Buchauszug aus „Rolle rückwärts DDR?“ - Verengt, aufgeregt und diffamierend - so schlimm steht es um unsere Debattenkultur
Wollen wir unsere Demokratie nicht aufs Spiel setzen, müssen wir wieder lernen, abweichende Meinungen zu akzeptieren. Das ist eine der Erkenntnisse aus dem neuen Buch der FDP-Bundestagsabgeordneten Katja Adler. Wir veröffentlichen einen Auszug.
Katja Adler, geboren in der DDR und im Wendejahr 15 Jahre alt, war politisch interessiert und reif genug, um das Wesen des SED-Systems zu verstehen. Die heutige FDP-Bundestagsabgeordnete weiß darum, dass die Unterschiede zwischen dem damaligen sozialistischen Staat und der Demokratie im vereinten Deutschland fundamental sind.
Aber die liberale Politikerin sieht in einem mangelnden Meinungspluralismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, staatlichen Eingriffen in die freie Marktwirtschaft und der Denunziation abweichender Meinungen, ob beim Umgang mit Corona oder bei einer Positionierung rechts der Mitte, gefährliche Tendenzen, die sie an die Missstände in der DDR erinnern.
Unter dem Titel „Rolle rückwärts DDR? Wie unsere Freiheit in Gefahr gerät“ (Finanzbuch Verlag, München, Hardcover, 288 Seiten, 22 EUR) hat Katja Adler ein Buch geschrieben, aus dem wir einen Auszug veröffentlichen:
Nur ein breites Meinungsspektrum mit Links, Mitte und Rechts lässt auch einen breiten Diskurs und umfassendes demokratisches Ringen um die beste politische Lösung zu.
Inwiefern daher mit den „Demos gegen rechts“ auch inhaltlich die Demokratie gefördert oder gestärkt worden sei, darf hinterfragt werden.
Sind alle einer (linken) Meinung, braucht es keine Diskussion mehr. Wird alles rechts der Mitte denunziert, diffamiert und ausgrenzt, geht dieser wichtige Teil unseres demokratischen Meinungsspektrums verloren und wird durch zuvor noch als Mitte definierte Meinungen ersetzt.
Ehemalige Mittemeinungen werden damit erst moralisch nach rechts gerückt und dann von vornehmlich linken Moralwächtern ebenfalls diffamiert, denunziert und ausgegrenzt.
Auf Demos „gegen rechts“ wurden auch etablierte Parteien des Rechtsradikalismus bezichtigt
Eine Taktik, die beliebig oft angewendet werden kann. Irgendwann sind es moderate Linke, die von Linksextremisten als Rechte angesehen werden. Und kurz darauf sind die Linksextremisten unter sich.
In dem offiziellen Wörterbuch der DDR-Ideologie wurde die SPD als rechte Partei bezeichnet, und 2024 wurde dies erneut in München und bei vielen anderen Demos „gegen rechts“ behauptet.
Auf etlichen Plakaten und Transparenten und von Rednern bei diesen Demonstrationsveranstaltungen wurden auch Freie Wähler, Unionsparteien oder FDP des Rechtsradikalismus bezichtigt – oder gleich die gesamte Ampel-Regierung.
In München demonstrierten bis zu 100.000 Menschen
Man muss kein Anhänger der Sozialdemokratie, der Freien Wähler, der Christdemokraten oder der Liberalen sein, um eine solche Verzerrung von Fakten nicht nur als bösartig anzusehen, sondern auch als Gefahr für die Demokratie.
Viele dieser Demonstrationen nach dem AfD-nahen Potsdamer Treffen wurden zudem von linksradikalen Kräften wie der Antifa unterwandert und Demonstranten, von denen die meisten zweifellos ein Zeugnis für eine starke Demokratie ablegen wollten, wurden damit ideologisch instrumentalisiert.
So demonstrierten im Januar 2024 beispielsweise in München bis zu 100.000 Menschen „gegen rechts“.
Viele gutwillige Bürger ließen sich vor den Karren spannen
Anschließend sagte der frühere SPD-Oberbürgermeister Christian Ude: „Ich hätte mir eine Großkundgebung gewünscht, die ganz klar gegen rechtsradikale Strömungen antritt und nicht mit derselben Vehemenz auf die Ampelregierung schimpft.“
Weil angesichts einer solchen Stimmung Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und stellvertretender Ministerpräsident Bayerns, an der Demo gar nicht erst teilgenommen hatte, freute sich die Organisatorin und Lehramtsstudentin Lisa Poettinger: „Als Versammlungsleiterin kann ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe.“
Es lässt frösteln, dass Menschen mit einem derartig radikalen Weltbild Hunderttausende Deutsche zu Demonstrationen motivieren können – und sehr viele gutwillige Bürger sich in dieser Weise vor den Karren spannen ließen.
Repräsentanten des Staates, die diese Protestveranstaltungen lobten, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, hielten es leider nicht für geboten, gegen eine derartige Hetze das Wort zu erheben.
Staat muss sich wehrhaft erweisen
Wollen wir unsere Demokratie nicht aufs Spiel setzen, müssen wir wieder lernen, abweichende Meinungen zu akzeptieren – und wirklich genau hinzuschauen, ob jemand „nur rechts“ von uns steht oder wirklich rechtsradikal, eventuell sogar rechtsextrem ist. Gleiches gilt natürlich für die Unterscheidung zwischen links, linkradikal und linksextrem.
Das bedeutet weder, sehr weit rechte oder sehr weit linke Positionen zu umarmen, noch Extremisten oder Verfassungsfeinde gewähren zu lassen.
Der Staat muss sich gegen seine Feinde als wehrhaft erweisen, doch darf er die Zahl seiner Feinde nicht dadurch vergrößern, dass er Menschen mit irritierenden, ungewöhnlichen, vielleicht störenden, mitunter an die Grenzen gehenden Positionen voreilig zu Feinden erklärt.
Debattenkultur mittlerweile diffamierend
Wie verengt, aufgeregt, delegitimierend und vor allem diffamierend unsere Debattenkultur mittlerweile ist, zeigt Social Media auf erschreckende Weise.
Nahezu alles, was sich mit persönlicher Freiheit und Individualismus, mit der Wahrung unserer Kultur, dem Schutz unserer Werte, mit Patriotismus oder auch mit christlichen Bräuchen im konservativen Stil befasst, wird von progressiven Strömungen als rechts und noch eher als rechtsradikal diffamiert.
Das linke Meinungsspektrum stürzt sich auf konservativ Denkende in einer Art und Weise, die Menschen verstummen lassen soll. Alarmierend.