Chipkrise macht deutschen Unternehmen schwer zu schaffen

Berlin (dpa) - Die weltweite Chipkrise macht den Unternehmen in Deutschland immer noch schwer zu schaffen - für viele Firmen sieht die Lage sogar noch bedrohlicher aus als vor zwei Jahren. Obwohl es in bestimmten Bereichen der Halbleiterbranche - etwa bei Speicherchips - schon wieder ein Überangebot gibt, klagten die meisten Firmen in Deutschland in einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom über große Herausforderungen bei der Chip-Versorgung.

Die Folge für die Verbraucherinnen und Verbraucher: Manche Produkte wie kleinere Elektroautos werden derzeit von den Herstellern kaum angeboten, weil die verfügbaren Chip-Kontingente in größere und teurere Modelle gesteckt werden. Außerdem reichen die Firmen die höheren Beschaffungskosten für die Chips an die Endkunden weiter.

In der Bitkom-Umfrage berichteten 89 Prozent der Unternehmen hierzulande, die in diesem Jahr Halbleiter gekauft haben, von Schwierigkeiten bei der Beschaffung. Das sind noch einmal 8 Prozentpunkte mehr als 2021, als 81 Prozent von entsprechenden Problemen berichteten. Besserung ist für viele Firmen nicht in Sicht: Gut zwei Drittel (68 Prozent) dieser Unternehmen rechnen damit, dass die Lieferverzögerungen 2024 zunehmen werden. 41 Prozent gehen sogar von einer deutlichen Zunahme aus.

Repräsentative Umfrage

Für die Studie befragte das Institut Bitkom Research im August die Verantwortlichen in 404 Unternehmen in Deutschland aus verarbeitendem Gewerbe und ITK-Dienstleistungen ab 20 Beschäftigten. Darunter befanden sich 346 Unternehmen, die Halbleiter verwenden. Die telefonische Gesamtumfrage ist nach Angaben des Bitkom repräsentativ. Die statistische Fehlerspanne beträgt plus/minus fünf Prozent in der Gesamtstichprobe.

Beim Einkauf der Halbleiter auf dem Weltmarkt stoßen die Unternehmen aus Deutschland auf mehrere Probleme: 97 Prozent der betroffenen Unternehmen berichten von Lieferverzögerungen, 93 Prozent sind mit Preiserhöhungen konfrontiert. Häufig sind die benötigten Chips aber auch gar nicht aufzutreiben: 89 Prozent sagten, dass zumindest bestimmte Bauteile teilweise nicht verfügbar waren. Und oft kommt auch nicht die bestellte Menge an: Bei 88 Prozent wurden die Liefermengen reduziert.

Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst setzte sich am Dienstag dafür ein, die Abhängigkeit insbesondere von asiatischen Herstellern zu verringern. Ohne Chips gehe in der deutschen Wirtschaft nichts. «Halbleiter sind die Basistechnologie der digitalen Wirtschaft.» Der Verbandsvertreter begrüßte die mit staatlichen Subventionen geförderte Ansiedlung von Fabriken großer Chiphersteller wie Intel und TSMC in Deutschland. «Wir stehen hier in einem weltweit massiven Wettbewerb mit anderen Standorten, beispielsweise den USA und vielen Ländern Südostasiens.»

Der Aufbau eines gesamten Ökosystems der Chipindustrie - von der Forschung über das Chipdesign bis hin zu Produktion - werde nicht zu Nulltarif zu bekommen sein. «Dafür muss man etwas bezahlen, damit der Halbleiterstandort Deutschland wächst», sagte der Bitkom-Präsident.

Folgen der Corona-Pandemie

Die weltweite Chipkrise hängt eng mit der Corona-Pandemie zusammen. Vor allem Lockdowns in chinesischen Chipfabriken führten zu Produktionsausfällen. Verschärft wurde die Krise durch Naturkatastrophen wie Erdbeben in Asien und den großflächigen Stromausfall in Texas im Februar 2021, durch die auch wichtige Chipfabriken in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Gleichzeitig zog in der Pandemie die Nachfrage nach Elektronikprodukten deutlich an, da viele Menschen von zu Hause aus arbeiteten und mehr Freizeit im Internet verbrachten. Dies führte zu einem verstärkten Bedarf an Chips für Laptops, Tablets, Smartphones und anderen Geräten.

Vor zwei Jahren - auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie - betrug die durchschnittliche Lieferverzögerung bei Halbleiter-Bauteilen beziehungsweise Komponenten in Deutschland 6,5 Monate. Dieser Wert ist nur leicht gesunken. Aktuell müssen die Firmen durchschnittlich rund 5 Monate lang auf die bestellte Ware warten.

Die Unternehmen versuchen unterdessen, sich gegen die Lieferengpässe zu wappnen. 61 Prozent haben inzwischen langfristige Vereinbarungen mit ihren Chip-Lieferanten verhandelt. Jede zweite Firma (52 Prozent) hat sich auf die Suche nach alternativen Anbietern gemacht. Mehr als ein Drittel der Hersteller haben das Design ihrer Produkte geändert, um nicht länger auf knappe Spezial-Chips angewiesen zu sein. So hat beispielsweise das Berliner Unternehmen AVM etliche Modelle seines populären Internet-Routers «Fritzbox» ohne Unterstützung von ISDN-Telefonen auf den Markt gebracht, weil die dafür notwendigen Spezialchips schwer aufzutreiben waren. Erst der Chipmangel hatte AVM dazu bewegt, das Ende des ISDN-Zeitalters einzuläuten.