Chaos um Hebesätze - Wer ein Haus mit Garten besitzt, gehört zu den Verlierern der Grundsteuer

Vom kommenden Jahr an wird die Grundsteuer nach einem neuen Verfahren erhoben. (Archivbild)<span class="copyright">Getty Images / AndreyPopov</span>
Vom kommenden Jahr an wird die Grundsteuer nach einem neuen Verfahren erhoben. (Archivbild)Getty Images / AndreyPopov

Millionen von Grundstückseigentümern blicken mit Ungewissheit auf das kommende Jahr. Nachdem die Grundsteuermessbescheide bereits verschickt wurden, sind nun die Kommunen am Zug. Sie müssen in den nächsten Wochen die Hebesätze festlegen. Dabei zeichnet sich ein Trend ab.

Ab 2025 wird in Deutschland die Grundsteuer neu berechnet. Viele Hauseigentümer haben bereits einen entsprechenden Bescheid von der Gemeinde oder dem Finanzamt erhalten. Darin stehen die neuen Bodenrichtwerte. In vielen Fällen haben sich die Werte verzehnfacht. Besonders betroffen sind Immobilienbesitzer mit Haus und kleinem Garten. Das berichten Gutachter übereinstimmend im Gespräch mit FOCUS online.

Viele von ihnen haben im Auftrag ihrer Kunden die Bodenrichtwerte ausgewertet. Dabei zeigt sich ein wichtiger Trend: Ältere Hausbesitzer mit kleinem Garten wurden deutlich stärker aufgewertet als Immobilienbesitzer, die beispielsweise erst vor wenigen Jahren eine Wohnung oder ein Haus gekauft haben. Experten sind sich sogar sicher, dass ältere Hausbesitzer mit kleinem Garten zu den Verlierern der neuen Reform gehören. Denn sie müssen mit einer höheren Steuer rechnen. Der Grund ist einfach.

Darum zählen langjährige Hausbesitzer zu den Verlierern der Reform

Wer in Deutschland Grundbesitz hat, muss Steuern zahlen. Bisher wurden Grundstücke nach einem Einheitswert besteuert. Doch dieses Verfahren halten die Richter für veraltet. Denn die meisten Werte stammen aus den 1960er Jahren. In Ostdeutschland werden Grundstücke sogar nach Werten aus den 1930er Jahren besteuert. Das hat zur Folge, dass dort, wo eine U-Bahn, eine Schule oder allgemein die Infrastruktur ausgebaut wurde, auch die Eigentümer einen Wertzuwachs erfahren haben. Bei älteren Eigentümern schlägt sich das aber wegen der veralteten Werte nicht in der Grundsteuer nieder.

So erging es Simone G. aus Freiburg. Die 66-Jährige hatte 1991 ein Zweifamilienhaus für 400.000 Mark (umgerechnet 200.000 Euro) gekauft. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich in der Nachbarschaft viel verändert. Auf der Wiese nebenan stehen heute Neubauten, eine Schule und sogar mehrere Geschäfte. Das hat automatisch auch zu einer starken Wertsteigerung ihrer Immobilie geführt.

Würde sie das 400 Quadratmeter große Grundstück verkaufen, bekäme sie heute mindestens 900.000 Euro. Das habe ihr ein Gutachter aus Freiburg ausgerechnet, berichtet die Seniorin. Ab 2025 wirkt sich das erstmals auch auf die Grundsteuer aus. Bisher zahlte sie für ihre Immobilie knapp 300 Euro Grundsteuer. Mit dem neuen Bodenrichtwert steigt sie auf 2700 Euro - doch eine Größe hat die Kommune noch nicht angepasst: den Hebesatz. Der liegt in Freiburg heute bei 600 Prozent - die Kommune hat einen der höchsten in ganz Deutschland.

„Bei einer Grundsteuer von 2700 Euro müsste ich etwa 230 Euro im Monat zurücklegen. Ich weiß gar nicht, wie ich das stemmen soll. Man muss ja auch noch die Instandhaltungskosten einkalkulieren“, sagt die Seniorin. Würde die Grundsteuer für ihr Zweifamilienhaus steigen, würde sie sofort verkaufen. „Von dem Geld würde ich mir eine kleine Wohnung in der Innenstadt kaufen. Die Grundsteuer wäre dann genauso hoch wie jetzt.“

Neue Grundsteuer: Wann stehen die neuen Hebesätze fest?

Die Gemeinden und Kommunen legen die Hebesätze - besonders den Faktor Grundsteuer B - in der Regel selbst fest. Sie werten zunächst die bisherigen Werte der Finanzämter aus. Möglicherweise stehen im Herbst die ersten Faktoren für die ersten Gemeinden fest. Denn viele Kommunen haben die Bodenrichtwerte nicht verschickt oder müssen entsprechende Einsprüche prüfen. Das kostet Zeit - und lässt auch Hausbesitzer im Ungewissen.

FOCUS online rät: Weil in vielen Fällen wohl auch Nachbesserungen nötig sind, sollten Hausbesitzer und Grundstückeigentümer die aktuellen Wertbescheide aufbewahren.

Großstädte erklären auf Anfrage, dass die neuen Hebesätze im Laufe der nächsten Monate feststehen werden. In Einzelfällen kann sich die Veröffentlichung sogar bis Anfang des kommenden Jahres hinziehen. In jedem Fall gilt die neue Grundsteuer dann ab 2025.

Die Grundsteuer wird in der Regel vierteljährlich bezahlt. Eigentümer müssen sie jeweils am 15. Februar, am 15. Mai, am 15. August und am 15. November eines Jahres an die Kommune überweisen.

 

36 Millionen Grundstücke wurden neu bewertet

Für die Berechnung der neuen Grundsteuer mussten bundesweit rund 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Eine Mammutaufgabe für Finanzämter und Kommunen, die wohl auch zu vielen Fehlern führen wird. Denn nicht nur für die Behörden, sondern auch für die Steuerzahler war die Erklärung Neuland. Denn für die Neuberechnung mussten die Eigentümer Daten liefern. Das ging zum Beispiel über das Meldeportal Elster, das viele von der Steuererklärung kennen.

Angesichts des Personalmangels in den Kommunen kann es auch bei den Bodenrichtwerten zu Fehlern kommen. Ursprünglich war die Abgabe der Grundsteuererklärung bis Ende Oktober 2022 vorgesehen. Wegen des schleppenden Eingangs wurde die Frist dann aber in fast allen Bundesländern bis Ende Januar 2023 verlängert. Auch deshalb stehen die Behörden jetzt unter Druck.

Ab dem 1. Januar 2025 soll die neue Berechnung gelten. Die Reform geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 zurück, wonach die bisherige Berechnungsgrundlage in Deutschland verfassungswidrig ist.

Die Grundsteuer-Reform sei völlig aufkommensneutral umgesetzt worden. „Die Kommunen werden ihre Hebesätze so verändern, dass etwa die heutigen Einnahmen erreicht werden“, sagte Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetages. „Sie wollen die Reform nicht dazu benutzen, ihre Haushalte zu sanieren.“