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Kim Jong Un entschärft seine Drohungen

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un bei einem Briefing in Pjöngjang. Foto: KRT/AP
Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un bei einem Briefing in Pjöngjang. Foto: KRT/AP

Kim Jong Un will die US-Pazifikinsel Guam vorerst doch nicht angreifen. US-Verteidigungsminister Mattis hatte ihn eindringlich davor gewarnt: «Dann geht's los.» Das dachten Guams Einwohner aber schon in der Nacht. Es gab falschen Alarm.

Pjöngjang/Washington (dpa) - Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat seine Pläne für einen Angriff auf die US-Pazifikinsel Guam vorerst zurückgestellt.

Nach Gesprächen mit seinen Generälen kündigte Nordkoreas Führer an, das Verhalten der USA «ein wenig länger» beobachten zu wollen, hieß es in einem Bericht der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA. Er drohte aber damit, es sich auch wieder anders überlegen zu können.

Auf Guam, wo die USA einen wichtigen Militärstützpunkt betreiben, versetzte ein falscher Alarm die Menschen in Angst und Schrecken. Knapp eine halbe Stunde nach Mitternacht Ortszeit sendeten am Dienstag Radio- und Fernsehsender versehentlich eine Gefahrenwarnung, ohne aber genauere Informationen zu geben. Es sei «menschliches Versagen» gewesen, teilte der örtliche Sicherheitsberater George Charfauros bei Facebook mit. Zuvor war in einigen Orten auf der Insel zeitweise der Strom ausgefallen.

«Die Vereinigten Staaten sollten als erstes die richtige Entscheidung treffen und durch ihr Handeln beweisen, dass sie die Spannungen entschärfen und einen gefährlichen militärischen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel verhindern wollen», sagte Kim laut KCNA.

Möglicherweise auch mit Blick auf die nächste Woche geplanten Manöver der USA mit Südkorea sagte Kim weiter, sollte Washington jedoch seine «extrem gefährlichen und rücksichtslosen Handlungen auf der koreanischen Halbinsel» fortführen, werde er umgehend eine «wichtige Entscheidung wie bereits erklärt» treffen.

Unter Experten wurden Kims Aussagen als Versuch gedeutet, die Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel zu entschärfen. «Kim Jong Un deeskaliert, Nordkorea sucht nach einer Beziehung», kommentierte John Delury, Historiker an der Seouler Yonsei Universität. Auch der chinesische Experte Jin Qiangyi von der Yanbian Universität sagte: «Er versucht, die Spannungen zu reduzieren.»

Die Krise mit Nordkorea stand auch im Mittelpunkt der Gespräche des amerikanischen Stabschefs, General Joseph F. Dunford, in Peking mit seinem chinesischen Amtskollegen Fang Fenghui. Der hohe US-Militär hatte am Vortag in Seoul den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In getroffen und wollte von Peking noch nach Japan weiterreisen.

US-Verteidigungsminister James Mattis hatte Nordkorea am Montag erneut davor gewarnt, amerikanisches Territorium anzugreifen. Die USA würden jeden Flugkörper abfangen, der in Richtung US-Boden unterwegs sei, sagte Mattis in Washington zu US-Journalisten. «Wenn sie auf die USA schießen, dann kann das sehr schnell zum Krieg führen.»

Sollte ein Flugkörper US-Territorium etwa auf Guam treffen, so der Ex-General, dann sei «Game on», was in etwa «Dann geht's los» bedeutet. Und sollte Nordkorea - wie anfangs in Aussicht gestellt - mit Raketen auch nur in die Gewässer vor der Pazifikinsel schießen, dann müsse Präsident Donald Trump entscheiden, wie zu reagieren sei.

Südkoreas Präsident Moon sagte bei einer Zeremonie anlässlich des 72. Jahrestages der Befreiung von Japan in Seoul, sein Land wolle einen Krieg «um jeden Preis verhindern». «Wir müssen die nordkoreanische Atomfrage friedlich lösen, egal, wie viele Höhen und Tiefen es gibt.»

Einen amerikanischen Militärschlag gegen den Norden werde es ohne die Zustimmung seines Landes nicht geben, sagte Moon. «Militärische Handlungen auf der koreanischen Halbinsel können nur von der Republik Korea entschieden werden.» Republik Korea ist der offizielle Name von Südkorea. Moon forderte Nordkorea zugleich auf, seine Provokationen einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

US-Präsident Trump und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe telefonierten am Dienstag und vereinbarten eine enge Kooperation, um nordkoreanische Raketenangriffe auf Guam zu verhindern. Am Montag hatte Kim Jong Un das Hauptquartier seiner Raketentruppen besucht, wo ihm die Bereitschaft zum Angriff gemeldet worden war. Kim erörterte mit seinen Generälen die Angriffspläne, äußerte dann aber die Absicht, die Entwicklung zunächst weiter verfolgen zu wollen.

Der nordkoreanische Staatschef forderte von den USA ein sofortiges Ende der «arroganten Provokationen» und «einseitigen Forderungen», wie KCNA schrieb. Um einen Krieg zu verhindern, sollten die Amerikaner als ersten Schritt eine «ordentliche Option» unterbreiten und darauf Taten folgen lassen, sagte Kim. Schließlich hätten die USA ein gewaltiges nukleares Arsenal rund um Korea aufgestellt.

In der Krise wollen auch die EU-Staaten ihre diplomatischen Bemühungen für eine friedliche Beilegung intensivieren. Wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montagabend nach einem Sondertreffen der für Sicherheitsfragen zuständigen EU-Botschafter mitteilte, soll dazu verstärkt die Diskussion mit den Teilnehmern der 2009 abgebrochenen Sechs-Parteien-Gespräche gesucht werden. Diese waren 2003 ins Leben gerufen worden, um das Atomprogramm zu beenden. Dazu gehören beide Koreas, die USA, China, Russland und Japan.

«Es dürfen keinerlei diplomatischen Bemühungen gescheut werden, um zu verhindern, dass es eine weitere Eskalation gibt», sagte Mogherini. Der Führung Nordkoreas drohte Mogherini hingegen weitere Sanktionen an. Bei einer beschleunigten Fortführung des Atomprogramms werde die EU weitere angemessene Maßnahmen und Antworten in Erwägung ziehen.

Guam liegt im Westpazifik etwa 2000 Kilometer östlich der Philippinen und ist mit 544 Quadratkilometern Fläche gut halb so groß wie Berlin. Die Marianen-Insel gehört seit 1898 zu den USA. Mit ihren Sandstränden und Korallenriffen ist die Insel heute ein Touristenziel. Vor allem aber beherbergt sie einen der wichtigsten US-Militärstützpunkte in der Region.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Guam 1941 von den Japanern besetzt, drei Jahre später von den USA zurückerobert und zur ständigen Militärbasis ausgebaut. Schon im Koreakrieg (1950-1953) war der Stützpunkt von großer strategischer Bedeutung, im Vietnamkrieg diente die Insel den USA als Ausgangspunkt für Luftangriffe.

Besiedelt wurde Guam schon vor rund 4000 Jahren vermutlich von Indonesien oder den Philippinen aus. Die Nachfahren dieser Siedler, die Chamorros, stellen heute den Großteil der rund 160 000 Einwohner. Sie sind US-Bürger, haben aber kein Wahlrecht bei der Präsidentenwahl. Guam wird von einem Gouverneur verwaltet.