Warum bricht der Wohnungsbau in Deutschland zusammen?
Der deutsche Wohnungsbausektor hat in letzter Zeit einen Rückschlag erlitten: Die Auftragseingänge waren deutlich langsamer und bestehende Aufträge wurden viel häufiger storniert.
Nach Angaben des IFO-Instituts sahen sich im Oktober etwa 22 % der deutschen Unternehmen mit stornierten Aufträgen konfrontiert, ein leichter Anstieg gegenüber 21,4 % im September. 48,7 % der Unternehmen gaben außerdem an, dass es im Oktober an neuen Aufträgen mangelte, ein Anstieg gegenüber 46,6 % im September.
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Außerdem waren die Auftragseingänge im Oktober 2023 den zwanzigsten Monat in Folge rückläufig.
Der HCOB PMI für das deutsche Baugewerbe fiel im Oktober auf ein Dreijahrestief von 38,3 (September: 39,3). Ausschlaggebend dafür war der stärkste Rückgang bei den deutschen Wohnungsbauprojekten seit 1999.
Das ehrgeizige Ziel von Bundeskanzler Olaf Scholz, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, scheint nach diesen neuen Zahlen noch mehr in Gefahr zu sein.
Dr. Klaus Wohlrabe, Leiter des Bereichs Umfragen am IFO Center, stellte fest: "Es wird immer schlimmer, immer mehr Projekte scheitern an höheren Zinsen und gestiegenen Baupreisen."
Rohstoffkosten und Fachkräftemangel
Der Verband der Europäischen Bauwirtschaft berichtete, dass 81 % der Unternehmen in Deutschland auch im Jahr 2023 von steigenden Material- und Energiepreisen bedroht sind. Darüber hinaus wiesen 67 % der Unternehmen auf einen Fachkräftemangel hin, während 58 % der Unternehmen auch die Gesamtnachfrage als gering einschätzten.
Der Aufwärtstrend des deutschen Baugewerbes in den Jahren 2020 und 2021 ist im Jahr 2022 ins Stocken geraten.
Die meisten großen Zentralbanken wie die US-Notenbank, die Europäische Zentralbank und die Bank of England haben die Zinsen kontinuierlich erhöht, um die seit zehn Jahren anhaltende hohe Inflation zu bekämpfen.
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Dies hat den deutschen Wohnungsbau besonders hart getroffen und dazu geführt, dass die Zinssätze für Baufinanzierungen im Jahr 2022 schnell von 1,4 % auf 3,5 % steigen werden, insbesondere für Verträge mit einer Laufzeit von über 10 Jahren.
Die Baupreise stiegen auch, weil die Rohstoffpreise nach dem Russland-Ukraine-Krieg in die Höhe schnellten. Grund dafür war eine erhebliche Verknappung wichtiger Materialien, da die internationale Gemeinschaft die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfte. Dazu gehörte auch das australische Bauxit-Exportverbot nach Russland, das den australischen Aluminiumsektor stark beeinträchtigte.
Dies hat sich vor allem auf die Preise für Industriemetalle wie Aluminium, Kupfer, Nickel und Stahl ausgewirkt. Andere Materialien wie Holz, Beton, Dämmstoffe und Schrauben folgten diesem Beispiel.
Geopolitische und verkehrstechnische Herausforderungen
Nachdem der anfängliche Preisschock des Russlandkonflikts abgeklungen war, sorgten steigende Ölpreise und eine wieder anziehende industrielle Nachfrage aufgrund der Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen dafür, dass sich die Rohstoffpreise zwar langsamer, aber immer noch nach oben bewegten.
Bestimmte Ereignisse, wie der Short Squeeze bei Nickel an der Londoner Metallbörse im Jahr 2022, haben ebenfalls zum Chaos beigetragen. Zu anderen Zeiten haben Entscheidungen wie das indonesische Nickelausfuhrverbot zur Förderung der inländischen Verarbeitung das weltweite Angebot weiter verringert.
Ein weiterer Faktor, der die deutsche Wirtschaft belastet, sind die Transportkosten, da eine Reihe von Bauunternehmen aufgrund der verschärften Beschränkungen, der Rückstände in der Lieferkette und der geopolitischen Spannungen nach alternativen Wegen suchen müssen.
Der deutsche Bausektor verzeichnete auch eine geringere Beschäftigung als die Gesamtwirtschaft, mit einem Anstieg von nur 0,5 % im Jahr 2022, während das allgemeine Beschäftigungswachstum 1,3 % betrug. Der Mangel an Aktivität hat die Unternehmen gezwungen, mehr Arbeiter zu entlassen oder temporäre, saisonale Arbeiter einzustellen.
Verschärfte Vorschriften für energieeffiziente Gebäude
Deutschland hatte zunächst auch strengere Vorschriften für energieeffiziente Gebäude eingeführt, und zwar in Form der neuen Norm EH 40. Dazu gehörten Fördermaßnahmen für den Bau besserer energieeffizienter neuer Wohnungen im Wert von rund 1,1 Milliarden Euro.
Diese Maßnahmen sollten ursprünglich bis 2025 laufen und waren hauptsächlich auf Häuser ausgerichtet, die weniger als 40 % oder weniger der Energie verbrauchen, die normalerweise für ähnliche Gebäude benötigt wird.
Das Land sah sich jedoch schnell mit einer zunehmenden Gegenreaktion von Bauherren konfrontiert, die sogar so weit gingen, dass sie an mehreren Orten den Bau neuer Gebäude aussetzten oder verschoben. Als Deutschland sah, dass der Bausektor in einen tieferen Abschwung geriet, zog es diese Maßnahmen schnell wieder zurück.
Der EH 40-Standard wurde auch wegen seiner Überschneidungen mit dem kürzlich aktualisierten deutschen Heizungsgesetz kritisiert, das bereits darauf abzielt, die Heizungsemissionen von Gebäuden zu verringern.
Klimaschützer beklagten jedoch diesen schnellen Rückzug und wiesen darauf hin, dass Deutschland mit seinen Plänen zur Emissionsreduzierung bereits deutlich im Rückstand sei. Diese Kehrtwende könnte das Erreichen der Klimaziele sogar noch schwieriger machen.
Der rasante Anstieg der Grundstückspreise hat den Wohnungsbau weiter gebremst: Seit 2010 sind die Preise für Baugrundstücke in deutschen Großstädten um bis zu 160 % gestiegen.
Die Aussichten für die nächsten Monate sehen nicht viel besser aus, da die Unternehmen davon ausgehen, dass die schwache Nachfrage zumindest in den nächsten Monaten anhalten wird. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die Unternehmen, sobald sich der Auftragsbestand wieder ausgleicht, nur noch sehr wenige kostenintensive Projekte haben, was die Gewinne weiter schmälert.
Dies wird es auch schwieriger machen, in weitere Wachstums- und Expansionsmöglichkeiten zu investieren, da nur sehr wenig verfügbares Kapital vorhanden ist.
Die Bedeutung des deutschen Wohnungssektors
Die deutsche Wirtschaft hängt in hohem Maße vom Wohnungsbau ab, der etwa 7 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht.
Da Deutschland in diesem Jahr bereits in eine technische Rezession eingetreten ist, könnte der Wohnungssektor die Wirtschaft weiter in ein tiefes Loch stürzen.
Ein schwacher Trost sind die steigenden Subventionen für den sozialen Wohnungsbau, für die im Jahr 2022 2 Milliarden Euro vorgesehen sind. Im Jahr 2023 wird dieser Betrag weiter auf 2,5 Mrd. EUR aufgestockt, und für 2024 wird mit einem Betrag von 3 Mrd. EUR gerechnet.
Deutschland versucht auch, neue Maßnahmen zur Vereinfachung der Genehmigungs- und Planungsverfahren sowie zum Abbau von Papierkram und Bürokratie umzusetzen. Es hat auch mehr finanzielle Unterstützung für Bauunternehmen bereitgestellt, die durch höhere Energiekosten belastet werden.
Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit diese Anreiz- und Unterstützungsmaßnahmen die Wirtschaft ankurbeln werden.