öffnen wird", so Aronofsky. "Man darf nicht vergessen, dass die Menschen in dieser Gemeinschaft von Ärzten verurteilt werden, wenn sie medizinische Hilfe suchen. Sie werden überall auf der Welt beurteilt, von den meisten Menschen."
"Dieser Film zeigt, dass wir alle nur Menschen sind und dass wir alle gut und schlecht, fehlerhaft und hoffnungsvoll, fröhlich und traurig sind und dass wir alle Gutes und Schlechtes in uns tragen."
So funktionierte die Transformation
Wie genau hat "The Whale" nun also eine akkurate und einfühlsame Darstellung eines krankhaft fettleibigen Menschen geschaffen?
Frasers komplizierte Prothesen wurden von dem renommierten Prothetikdesigner Adrien Morot entworfen, der auch an "The Revenant – Die Rückkehrer" und "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" gearbeitet hat. Morot experimentierte für den Fatsuit mit digitaler Bildhauerei und einem 3D-Drucker, da er aufgrund der COVID-19-Pandemie keine Abdrücke von Frasers Gesicht und Körper anfertigen konnte. Daher musste der Designer äußerst kreativ werden.
Mithilfe eines iPads gelang es dem Produzenten von "The Whale", einen Scan von Brendan in seiner Garage zu erhalten, und Morot nutzte diese Daten zusammen mit Zoom-Anrufen, um den Anzug aus der Ferne zu entwerfen.
"Das war die größte Herausforderung, die ich je in meiner Karriere hatte", erzählte Morot der "Vanity Fair". "Ich versuche immer, Make-ups zu entwerfen, die subtil und unauffällig sind... man soll denken: 'Was? Dieser Schauspieler hat Prothesen getragen? Ich dachte nur, ich hätte ihn seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen.'"
Damit die Bewegungen realistisch aussehen, wurde ein Ganzkörper-Kunsthautanzug im 3D-Druckverfahren hergestellt und mit Säckchen mit "gelatinösen Wasserkügelchen" gefüllt, um die Bewegungen von Frasers Gliedmaßen richtig hinzubekommen.
"Ich habe mir andere Ganzkörperanzüge angesehen, die im Laufe der Jahre in Komödien verwendet wurden, meist für eine komische Darstellung", sagte Fraser gegenüber "Vanity Fair" über den Anzug. "Ob beabsichtigt oder nicht, der Witz ist, dass er der Schwerkraft trotzt. Unserer war anders."
Fraser fügte hinzu, dass die Verwandlung in seine "The Whale"- Figur "mühsam und nicht gerade bequem" war. Zu Beginn der Dreharbeiten verbrachte Fraser täglich fünf bis sechs Stunden in der Maske, um sich in Charlie zu verwandeln, wobei die Stunden bis zum Ende der Dreharbeiten auf zwei bis drei verkürzt werden konnten. Die fortschrittlichenProthesen waren so schwer, dass mehrere Personen helfen mussten, um Fraser zwischen dem Studio und der Maske zu bewegen.
Gegenüber "Vanity Fair" beschrieb Fraser auch, wie schwierig es war, in den schweren und aufwendig gestalteten Anzug zu schlüpfen: "Der Torso war fast wie eine gerade Jacke mit Ärmeln, die von Hand mit Airbrush aufgetragen wurden, um genauso auszusehen wie menschliche Haut, bis hin zu den handgestanzten Haaren."
Eine der stärksten Performances von Brendan Fraser
Zusätzlich zur körperlichen Verwandlung wollte sich Fraser auch geistig und emotional auf seine Rolle in "The Whale" vorbereiten und arbeitete mit der Obesity Action Coalition zusammen.
Er beriet sich mit Menschen, die sich einer Adipositas-Operation unterzogen hatten, um mehr über ihr Leben und ihre Probleme zu erfahren. "Ich habe schnell gelernt, dass es eine unglaublich starke Person in diesem Körper braucht, um diese Person zu sein", sagte der Schauspieler. "Das erschien mir passend, poetisch und praktisch zugleich."
Nach einer langen Hollywood-Pause ist es definitiv großartig, Fraser wieder auf der großen Leinwand zu sehen, wo er eine seiner stärksten und gefühlvollsten Darbietungen aller Zeiten abliefert.
Im Video: Das große Comeback von Brendan Fraser - "The Whale"