Countdown zur Bundestagswahl 2017: Das ist die SPD

In aktuellen Umfragen liegt die SPD bei 24 Prozent. Kann der Kanzlerkandidat Martin Schulz das noch ändern? (Bild: ddp)
In aktuellen Umfragen liegt die SPD bei 24 Prozent. Kann der Kanzlerkandidat Martin Schulz das noch ändern? (Bild: ddp)

Keine Partei hat in den vergangenen Monaten so ein Hin und Her erlebt wie die SPD. Im März erreichte sie in Umfragen 32 Prozent und lag sogar vor der Union, dann nahm die Euphorie um den Kanzlerkandidaten Martin Schulz deutlich ab. Was aber will der Mann aus Würselen eigentlich?

Als Teil der Großen Koalition regiert die 450.000 Mitglieder starke Sozialdemokratische Partei Deutschlands aktuell zusammen mit der CDU/CSU, und genau das ist ihr Problem, sagen viele. Zu viel Nähe zwischen den Parteien und zu wenige Reibungspunkte würden verhindern, dass sich wirklich einmal etwas ändere. Heraus käme der ewige Stillstand. Nicht zuletzt deshalb hat Kanzlerkandidat Martin Schulz sich gerade dahingehend geäußert, grundsätzlich keine GroKo anzustreben. Vorsichtshalber nannte er aber gleich seine Voraussetzungen für eine Koalition, die „nicht verhandelbar“ seien: gebührenfreie Bildung, sichere Renten, den Einsatz für ein friedliches und demokratisches Europa und vor allem gleiche Löhne für Männer und Frauen.

Die Euphorie über den Kanzlerkandidaten hat abgenommen

Die Lohnlücke von 21 Prozent will er unter anderem durch das sogenannte Familiengeld schließen, mit dem Eltern zukünftig staatliche Zuschüsse bekommen, wenn beide ihre Arbeitszeit auf 26 bis 36 Stunden reduzieren. “Als Bundeskanzler wird dies eins meiner ersten Vorhaben sein”, sagt Schulz. Dass es nach der Wahl doch wieder zu einer Großen Koalition kommt, ist zumindest nicht unwahrscheinlich.

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Nach aktuellen Prognosen sind bislang rein rechnerisch nur eine GroKo oder Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen realisierbar. Aktuell liegt die SPD bei 24 Prozent und damit ganze 13 Prozent hinter der CDU/CSU. Noch im März, als die Euphorie über den Kanzlerkandidaten Martin Schulz grenzenlos schien, lagen die Sozialdemokraten mit 32 Prozent sogar vor der Union. Dann allerdings folgte erst einmal wenig Inhaltliches von Martin Schulz, dessen Wahlkampf, wie übrigens auch der von Angela Merkel, als ziemlich lahm und viel zu lasch wahrgenommen wird.

Der Spitzenkandidat der SPD: Martin Schulz

Der Werdegang von Martin Schulz ist nicht unbedingt typisch für einen Spitzenpolitiker. (Bild: ddp)
Der Werdegang von Martin Schulz ist nicht unbedingt typisch für einen Spitzenpolitiker. (Bild: ddp)

Eines muss man Martin Schulz lassen: Ohne ihn wäre die Stadt Würselen in Nordrhein-Westfalen wohl nie so bekannt geworden, wie sie es heute ist. Schulz war dort von 1987 bis 1998 Bürgermeister und betont oft und gerne, wie geerdet er durch seine Heimat sei. Aber auch sein Werdegang ist nicht unbedingt typisch für einen Spitzenpolitiker. Wegen schlechter Noten wurde er nicht zum Abitur zugelassen, träumte dann von einer Karriere als Fußball-Profi, die er verletzungsbedingt aber aufgeben musste. Er spricht offen über seine Vergangenheit als Alkoholiker und arbeitete lange als Buchhändler, bevor er richtig in die Politik einstieg.

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Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Europäischen Parlaments, die letzten fünf Jahre davon dessen Präsident. Martin Schulz gehört seit 1999 dem Bundesvorstand und dem Parteipräsidium der SPD an. Im März 2017 wurde er vom Bundesparteitag mit 100 Prozent der gültigen Stimmen zum Vorsitzenden der SPD und zum Kanzlerkandidaten gewählt.

Das Wahlprogramm der SPD zur Bundestagswahl 2017

Markige „4 Zusagen für Deutschland“ hat Martin Schulz gerade gemacht und damit zusammengefasst, was ihm zunächst am Dringendsten erscheint: „Konkrete Politik für gerechte Löhne, gute Schulen, sichere Renten und ein demokratisches Europa für den Frieden.” Sein Statement schließt mit den Worten: „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit.“ Und genau mit diesen Worten beginnt auch das 88-seitige Wahlprogramm der Demokraten.

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„Gerechtigkeit ist die zentrale Voraussetzung für Zusammenhalt und Wohlstand“, heißt es ganz am Anfang und macht klar, dass das Ziel der SPD in einem starken Sozialstaat besteht. In puncto Familie will die SPD eine „Familienarbeitszeit“ einführen. Wenn beide Eltern wegen der Kinder in Teilzeit gehen und zwischen 26 und 36 Wochenstunden arbeiten, bekommen sie zwei Jahre lang 150 Euro pro Monat. Wer einen Angehörigen pflegt, soll denselben Betrag bekommen, plus einen dreimonatigen Ersatz für den Lohnausfall, der dem Elterngeld entspricht.

Rente, Arbeit, Gesundheit

Geht es nach der SPD, soll das Rentenniveau bis 2030 auf dem jetzigen Stand von etwa 48 Prozent stabilisiert werden. Bis dahin soll der Beitragssatz, der aktuell bei 18,9 Prozent liegt, nicht über 22 Prozent steigen. Die SPD schließt ein Renteneintrittsalter nach dem 67. Lebensjahr aus und fordert, dass auch Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung gehen müssen.

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Die Sozialdemokraten wollen „sachgrundlose Befristungen“ in Arbeitsverhältnissen abschaffen und fordern das Recht, nach einer Teilzeit wieder in die Vollzeit wechseln zu können. Die Tarifbindung soll verbessert werden, als Ziel nennt die SPD „Vollbeschäftigung in Deutschland“. Ein zentrales Anliegen ist die Schließung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.

Ein zentrales Anliegen ist die Schließung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. (Bild: ddp)
Ein zentrales Anliegen ist die Schließung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. (Bild: ddp)

Die SPD setzt sich dafür ein, dass die Beiträge für die Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen von den Arbeitgebern und -nehmern bezahlt werden. Privatversicherte sollen wählen können, ob sie in ihrer Versicherung bleiben oder in die sogenannte „Bürgerversicherung“ wechseln wollen.

Integration und Asyl

Die SPD fordert eine humanitäre Flüchtlingspolitik, wobei die Flüchtlinge solidarisch über Europa aufgeteilt werden sollen. Sie will mehr Geld für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR bereitstellen und ein Seenotrettungsprogramm ins Leben rufen. Wer dauerhaft einwandern darf, regelt ein nach Qualifikationen unterteiltes Punktesystem. Die SPD befürwortet die doppelte Staatsangehörigkeit und ist für eine Einwanderungsquote, deren Höhe jährlich neu vom Bundestag festgesetzt wird.

Sicherheit

Um 15.000 Stellen wollen die Sozialdemokraten das Personal der Polizei aufstocken. Daneben treten sie dafür ein, die Datensysteme der unterschiedlichen Sicherheitsbehörden besser zu verbinden. Die SPD spricht sich für die Bundeswehr aus, ist aber gegen „völlig unnötige und unrealistische Steigerungsraten des deutschen Verteidigungshaushaltes“. Ihrer Meinung nach sollten die Grenzen des Schengenraumes stärker überwacht werden, zudem hält sie sowohl eine neu zu gründende Europäische Staatsanwaltschaft als auch ein europaweites Anti-Terror-Zentrum und eine europäische Verteidigungsunion für sinnvoll.

EU und Außenpolitik

Die SPD identifiziert sich mit der europäischen Idee, wobei sie sich außenpolitisch als „Friedenspartei“ bezeichnet, die Aufrüstung ablehnt. Um die Wirtschaftspolitik der EU-Staaten besser zu koordinieren, plant sie eine länderübergreifende Wirtschaftsregierung. Sie will den Einflussbereich des Europäischen Parlaments erweitern und strebt eine europäische Verfassung an. Die Beitrittsgespräche mit der Türkei will sie nach jüngsten Angaben von Martin Schulz abbrechen und davon alle EU-Staaten überzeugen. Die Ausgaben für humanitäre Hilfe will sie erhöhen, außerdem spricht sie sich für eine Partnerschaft mit den USA aus und dafür, die Beziehungen zu Russland zu deeskalieren. Ihr großes Ziel ist folgendes: „Eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen.“

Steuern und Finanzpolitik

Die Sozialdemokraten sind gegen Steuersenkungen. Einkommen aus Kapital soll genauso versteuert werden wie Einkommen aus Arbeit. Der Handel mit Aktien und Anleihen soll durch eine Finanztransaktionssteuer besteuert werden. Alleinerziehende sollen von einem Familiensplitting profitieren, das das Ehegattensplitting ersetzen soll. Entlastet werden sollen vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, Besserverdiener sollen mehr Abgaben leisten. Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 45 Prozent angehoben werden, der für Singles ab 76.000 Euro fällig wird. Verdient jemand mehr als 250.000 Euro pro Jahr, soll er 48 Prozent Steuern bezahlen.

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Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen mit einem „Familienbaugeld“ zum Wohneigentum bezuschusst werden. Eine genaue Summe wird im Wahlprogramm nicht genannt, die Bauministerin Barbara Hendricks hat aber schon von 8.000 Euro pro Familie mit Kind plus jeweils 6.000 Euro für ein zweites und drittes Kind gesprochen. Zudem sollen künftig, wie auch bei Mietwohnungen, die Verkäufer für die Maklercourtage aufkommen. Ein weiterer Punkt auf ihrer Agenda ist der Kampf gegen steuerflüchtige Unternehmen.

Bildung und Forschung

Die SPD steht für eine kostenlose Bildung von der Kita bis zur Uni. Ganztagsschulen sollen ausgebaut und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eingeführt werden.

Ein Ziel der SPD ist es, die kostenlose Bildung von der Kita bis zur Uni möglich zu machen. (Bild: ddp)
Ein Ziel der SPD ist es, die kostenlose Bildung von der Kita bis zur Uni möglich zu machen. (Bild: ddp)

Schüler sollten mehr digitale Kompetenzen vermittelt bekommen und die Anerkennung von Ausbildungsberufen beispielsweise dadurch gestärkt werden, dass ausgebildete Meister zum Masterstudium zugelassen werden. Bis 2025 wollen die Sozialdemokarten zudem 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung investieren.

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