BVB-Gala in der Champions League - Der traurig grandiose Abend von Karim Adeyemi - und was daraus folgt
Borussia Dortmund gewinnt in der Champions League eindrucksvoll gegen Celtic. Beim 7:1-Kantersieg überragt vor allem Hattrick-Schütze Karim Adeyemi. Der BVB-Star wird aber auch zum tragischen Helden. Eine Verletzung zur Unzeit?
Karim Adeyemi schaut ratlos ins Leere. Er sitzt auf dem kaltfeuchten Rasen des Westfalenstadions, die Arme stützen ihn. In diesem Moment ist er wahrscheinlich der traurigste Mensch in der Arena – mal abgesehen von den Gästen aus Glasgow.
Adeyemi ist jedoch der Grund für den schottischen Frust, denn er hat in der ersten Halbzeit des Champions-League-Duells gegen den Celtic FC einen lupenreinen Hattrick erzielt. Zur Pause steht es 5:1 für den BVB, eine echte Gala-Vorstellung.
Nicht einmal zwei Minuten sind nach der Pause vergangen, da sitzt der überragende Mann des ersten Durchgangs auf dem Feld. Er ist bei einem Kopfballversuch unglücklich auf dem Boden gelandet und hat sich bei einem Ausfallschritt den rechten Oberschenkel überdehnt. Es geht nicht weiter, Adeyemi muss ausgewechselt werden.
Adeyemi gegen Celtic: Verletzungsschock nach Hattrick
Nach einer kurzen Behandlungspause tritt er, begleitet vom medizinischen Personal, den langen Weg von der gegenüberliegenden Seite um das Feld bis in den Spielertunnel an. Er schüttelt den Kopf, murmelt vor sich hin, kneift die Augen zu und flucht. Von den Rängen erntet er tröstenden Applaus, wird von aufmunternden Zurufen begleitet, die Fans erheben sich. Zuvor gab es bereits „Adeyemi“-Sprechchöre von der Südtribüne. Mit einem Schulterklopfen von Trainer Nuri Sahin verschwindet er in den Katakomben, der Blick geht Richtung Boden.
Bitterer hätte der Abend für ihn nicht enden können. Adeyemi schießt Celtic mit drei Toren innerhalb einer halben Stunde ab. Es ist der erste Hattrick eines Deutschen in der Champions League seit Mario Gomez in Diensten des FC Bayern gegen den SSC Neapel im Jahr 2011. Emre Can und Serhou Guirassy treffen jeweils vom Punkt, den zweiten Elfmeter holt Adeyemi heraus. Daizen Maida sorgt vor der Pause für den einzigen Schönheitsfehler aus Dortmunder Sicht.
Adeyemi in Gala-Form
Adeyemi bestätigt damit seine beeindruckende Form. Bereits im Freitagabendspiel gegen den VfL Bochum (4:2) hatte er zuletzt mit zwei Torvorlagen entscheidenden Anteil an der Dortmunder Aufholjagd. Zwei Wochen zuvor traf er beim 4:2-Erfolg über den 1. FC Heidenheim doppelt und legte einen weiteren Treffer auf. Als er Anfang September in Diensten der U21-Nationalmannschaft unterwegs war, erzielte er zunächst gegen Israel (5:1) einen Doppelpack, beim 10:1-Rekordsieg über Estland war er erneut der überragende Mann und erzielte einen Hattrick.
Der 22-Jährige bewirbt sich mit seinen Leistungen wieder für höhere Aufgaben. Dass er dafür einen längeren Weg gehen muss als der eine oder andere Spieler, hat er sich selbst zuzuschreiben. Im Oktober vergangenen Jahres schlug er eine Einladung von U21-Trainer Toni Di Salvo aus, weil er lieber in Dortmund trainieren wollte. Das kam beim Verband gar nicht gut an.
Adeyemi und der DFB: Es ist kompliziert
DFB-Präsident Bernd Neuendorf mischte sich sogar ein und kritisierte den 22-Jährigen ungewöhnlich scharf: „Es ist ein Fingerzeig von ihm, wie wichtig er das nimmt. Wenn er der Meinung ist, dass er hier nicht spielen will, kann man ihn nicht zwingen. Es muss mit Überzeugung sein, mit Herzblut. Ich glaube, dass man stolz sein sollte, wenn man den Adler auf der Brust trägt."
Gegenüber „ran“ sagte Adeyemi im August, dass es „keine Zweifel am DFB oder an der U21“ geben würde. Vielmehr habe er die damalige Entscheidung getroffen, weil „ich im Verein damals gerade nicht gut performt habe“. Mit Di Salvo sei alles geklärt, die fünf Tore bei seinem DFB-Comeback waren die entsprechende sportliche Antwort.
Der Weg in die A-Nationalmannschaft ist wieder geebnet, Bundestrainer Julian Nagelsmann wird die Spiele genau verfolgen. Am kommenden Donnerstag verkündet er seinen Kader für die anstehenden Länderspiele in der Nations League gegen Bosnien-Herzegowina (11.10.) und die Niederlande (14.10.). Adeyemi wäre mit seinem Tempo und seiner Abschlussstärke eine Bereicherung für die DFB-Elf, der es genau an diesen Attributen in der Offensive fehlt.
Vier Länderspiele hat Adeyemi auf seinem Konto, zuletzt stand er im Juni 2022 mit der A-Mannschaft auf dem Feld. Bei der WM 2022 in Katar gehörte er ohne Einsatz zum Kader von Hansi Flick. Unter Nachfolger Nagelsmann bekam er noch keine Chance, Kontakt gab es bisher „eher wenig“, wie Adeyemi im August sagte.
Folgt das Comeback in der A-Nationalmannschaft?
Ob es in dieser Woche noch einen Anruf des Bundestrainers geben wird? Das wird auch von der Verletzung abhängen. Es ist eine Verletzung zur Unzeit. Gerade als er Nagelsmann kaum eine andere Wahl als eine DFB-Einladung gegeben hat, scheint sein eigener Körper ihm einen Strich durch den lang erarbeiteten Plan zu machen.
Nach dem BVB-Kantersieg, den Guirassy (66.) und Felix Nmecha (79.) zum 7:1 in der zweiten Hälfte vollenden, nimmt Adeyemi den Weg zur Expertenrunde von Prime Video auf sich. Vollbeladen, mit der Uefa-Trophäe für den „Man of the Match“ und natürlich dem Spielball, den sich Hattrick-Schützen traditionell unter die Arme greifen.
Mit dem runden Schmuckstück wird er zuvor schon von den Fans auf der Süd gefeiert. Der Ball soll nun von den Kollegen unterschrieben werden und wird dann im Hause Adeyemi „irgendwo hingelegt“, wie er etwas wortkarg verrät. „Für mich war es ein besonderes Spiel, der erste Hattrick. Heute ist jeder Schuss reingegangen“, freut er sich bei Amazon Prime.
Über seine Verletzung kann er noch nichts Konkretes sagen: „Ich musste raus, der Oberschenkel. Ich hoffe, dass es nicht so schlimm ist. Hoffentlich bin ich schnell wieder da.“ Morgen wisse man mehr, sagt er und geht mit seinen Trophäen in den Armen, leicht humpelnd, abermals den Weg zurück Richtung Stadion-Inneres.