Bundesregierung stellt milliardenschweres Rüstungspaket für die Ukraine zusammen
Kurz vor der Auszeichnung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit dem Aachener Karlspreis hat die Bundesregierung ein neues, umfangreiches Rüstungspaket für Kiew angekündigt. Zu den geplanten Lieferungen im Wert von mehr als 2,7 Milliarden Euro gehörten Luftabwehrsysteme, Panzer und Munition, erklärte das Bundesverteidigungsministerium am Samstag. Die ukrainische Regierung begrüßte den Schritt. Unterdessen fordert der ukrainische Ex-Botschafter Andrij Melnyk mehr Unterstützung für einen möglichen Nato-Beitritt seines Landes.
Laut Verteidigungsministerium bekommt die Ukraine unter anderem 30 Panzer vom Typ Leopard 1 A5 und 20 vom Typ Marder. Das Paket umfasst außerdem vier weitere Iris-T-Flugabwehrsysteme, 18 Radhaubitzen, mehr als 100 gepanzerte Gefechtsfahrzeuge und mehr als 200 Aufklärungsdrohnen. Auch Artilleriemunition und Lenkflugkörper für die von Deutschland zur Verfügung gestellten Luftverteidigungssysteme werden zugesagt.
"All dies und mehr kommt aus Industriebeständen beziehungsweise der Industrieproduktion", also nicht aus Beständen der Bundeswehr, teilte das Ministerium weiter mit. "Die Umsetzung dieser von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen ist eingeleitet." Einen Zeitrahmen für die Lieferungen nannte das Ministerium nicht. Laut "Spiegel" handelt es sich um das bisher größte deutsche Waffenpaket für die Ukraine seit Kriegsbeginn
"Mit diesem wertvollen Beitrag an dringend benötigtem militärischen Material zeigen wir einmal mehr, dass es Deutschland mit seiner Unterstützung ernst ist", erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Deutschland werde "jede Hilfe leisten, die es leisten kann - as long as it takes".
Die ukrainische Regierung reagierte positiv. Die westlichen Waffenlieferungen zeigten, dass Russland dazu "verurteilt" sei, den Angriffskrieg zu verlieren und auf der "Bank der historischen Schande zu sitzen", erklärte Präsidentenberater Mychailo Podoljak.
Die Ukraine wünscht sich auch eine Aufnahme in die Nato. Politiker von SPD und CDU forderten bei diesem Thema am Wochenende Klarheit: "Vom nächsten Nato-Gipfel in Vilnius im Juli muss ein klares Signal ausgehen, wie der Pfad der Ukraine hin zu verlässlichen Sicherheitsgarantien mit dem Ziel einer Nato-Mitgliedschaft aussehen kann", sagte der Vorsitzende des Auswärtiges Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), dem "Tagesspiegel" vom Samstag.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits bei einem Besuch in Kiew im April erklärt, dass beim Gipfeltreffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius über die Beitrittsperspektive der Ukraine gesprochen werden soll. "Die Zukunft der Ukraine ist in der Nato", sagte Stoltenberg damals.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sieht bei dem Thema Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Pflicht. "Der Bundeskanzler sollte eine Vollmitgliedschaft der Ukraine perspektivisch klar befürworten, aber keine falsche Erwartung wecken, dass dies schnell erreichbar sei", sagte er dem "Tagesspiegel".
Unzufrieden mit Berlin äußerte sich der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Melnyk. "Die Bundesregierung spielt eine bremsende Rolle dabei, dass es bei unserer Nato-Mitgliedschaft kaum Bewegung gibt, sondern einen Schritt nach vorne und zwei zurück", sagte der heutige Vize-Außenminister der Ukraine dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Melnyk verwies auf die Auszeichnung Selenskyjs und des ukrainischen Volks mit dem Aachener Karlspreis. "Ein Europapreis heißt für mich auch, dass Deutschland viel schneller vorankommen müsste in Richtung EU- und Nato-Mitgliedschaft der Ukraine."
Der Preis wird am Sonntag verliehen. Ob Selenskyj aus diesem Anlass nach Aachen reist, blieb bis zuletzt offen. "Wir planen weiter zweigleisig - mit ukrainischer Präsenz vor Ort oder im Videocall", sagte der Vorsitzende des Karlspreisdirektoriums, Jürgen Linden, dem "Tagesspiegel".
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