Nach Brexit-Referendum: Viele in Köln lebende Briten beantragen deutschen Pass
Enttäuschung, Trauer, Wut: Der Schock über das Brexit-Votum sitzt bei den in Köln lebenden Briten noch immer tief – so tief, dass eine steigende Zahl die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen will. Rund 100 Anträge auf Ausstellung eines deutschen Passes hat die Abteilung Ausländerangelegenheiten bei der Stadt Köln seit der Entscheidung über den EU-Austritt im vergangenen Juni erhalten. Die Zahl der Beratungsgespräche für Interessenten liegt noch deutlich höher. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 gingen ganze zehn Anträge bei der Stadt ein. Auch Gaby Pinkner hat ihren Antrag bereits gestellt. Die Londonerin zog vor 17 Jahren wegen ihres heutigen Ehemanns nach Deutschland. „Als das Ergebnis des Brexit-Votums feststand, habe ich geweint“, sagt Pinkner. Ihr Landsmann Steve Dix hat gerade mit Bravour den Einbürgerungstest bestanden und bereitet sich jetzt auf die Sprachprüfung vor, die Voraussetzung für die Einbürgerung ist. Votum sei „Planet-der-Affen-Moment“ gewesen Dix kam vor gut 20 Jahren wegen eines Jobangebots – und blieb, weil „die Kölner so freundlich sind und niemanden allein lassen, der einsam an der Theke eines Pubs sitzt“. Der 50-jährige Film-Liebhaber spricht angesichts des Votums seiner Landleute von einem „Planet-der-Affen-Moment“. In der Schlussszene des Films entdeckt der Protagonist in einer radioaktiv verseuchten Einöde die zerstörte Freiheitsstatue – und erkennt erst da, dass er sich auf der Erde befindet. „Das gleiche Gefühl hatte ich beim Brexit. Die Ja-Sager haben alle Errungenschaften der EU zur Hölle geschickt“, sagt Dix. „Wie kann man sich bloß dagegen entscheiden, an einem solchen Ort zu leben?“ Seit dem Brexit-Votum sind viele der 2300 britischen Staatsbürger in Köln verunsichert, erzählen die beiden beim Treffen im „Overseas Club“. Die Bar mit angeschlossener Sprachschule am Barbarossaplatz ist ein beliebter Treffpunkt für Kölner Briten wie Pinkner und Dix. „Was passiert, wenn Deutsche und andere Ausländer demnächst gezwungen werden, England zu verlassen?“, fragt Dix. „Macht Angela Merkel im Gegenzug das gleiche dann mit uns?“ Fest in Köln verwurzelt Als Theresa May Anfang des Jahres den sogenannten „harten Brexit“ ankündigte, war für den Webentwickler klar, dass er handeln muss. „Ich habe mehr als die Hälfte meines Arbeitslebens hier verbracht, ich will nicht zurück.“ Dix ist in Köln mittlerweile fest verwurzelt. Er ist im Rahmen des Köln-Comedy-Festivals aufgetreten, trifft sich regelmäßig mit Kölner Couchsurfern zum Kneipenabend, hat beim ZDF-Zweiteiler „Dresden“ über die Zerstörung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs als Statist mitgespielt. „Ich habe mehr mit Deutschen als mit Engländern zu tun. Mein Zuhause ist Köln.“ Auch für Gaby Pinkner ist eine Rückkehr nicht vorstellbar. Sie hat mit ihrem deutschen Mann eine Familie gegründet, in ihrer Freizeit betreibt sie die englischsprachige Webseite „Rhine Online“ mit Kulturberichten und Ausgehtipps für Köln, Bonn und Düsseldorf. „Ich möchte nicht jedes Mal, wenn ich in ein EU-Land reise, ein Visum beantragen müssen“, begründet sie ihre Entscheidung für den deutschen Pass. Außerdem könne sie so künftig in Deutschland wählen. In England darf sie ihre Stimme nicht mehr abgeben, weil sie schon länger als 15 Jahre im Ausland lebt. Leicht gefallen ist Pinkner die Entscheidung dennoch nicht. „Bin ich Deutsche, bin ich Engländerin?“, fragt sie sich. „Eigentlich stehe ich in der Mitte. Vielleicht bin ich am ehesten Europäerin.“ Bürokratie-Marathon Während Pinkner bereits alle notwendigen Nachweise für die Einbürgerung abgegeben hat – von Geburts- und Heiratsurkunde bis hin zu Arbeitsbescheinigung, Gehaltsabrechnungen und Rentenverlauf – , steht Dix der Bürokratie-Marathon noch bevor. Zurzeit steht intensives Sprachtraining auf seinem täglichen Programm. „Bislang habe ich Deutsch vor allem anhand meiner Lieblingsfilme wie etwa Star Trek gelernt“, erzählt er. „Deshalb kenne ich zwar alle Vokabeln zum Warp-Antrieb, aber die Alltagssprache bereitet mir manchmal noch Probleme.“ Die 33 Fragen des Einbürgerungstests hat er indes fehlerlos beantwortet. Nur einen Monat hat er dafür gepaukt und die 300 möglichen Fragen im Vorfeld in Online-Tests beantwortet. Die schwierigste Frage für ihn? „Ob Hessen ein Bundesland der DDR war“, schmunzelt Dix. „Da war ich mir wirklich unsicher.“...Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta