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Warum die Chinesen Milliarden in Sachsen investieren

Beijing WKW plant ein Werk für E-Autos in der Oberlausitz. Experten kritisieren das Investment des chinesischen Automobilzulieferers. Geld kommt auch von der chinesischen Regierung.

Das Beste an Rothenburg ist wahrscheinlich, dass man die Stadt in den meisten Navigationssystemen findet. So gehen Touristen nicht verloren, wollen sie die mittelalterlichen Türmchen in der verschlafenen Kleinstadt nebst Görlitz besichtigen.

Umso erstaunlicher ist nun, dass sich ausgerecht ein Unternehmen aus Fernost für Rothenburg interessiert: Der chinesische Automobilzulieferer Beijing WKW plant in der 5000-Seelen-Stadt eine Fabrik für E-Autos. 1.000 Arbeitsplätze sollen dadurch in der Oberlausitz geschaffen werden. Rothenburgs Bürgermeisterin Heike Böhm ist im Glück: „Viele hier können es noch gar nicht glauben“, sagt sie.

Kann man die Geschichte denn glauben? Nach dem Reinfall am Flughafen Frankfurt-Hahn, wo ein chinesischer Scheininvestor vor wenigen Monaten die Landespolitik narrte, ist die Skepsis der deutschen Wirtschaft gegenüber chinesischen Investoren groß. So warnte Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte und Professor an der Universität Duisburg-Essen, etwa im MDR vor einer Wiederholung des Debakels.

Dabei ist Beijing WKW in China kein unbekannter. Rund ein duzend Tochterfirmen unterhält das Unternehmen im Land, allesamt im Bereich Automobil. 2002 ist das Unternehmen als Joint Venture mit dem Wuppertaler Autozulieferer WKW gegründet worden. Zehn Jahre später ging es an die Börse. WKW hält heute rund 25 Prozent der Aktien an dem chinesischen Unternehmen.

Warum ausgerechnet Rothenburg?

Und auch die Investition in der Oberlausitz ist schon weit gediehen: So hat etwa die chinesische Regierung bereits die Investition genehmigt. Gerade wird das Tochterunternehmen Delon Automotive gegründet. Beschlossenes Stammkapital: 100 Millionen Euro. Fragt sich nur, warum WKW Beijing dieses Geld ausgerechnet in Rothenburg investiert?

Die Deutschland-Fahne weht vor der Niederlassung von Beijing WKW im Pekinger Vorort Daxing. Rund 4.000 Mitarbeiter arbeiten auf dem 30.000 Quadratmeter großen Gelände. Bao Lina ist eine davon. Die junge Frau mit den kurzen schwarzen Haaren, dem dunklen Kostüm und dem eiligen Gang ist Sprecherin von Beijing WKW. Die Vorstandstermine, zwischen denen Bao Lina die WirtschaftsWoche empfängt, kennen laut Bao derzeit nur ein Thema: die Investition in Sachsen. „Wir wollen ein Auto Made in Germany bauen“, sagt sie.

Seit Jahren liefert das chinesische Unternehmen an Mercedes, Audi und BMW. 2016 lag der Reingewinn des Unternehmens bei rund 85 Millionen Euro, ein Plus von 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch was dem Unternehmen bisher laut Bao gefehlt hat, sei der Ruf der deutschen Qualität. Das soll Rothenburg nun ändern. „Wenn wir eine Marke für den deutschen und chinesischen Markt entwickelt wollen, geht das nur in Deutschland“, sagt sie. In Deutschland stimme die Qualität und es gebe qualifizierteres Personal, das man so in China nicht finde.

Sachsen sei Herz der deutschen Autoindustrie. Volkswagen, BMW, Porsche seien alle da, die Infrastruktur durch die Autobahn und die direkte Zugverbindung nach China perfekt, um die Autos nicht nur in Europa, sondern auch nach China und in andere Regionen zu verschicken. „Wir sind überzeugt, dass wir ein Elektroauto für den internationalen Markt bauen können“, sagt Bao. Ab 2020 sollen die ersten Autos aus dem Werk in Rothenburg rollen


Zahlt die chinesische Regierung für den Deal?

Von der Solidität des Projekts überzeugt ist auch Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen. Nothnagel hat den Deal mit einer Investitionssumme von 1,4 Milliarden Euro maßgeblich eingefädelt. An der Seriosität der Chinesen hat er keinen Zweifel. So sei das Unternehmen in China bekannt und habe allein an der Ostküste 13 Fabriken. „Die haben messerscharf kalkuliert und wissen, dass sich Autos Made in Germany einfach besser verkaufen“, sagt er.

Unter drei Regionen in Sachsen hat sich Rothenburg im Bieterkampf durchgesetzt. Laut Nothnagel sei das der „idealen Fläche“ auf dem alten Flughafen, dem „qualifizierten Mitarbeiterpotential“ und der Nähe zu Osteuropa und der A4 geschuldet. „Über die A4 ist man in einer Stunde in Dresden am Flughafen, in zwei Stunden am Logistikknoten in Leipzig oder dem Industriezentrum Chemnitz“, sagt Nothnagel. „Und die etwa 750 Automobilzulieferer in Sachsen waren auch ein Argument.“‎

Locken hätte man die Investoren aus Fernost laut Nothnagel nicht müssen. „Wir bieten Förderprogramme für Investitionen, aber nicht mehr als andere Regionen in Ostdeutschland“, sagt er. Ob die chinesische Regierung Subventionen für die Investition zahlt, kann er nicht sagen.

WKW hat enge Verbindungen zur Regierung

Die Verbindungen zwischen Beijing WKW und der Regierung sind aber eng. Das Unternehmen unterhält nicht nur enge Beziehungen zu den jeweiligen Lokalregierungen, in denen es Werke hat, es hat auch vor kurzem eine Kooperation mit dem Hongkonger Unternehmen Hybrid Kinetic Group verkündet, dessen Chef der Gründer des chinesischen Automobilherstellers und BMW-Partners Brilliance ist.

Mithilfe eines Joint Ventures und einem Investmentfonds sollen die Entwicklung und der Vertrieb von Batterien und E-Autos vorangetrieben werden. Finanziert wird die Kooperation nicht nur durch die beiden Privatinvestoren, auch die Stadtregierung in Ningbo ist mit Fördergeldern in Millionenhöhe involviert. Dazu verspricht die Regierung großzügige Steuervergünstigungen für das chinesische Unternehmen. „Die Kooperation spiegelt die Ziele des aktuellen chinesischen Fünf-Jahres-Plans wider, der die Entwicklung der Umwelttechnologie und ihre globale Expansion fördert“, heißt es in der Bekanntmachung der Hybrid Kinetic Group über die Kooperation mit Beijing WKW.

China ist mit einer halben Million verkauften Fahrzeugen der größte E-Automarkt weltweit. Peking hat den Ausbau von E-Mobilität nach ganz oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. Mit Subventionen unterstützt die Regierung chinesische Unternehmen bei der Forschung im Bereich E-Mobilität. Das setzt in China vor allem die ausländischen Hersteller wie Mercedes, Audi und Volkswagen unter Druck, die nicht von den Milliardenförderungen profitieren, aber in Zukunft durch die in Peking beschlossene E-Autoquote nur noch eine gedeckelte Anzahl von Autos ohne einen Elektroantrieb verkaufen dürfen.

Bald dürften ihnen dann auch die aus China subventionierten Autos aus dem Werk in Sachsen Konkurrenz machen. Rothenburgs Bürgermeisterin Heike Böhm scheint das aber alles nicht zu stören: „Wir empfangen den Investor mit offenen Armen.“