Werbung

Corona: Droht Deutschland eine zweite Welle?

Einige Länder wie Südkorea kämpfen bereits mit der zweiten Corona-Welle, auch in Deutschland mehren sich die Sorgen, dass es zu einem erneuten Ausbruch kommen könnte. Ein Lage-Überblick.

Leere Stadien werden wohl noch eine Weile zum Alltag gehören, soll eine zweite Corona-Welle vermieden werden.(Bild: Sven Hoppe/Pool via REUTERS)
Leere Stadien werden wohl noch eine Weile zum Alltag gehören, soll eine zweite Corona-Welle vermieden werden.(Bild: Sven Hoppe/Pool via REUTERS)

Selbst in Neuseeland, dass offiziell Corona-frei war, wurden neue Fälle gemeldet. In Deutschland überwiegen momentan die Überlegungen für weitere Lockerungen und die Rückkehr zur Normalität. Doch das könnte alles Makulatur werden, sollte es zu einer zweiten Welle von Covid-19 Infektionen kommen. Die Gefahr einer solchen zweiten Infektionswelle wird von Virologen unterschiedlich stark eingeschätzt.

Wissenschaftler der Oxford-Universität veröffentlichen eine Daten-Analyse, die die Folgen der Lockerungen betrachtet. Dafür wurden die Daten von 45 Ländern mit mehr als 25.000 Covid-19 Fällen verglichen. Zehn dieser Länder haben nach vermehrten Lockerungen nun wieder steigende Zahlen, auch Deutschland gehört dazu.

Fälle in den USA: Fauci warnt vor 100.000 Infektionen pro Tag

Stringenzindex von Ausbrüchen beeinträchtigt

Besonders wichtig für diese Analyse, die der britische Guardian in Auftrag gegeben hatte, ist der sogenannte Stringenzindex. Dieser ordnet die Entwicklung in Bezug auf Lockerungsmaßnahmen ein. Bei einem Index unter 70 gilt die Situation als entspannt. Bei einem Wert zwischen 70 und 100 drohen verschärfte Maßnahmen bis hin zum Lockdown, um einen erneuten Ausbruch einzudämmen.

Im Mai lag dieser Stringenzindex in Deutschland zwischenzeitlich sogar bei 50, doch dann folgten die Ausbrüche in der Fleischindustrie und der Reproduktionswert überschritt die Grenze von mehr als einer Ansteckung pro Infektion deutlich. Das Robert-Koch-Institut (RKI) sah dennoch zunächst keinen Warnbedarf vor einer deutschlandweiten zweiten Welle, da die Infektionen sehr regional beschränkt waren.

In einem Statement zu der auf 2,7 erhöhten Reproduktionszahl schrieb das Institut: “Die stark erhöhten Werte in den vergangenen Tagen hängen mit lokalen Häufungen zusammen, wobei insbesondere der Ausbruch in Nordrhein-Westfalen eine große Rolle spielt.” Ende Juni war der 7-Tage-R-Wert bereits wieder auf 0,83 abgesunken. RKI-Chef Lothar Wieler betonte aber, dass es weiterhin Maßnahmen zur Eindämmung bedürfe: “Wenn wir weiterhin beispielsweise Großveranstaltungen verbieten, können wir die zweite Welle verhindern“.

Das Virus werde kontinuierlich in Deutschland bleiben mit lokalen Ausbrüchen sei weiterhin zu rechnen, so Wieler. Die Menschen in Deutschland müssten sich auch für die nächsten Monate auf ein Leben mit Einschränkungen einstellen: “Das wird die neue Normalität sein für die nächsten Wochen und Monate.”

Zweite Welle oder “Dauerwelle”?

Christian Drosten, Corona-Experte und Virologe an der Berliner Charité rechnet damit, dass es spätestens in zwei Monaten weitere schwere Ausbrüche in Deutschland geben wird. Grund dafür könne auch leichtsinniges Verhalten vieler Bürger werden, die sich in der Sommerreisezeit unvorsichtiger als zuvor verhalten und die Hygienemaßnahmen nicht mehr so strikt einhalten. Im NDR-Podcast sagte Drosten: “Ich bin nicht optimistisch, dass wir in einem Monat noch so eine friedliche Situation haben wie jetzt, was die Epidemietätigkeit angeht. In zwei Monaten, denke ich, werden wir ein Problem haben, wenn wir nicht jetzt wieder alle Alarmsensoren anschalten.”

Doch bei der Einschätzung zu einer zweiten Welle gehen die Meinungen der Experten etwas auseinander. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hat eine etwas optimistischere Ansicht zum weiteren Verlauf der Pandemie. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte er: “Ich glaube, wir sind in einer kontinuierlichen Welle. Einer Dauerwelle, die immer wieder hoch- und runtergeht.” Auch in der Politik rechnet man mit der Gefahr einer zweiten Welle. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte kürzlich auf einem Online-Podium der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft: “Dass es eine zweite Welle gibt, da bin ich ganz sicher.” Man sehe an den die Ausbrüchen in Nordrhein-Westfalen, Peking und anderswo, dass schon ein Funke genüge, so Söder weiter.

Lesen Sie auch: Was Verbraucher zum Corona-Test wissen sollten

Große Uneinigkeit bei den Tests

Um regionale Ausbrüche schnell erkennen und eindämmen zu können, ist das engmaschige Testen wieder zum Thema geworden. Allerdings ist die Herangehensweise daran von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. In Baden Württemberg werden beispielsweise alle Pflegetesten vorbeugend durchgetestet. Bayern will sogar alle Bürger testen lassen. In Berlin sollen Kita-Mitarbeiter flächendeckend getestet werden, in Thüringen und Sachsen Schulpersonal. Hamburg hingegen will gar keine allgemeinen Tests durchführen.

Die Fleischindustrie reagiert ebenfalls mit vermehrten Test, in Nordrhein-Westfalen müssen sich alle Mitarbeiter in Fleischbetrieben zwei Mal pro Woche testen lassen. Technisch umsetzbar wären momentan bis zu eine Millionen Tests pro Woche in ganz Deutschland. Insgesamt sind die Fallzahlen in Deutschland momentan sehr niedrig, 6200 Menschen gelten aktuell als infiziert, davon kommen alleine 2500 Patienten aus NRW.

Viele Bundesländer haben allerdings nur noch Fälle im niedrigen zweistelligen Bereich. Die Illusion, dass die Pandemie damit aber überwunden ist, sollte sich deswegen aber niemand machen. Auch das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen sogar als sehr hoch.

VIDEO: Italienische Stadt Bergamo gedenkt den Corona-Toten