Bundesregierung korrigiert Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 nach oben

Rechtsextreme haben seit 1990 mehr Menschen umgebracht als bisher statistisch erfasst. Die Dunkelziffer dürfte aber noch deutlich höher liegen.

Die Bundesregierung meldet eine deutlich gestiegene Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Das meldet der „Tagesspiegel“ unter Berufung auf eine Kleine Anfrage von Bundestagspräsidentin Petra Pau und ihrer Linksfraktion.

Gegenwärtig zeige die Statistik „76 vollendete rechts motivierte Tötungsdelikte mit 83 Todesopfern seit 1990“, teilte Stephan Mayer, Staatssekretär im Innenministerium, demnach mit. Die Antwort liegt der Zeitung vor. Zuletzt hatte eine Bilanz der Regierung vom März 2017 insgesamt 70 Fälle ergeben, bei denen Neonazis und andere Rechte 76 Menschen getötet hatten. Grund für die Zunahme ist eine Überprüfung von mutmaßlich rechts motivierten Gewalttaten in Berlin.

Das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin hatte im Auftrag des Landeskriminalamts mehrere Altfälle aufwendig geprüft und im Mai die Nachmeldung von sechs Verbrechen mit sieben Todesopfern als rechte Delikte empfohlen.

Das LKA übernahm das Ergebnis und unterrichtete das Bundeskriminalamt, das dann die Regierung informierte. Anlass der wissenschaftlichen Untersuchung in Berlin war eine im Jahr 2000 begonnene Langzeitrecherche des „Tagesspiegels“, die eine bundesweit erheblich höhere Zahl der Todesopfer seit der Wiedervereinigung ergibt als die offizielle Bilanz. Die Zeitung kommt auf mindestens 150 Tote seit dem 3. Oktober 1990.

Unterdessen haben Neonazis und andere Rechte nach vorläufigen Erkenntnissen der Polizei in den ersten vier Monaten 2018 bereits 3714 Straftaten begangen, darunter 174 Gewaltdelikte. Die Zahlen ergeben sich aus den Antworten der Regierung auf regelmäßige Anfragen von Petra Pau.

Es ist davon auszugehen, dass die Bilanz der Polizei noch deutlich wachsen wird, da diese üblicherweise viele Verbrechen nachmeldet. Bei den Gewalttaten wurden 132 Menschen verletzt. Die Polizei stellte insgesamt 1526 Tatverdächtige fest, 27 wurden vorläufig festgenommen. Nur zwei landeten in Untersuchungshaft.