Brennerstreit eskaliert - Italien fordert „Ende der Arroganz“ und zerrt Österreich vor EuGH
Italien zieht im Brenner-Transitstreit vor den EuGH und klagt gegen Österreichische Transitmaßnahmen. Heute hat der Ministerrat in Rom einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Italien hat im langjährigen Streit um die Tiroler Transitmaßnahmen auf der Brenner-Strecke nun offiziell Klage gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Ein entsprechender Beschluss wurde vom Ministerrat in Rom gefasst, meldet der ORF.
Italien fordert Ende der „österreichischen Arroganz“
Verkehrsminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega betonte, es sei an der Zeit, „mit der österreichischen Arroganz Schluss zu machen“. Er strebt damit die „Wiederherstellung der Rechtssicherheit für die europäischen Spediteure“ an. Laut Salvini ist dies das erste Mal, dass Italien einen EU-Partner vor Gericht zerrt, was unter anderem von der Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ) hervorgehoben wird. Die Kritikpunkte Italiens umfassen insbesondere das Nachtfahrverbot, das sektorale Fahrverbot für schienenaffine Güter, das Winterfahrverbot an Samstagen und die Lkw-Blockabfertigung.
Die EU-Kommission hatte bereits Mitte Mai im Transitstreit den Weg für die Klage Italiens frei gemacht, indem sie in einer Stellungnahme der Kritik Italiens in wesentlichen Bereichen recht gab, ohne jedoch ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die Behörde erkannte einige Argumente Österreichs an, sah die Maßnahmen aber als nicht kohärent an und somit nicht durch die Erreichung der angestrebten Ziele gerechtfertigt.
Österreich verteidigt Maßnahmen
Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) verteidigte die „Notmaßnahmen“ Tirols und mahnte zu Verhandlungen. Sie verwies auf das „Slotsystem“ für buchbare Lkw-Fahrten auf der Brennerstrecke als Verhandlungsgrundlage. „Italien wird mit seiner Maximalforderung, nämlich die Aufhebung aller Tiroler Verbote, keinen Erfolg haben“, so Tirols Ministerpräsident Anton Mattle (ÖVP) laut DVZ.
Südtirol in der Zwickmühle
Südtirol befindet sich mittendrin im Konflikt zwischen den Maßnahmen Österreichs und den Interessen Italiens. „Rai Südtirol“ berichtet von Protesten gegen die „Blöcke“, womit die Tiroler Lkw-Blockabfertigung gemeint ist. Christian Bianchi, ein Mitglied der neuen Mitte-Rechts Landesregierung von Landeshauptmann Arno Kompatscher, unterstützt die geplante Klage Italiens gegen Österreich und kritisiert die Lkw-Fahrverbote als nicht gerechtfertigt.
Die österreichische Regierung bleibt gelassen und betont, dass die Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung in Tirol notwendig, verhältnismäßig und EU-rechtskonform seien. „Einem etwaigen Verfahren sehen wir sehr gelassen entgegen“, heißt es in einer Stellungnahme von der österreichischen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Außenminister Alexander Schallenberg, die „Rai Südtirol“ vorliegt.
Die Brennerroute ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Europas, und die Zunahme des Güterverkehrs hat zu wachsenden Spannungen zwischen den Anrainerstaaten geführt. Bayern und Tirol sind ebenfalls in den Konflikt involviert, da die Verkehrsströme auch diese Regionen betreffen.
Auswirkungen auf die Bevölkerung und Umwelt
Die Maßnahmen Österreichs wurden als Schutz der Bevölkerung und als Reaktion auf die Umweltbelastungen durch den zunehmenden Lkw-Verkehr eingeführt. Die italienische Klage wirft jedoch die Frage auf, ob diese Maßnahmen im Einklang mit europäischen Rechtsstandards stehen. Wie Rai Südtirol berichtet, sehen Kritiker in den Verboten eine unzulässige Behinderung des freien Warenverkehrs und eine Diskriminierung italienischer Spediteure.
Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet, da sie weitreichende Konsequenzen für die Transportpolitik in der gesamten EU haben könnte. Sollte das Gericht zugunsten Italiens entscheiden, müsste Österreich seine Transitpolitik überdenken. Ein Urteil zugunsten Österreichs hingegen würde die Position der Alpenrepublik stärken und könnte ähnliche Maßnahmen in anderen Mitgliedstaaten legitimieren.