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Kann man sich auf die Wahlprognosen eigentlich noch verlassen?

Die Frage, die so viele gerne schon vor den Wahlen beantwortet hätten: Wie stark wird welche Partei abschließen? (Bild: ddp)
Die Frage, die so viele gerne schon vor den Wahlen beantwortet hätten: Wie stark wird welche Partei abschließen? (Bild: ddp)

Vor der Wahl schauen alle auf die Prognosen, Überraschungen kommen bei Wahlen nicht gut an. Doch wie sehr kann man sich auf Methoden verlassen, die zuletzt weder den richtigen Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA noch den Brexit vorausgesagt haben? Und was bedeutet das im Hinblick auf die AfD?

Ein psychologischer Grund, weshalb Meinungsforscher zu ungenauen Erkenntnissen kommen, ist in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ausdruck gekommen. Soziologen bezeichnen als soziale Erwünschtheit eine Meinung, die in der Bevölkerung verbreitet und angesehen ist. Wissen Menschen aber, dass ihre tatsächliche Meinung von anderen als negativ angesehen wird, passen sie sich in Umfragen ihrer Umgebung an.

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Sie sagen also nicht, falls sie gar nicht wählen wollen und nennen im Zweifel einen Kandidaten, den sie dann aber gar nicht wählen. In den USA war die Stimmung lange so, dass viele Leute sich zwar zu Hillary Clinton bekannten – Trump-Fans sich aber nicht zu ihrem Wunsch-Präsidenten.

Die Daten reichen für eine genaue Prognose nicht aus

Der Analyst Barry Ritholtz hat eine Theorie darüber, warum die Demoskopen bei manchen Wahlen so völlig daneben liegen: Es gibt zu schlicht zu wenige Daten und die, die es gibt, sind zu alt. Er meint, in den vier Jahren zwischen den Wahlen könnten sich die Einstellungen der Wähler so radikal ändern, dass man die Wahlen gar nicht miteinander vergleichen könne. Klingt logisch, wenn man bedenkt, dass Menschen, die 2012 noch den ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt haben, vier Jahre später für Donald Trump gestimmt haben. Und was den Brexit betrifft, ist die Lage noch eindeutiger: Da er ein einmaliges Ereignis sei, gebe es überhaupt keine Daten, die man zu einem Vergleich heranziehen könne.

Was bedeuten diese Theorien für das AfD-Ergebnis?

Ähnlich wie in den USA bei Donald Trump dürften hierzulande auch einige AfD-Wähler davor zurückschrecken, in Umfragen anzugeben, dass sie eine Partei wählen wollen, in deren Reihen sich neben Rechtspopulisten auch extreme Rechte finden. Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen mit rechter Gesinnung seltener an Umfragen teilnehmen.

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Nico Siegel, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, erklärte das gegenüber der „Bild“-Zeitung so: Parteien wie die AfD wenden sich gegen die politische Elite und das Establishment. Dazu zählen für sie auch Meinungsforscher, denen sie deshalb wenige gern Auskunft erteilen.

Die aktuellen Umfrage-Ergebnisse zur AfD

Um die Fehlerquote möglichst klein zu halten, hat das britische Markt- und Meinungsforschungsinstitut VouGov eine neue Methode entwickelt. Dabei verwenden die Forscher neben aktuellen Umfrageergebnissen auch statistische Daten zur Bevölkerung. Sie setzen die statistischen Merkmale der Befragten in Beziehung zu deren Antworten in den Umfragen und schließen daraus auf eine Entscheidungswahrscheinlichkeit für jeden Wähler. Funktioniert hat das bereits bei der britischen Parlamentswahl, bei der das Institut vor allen anderen vorausgesagt hatte, dass die Tories bei der Unterhauswahl die absolute Mehrheit verlieren werden.

Es kann gut sein, dass viele Wähler die AfD wählen, es aber in Umfragen nicht zugeben wollen. Hier die Spitzenkandidatin Dr. Alice Weidel. (Bild: ddp)
Es kann gut sein, dass viele Wähler die AfD wählen, es aber in Umfragen nicht zugeben wollen. Hier die Spitzenkandidatin Dr. Alice Weidel. (Bild: ddp)

Der AfD sagt YouGov nach einer Prognose vom 19. September 2017 bei der Bundestagswahl am Sonntag 12 Prozent voraus, womit sie als drittstärkste Kraft in den Bundestag einziehen würde und 85 Sitze im Parlament hätte. Auf Platz eins sieht das Institut die CDU/CSU mit 36 Prozent und 255 Sitzen, auf Platz zwei die SPD mit 25 Prozent und 176 Sitzen. Die weiteren Parteien laut YouGov: 10 Prozent für Die Linke (74 Sitze), 6 Prozent für die Grünen (44 Sitze), sieben Prozent für die FDP (52 Sitze).

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Das Meinungsforschungsinstitut Forsa schätzt CDU/CSU gleich ein, sieht die SPD aber bei nur 23 Prozent. Auf Platz drei sieht es statt der AfD Die Linke mit 10 Prozent, FDP und AfD liegen bei 9 Prozent und die Grünen bei 8.

Die Allensbach-Umfrage kommt wieder zu anderen Zahlen. CDU/CSU kommen auf 36,5 Prozent, die SPD auf 22 Prozent. Als drittstärkste Partei gilt hier die FDP mit 11 Prozent, die AfD kommt auf 10 Prozent. Die Linke sieht Allensbach bei 9 und die Grünen bei 8 Prozent.

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Ist es nicht merkwürdig, dass drei angesehene Meinungsforschungs-Institute zu derart unterschiedlichen Prognosen kommen? Gegenüber der „Bild“ sagte Nico Siegel von Infratest dimap: „Vorwahlerhebungen sind Stimmungsbilder und keine Prognosen.“ Bei zwei Prozent hin oder her sei das Rennen noch völlig offen.

Könnte die AfD noch viel besser abschneiden?

Gerade im Hinblick auf die AfD fürchten viele, dass sie noch viel besser abschneiden könnte als man bisher annimmt. „Die Ergebnisse der AfD vorherzusagen, ist tatsächlich eine besonders schwere Aufgabe“, sagte Sigrid Roßteutscher kürzlich gegenüber der „FAZ“. Allerdings hält es die Professorin für Soziologie auch für möglich, dass das genaue Gegenteil eintritt und die AfD am Ende wesentlich schlechter aus der Bundestagswahl hervorgeht. So schlecht, dass sie es möglicherweise auch gar nicht in den Bundestag schafft.

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Die Gründe laut Roßteutscher: Die übliche Fehlertoleranz bei Umfragen von bis zu drei Prozent, die bei kleinen Parteien natürlich mehr ins Gewicht fallen als bei großen. Die wachsende Zahl der Wechselwähler, die dazu geführt hätte, dass „Wahlprognosen in den letzten 20 Jahren immer unzuverlässiger geworden“ seien. Der Faktor der sozialen Erwünschtheit. Und die Tatsache, dass die AfD überdurchschnittlich viele Nichtwähler mobilisiere, die sich erst auf den letzten Metern auf eine Partei festlegen. Alles Faktoren, die seriöse Prognosen deutlich erschweren.

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