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Brisante ARD-Doku: Mehr als die Hälfte der deutschen Klinken "kann weg"!

Führende Gesundheitsexperten haben im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung festgestellt: Von 1.400 Klinken in Deutschland müssten etwa 800 schließen, um die Versorgung der Patienten deutlich zu verbessern. Die ARD-Doku "Krankenhäuser schließen - Leben retten?" erklärte das scheinbare Paradox. Hier noch einmal Fakten und Argumente.

Wenn die Dokureihe "Die Story im Ersten" mal nicht wie üblich am späten Montagabend, sondern zur Primetime sendet, muss ihr Inhalt wirklich brisant sein - und vor allen jeden betreffen. So geschehen mit dem Film "Krankenhäuser schließen - Leben retten?" von der erfahrenen WDR-Wissenschaftsautorin Meike Hemschemeier. Der Beitrag formuliert ein unerhörtes Paradox bereits im Titel. Wie lässt es sich lösen?

Die Dokumentation beginnt in einer Kleinstadt im Bayerischen Wald. Dort stehen sich die Fronten unversöhnlich gegenüber: Krankenhausretter und "Modernisierer", die aus den drei Kliniken des Landkreises zwei machen wollen. Mahnwachen wurden gehalten. Einer der Pro-Krankenhaus-Aktivisten erinnert sich nostalgisch, wie er und seine fünf Kinder dort ein Leben lang behandelt wurden. "Es hilft Ihnen nichts, ein Krankenhaus um die Ecke zu haben, wenn Sie dort kaum gute Pflege bekommen. Wenn keiner da ist, wenn Sie ein Problem haben", sagt jedoch Boris Augurzky vom RWI-Leipniz-Institut in Essen.

Er und andere Professoren, die sich mit dem Gesundheitswesen und speziell der Qualitätssicherung von Kliniken beschäftigen, haben im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung untersucht, was sich ändern müsste, um die Versorgung der Patienten spürbar zu verbessern. Am Montagmorgen wurde das auf den ersten Blick überraschende Ergebnis veröffentlicht, das am Abend um 20.15 Uhr auch in der ARD zu sehen war: Vielen Kliniken in Deutschland fehlt die Spezialisierung, weshalb sie Krankheiten behandeln, für die sie nicht ausgestattet sind und bei denen ihnen gleichzeitig die Erfahrung fehlt. Dazu leiden sie - auch wegen der Vielzahl an Kliniken, die in Deutschland weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Nationen liegt - unter Personalengpässen.

"Richtig Geld gibt es fürs Operieren, die Verlockung ist also groß"

Die sieben Forscher der Kommission nahmen sich für ihre Untersuchung eine Beispiel-Region zur Brust. Den großstädtischen Raum Köln/Leverkusen mit angrenzenden ländlichen Regionen. Ihr Fazit: Um eine ideale Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, blieben dort von 38 Kliniken 14 übrig, die dann allerdings deutlich größer werden müssten.

Filmemacherin Henschemeier erläutert das "deutsche Problem" der vielen Klinken anschaulich anhand drei Patienten mit unterschiedlichen Krankheiten: Eine Patientin wählte für ihre notwendige Hüftprothese das vertraute Krankenhaus um die Ecke, was jedoch wenig Erfahrung in diesem Bereich hatte. Eine Komplikation wurde dort nicht erkannt, vier Jahre Leiden waren die Folge. Erst an der renommierten Hamburger Endoklinik, einem führenden Zentrum für derlei Eingriffe, konnte man der Frau helfen. "Kliniken müssen Geld verdienen, und das tun sie vor allem, wenn sie operieren", erklärt Filmemacherin Henschemeier das Phänomen, warum die Patienten nicht besser über jene Krankenhäuser aufgeklärt werden, die sehr viel mehr Erfahrung haben als andere.

"So ist unser Gesundheitswesen organisiert. Richtig Geld gibt es fürs Operieren, die Verlockung ist also groß. Es gibt Operationen, zum Beispiel Knie- oder Hüftprothesen einbauen, die sind lukrativ für die Kliniken, da bleibt was über. Diese Operationen wollen also die meisten gern machen." Dabei ist es recht einfach - auch ohne Expertentipps -, sich selbst zu informieren. Die sehr seriöse Webeseite weisse-liste.de zeigt für jeden nötigen Eingriff und jede Postleitzahl in Deutschland an, welche Klinken in einem frei wählbaren Kilometer-Radius eine Krankheit behandelt und wie viel Erfahrung dort vorliegt.

Auch ein Patient mit Bauchspeicheldrüsenkrebs wird im Film begleitet. Professor Markus Büchler von der Uni Heidelberg ist ein Fachmann für die komplex zu behandelnde Krankheit. "Die Sterblichkeit bei einer schweren Operation an der Bauchspeicheldrüse liegt etwas bei zehn Prozent an einer Klinik, in der ein solcher Eingriff selten gemacht wird", sagt er. "Die Sterblichkeit in einem Zentrum, wo rund um die Uhr Fachärzte, CT und Notfallmedizin zugegen sind, liegt bei 3 bis 5 Prozent. Brauchen wir also 600 Kliniken in Deutschland für Pankreas-Chirurgie? Sicher nicht. Wir brauchen vielleicht 50 Kliniken, vielleicht würden sogar 30 reichen."

In Dänemark ist man bei einem Herzinfarkt sehr viel besser dran

Doch was ist mit Krankheiten, bei denen schnelle Hilfe gefordert ist? Wo es auf jede Minuten ankommt, zum Beispiel beim Herzinfarkt? Hierfür blickt die sehenswerte Doku (auch in der ARD-Mediathek) nach Dänemark. Sechs Millionen Landsleute werden dort auf überschaubare 32 Kliniken verteilt. Die Notrettung wird von einem zentralisierten Dienst organisiert, der die Werte des Patienten noch im Krankenwagen oder Helikopter auf dem Weg in die Klinik an das dortige, hoch spezialisierte Team weiterleitet. Dagegen verliert man in Deutschland eine Stunde und 15 Minuten bei einem Herzinfarkt, der in der nächsten Klinik behandelt wird, die eventuell nicht richtig ausgestattet ist.

Hierzulande behandeln zwar rund 1.400 Kliniken Patienten mit Herzinfarkt, aber nur rund 35 Prozent verfügen über ein Herzkatheter-Labor und haben einen Facharzt rund um die Uhr zu bieten, was für die Behandlung eigentlich zwingend notwendig ist. Die Sterblichkeit durch Herzinfarkt in Dänemark hat sich - durch eine Strukturreform - über die letzten zehn Jahre halbiert. "Wir glauben, dass Organisation und Spezialisierung eine große Rolle dabei spielt. Wenn wir diese Quote hätten wie in Dänemark, würden bei uns 7.000 Patienten weniger pro Jahr an Herzinfarkt versterben", sagt einer der deutschen Experten gegen Ende des Films. Dessen provokante Titelthese "Krankenhäuser schließen - Leben retten?" ist - bei gleichzeitiger Reform der Strukturen in den verbleibenden Kliniken - also offenbar doch kein Widerspruch.