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Covid-19-Intensivpatienten sollen verteilt werden

Ein Zimmer auf der Intensivstation der Charité in Berlin - Corona-Patienten sollen verteilt werden.
Ein Zimmer auf der Intensivstation der Charité in Berlin - Corona-Patienten sollen verteilt werden.

Von Montag an sollen Einschränkungen im öffentlichen Leben verhindern, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Sollten Intensivbetten trotzdem knapp werden, haben Bund und Länder einen Plan. Derweil steigt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen weiter.

Berlin (dpa) - Vor Beginn des Teil-Lockdowns in Deutschland an diesem Montag hat das Robert Koch-Institut erneut einen Höchstwert für die Corona-Neuinfektionen gemeldet: 19.059 neue Fälle haben die Gesundheitsämter den Angaben vom Samstag zufolge binnen eines Tages verzeichnet.

Eine einmonatige Zwangspause für Restaurants und Bars, Kultur- und Freizeiteinrichtungen soll das Virus ab kommender Woche ausbremsen. Sollten die Intensivstationen dennoch überlastet werden, wollen Bund und Länder an Covid-19 erkrankte Intensivpatienten zwischen den Bundesländern verteilen.

Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Deutschland sei in fünf Regionen aufgeteilt, die sich über die Auslastung der klinischen Kapazitäten informierten und im Bedarfsfall freie klinische Kapazitäten zur Verfügung stellten. «Sollte sich in einem Bundesland oder einer Region eine starke Beanspruchung abzeichnen oder sogar eine Überlastung eintreten, wird über zentral eingerichtete Stellen in den Regionen der überregionale Patiententransport in aufnahmefähige Regionen organisiert.»

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Durch klare Strukturen und Abläufe, medizinisch-fachliche Beratung und Bündelung von Transportressourcen wird gewährleistet, dass bei drohender beziehungsweise eingetretener regionaler Überlastung von intensivmedizinischen Kapazitäten ein Ausgleich innerhalb Deutschlands auch unter komplexen Rahmenbedingungen bewältigt werden kann.»

Derweil will Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus nicht ausschließen, dass der gerade erst beschlossene Teil-Lockdown länger als bis Ende November in Kraft bleibt. «Es ist der Plan, dass wir zum Dezember lockern. Garantieren kann das niemand», sagte er den Funke-Zeitungen. Auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte eine Verlängerung zuvor nicht ausgeschlossen. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte der «Bild», das Coronavirus sei «nichts, was man auf dem Reißbrett oder auf lange Zeit planen kann».

Ab Montag wird die Zahl der Menschen, die in privaten Räumen und in der Öffentlichkeit zusammenkommen dürfen, streng begrenzt. Hotels dürfen keine Touristen mehr aufnehmen. Schulen, Kitas und der Einzelhandel bleiben anders als im Frühjahr aber geöffnet. In einigen Bundesländern wurden die Beschlüsse bereits in Landesverordnungen gegossen. Andere Länder wollen erst im Laufe des Wochenendes bestimmen, wie die verschärften Regelungen konkret umgesetzt werden.

Kultur- und Gastrobranche protestieren heftig gegen die Schließungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte in ihrem am Samstag veröffentlichten Podcast ein, dass es nun erneut viele träfe, die seit Beginn der Pandemie Umsatzeinbußen verzeichneten. Sie versicherte, dass den Betroffenen schnell und unbürokratisch geholfen werden solle - und wiederholte ihre Einschätzung aus der Regierungserklärung am Donnerstag: «Der Winter wird hart.»

In Bayern wurde am Samstag bekanntgegeben, dass Touristen Hotels im Freistaat wegen des Teil-Lockdowns spätestens am Montagvormittag verlassen müssen. Zuvor hatten bereits Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ähnliche Regelungen mitgeteilt.

Juristen rechnen mit einer Klagewelle. Am Berliner Verwaltungsgericht sind bereits die ersten Eilanträge eingegangen. In welchem Umfang es wegen der geplanten Grundrechtseingriffe zu Rechtsschutzverfahren kommen werde, sei derzeit noch nicht verlässlich zu prognostizieren, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, Robert Seegmüller, der «Rheinischen Post».

Der Wirtschaftsflügel der CDU verlangte eine andere Strategie im Umgang mit der Corona-Pandemie. «Wie wir weitere Lockdowns in der Zukunft finanzieren wollen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft», sagte der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann, der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Für ein jahrelanges Leben mit dem Virus brauche es etwa einen besseren Schutz der Risikogruppen und präzisere Kriterien als die Zahl der Neuinfektionen.

Die neuen Corona-Schnelltests sollten aus Sicht von Patientenschützern auch genutzt werden, um Sterbenden und Angehörigen einen gemeinsamen Abschied zu ermöglichen. «Niemals darf es erneut dazu kommen, dass sie voneinander isoliert und allein gelassen werden», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der dpa. Bund und Länder seien gefordert, ausreichend Schnelltests für Menschen in der letzten Lebenszeit, Angehörige und Begleiter wie Seelsorger oder Hospizhelfer bereitzustellen.

Die FDP will, dass nicht nur medizinisches Fachpersonal Schnelltests durchführen darf. Das könne nicht auch noch von den Pflegefachkräften übernommen werden, sagte die Pflege-Expertin der Bundestagsfraktion, Nicole Westig, der «Welt». Bei entsprechender Schulung sollten geeignete Personen die Tests durchführen können. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer forderte im «Handelsblatt» ein Sofortprogramm für Luftfilter von mindestens einer Milliarde Euro für Gastronomie, Tourismus und Einzelhandel und mindestens einer weiteren Milliarde zusätzlich für Kitas, Schulen und Hochschulen.