Darum herrscht im Cockpit in manchen Phasen ein Smalltalk-Verbot

Kleine Plaudereien im Cockpit eines Flugzeuges sind etwas ganz Normales. Doch in manchen Phasen eines Fluges ist Smalltalk unter den Crew-Mitgliedern absolut untersagt – aus gutem Grund.

In manchen Flugphasen herrscht im Cockpit ein absolutes Smalltalk-Verbot. (Symbolbild: Getty Images)
In manchen Flugphasen herrscht im Cockpit ein absolutes Smalltalk-Verbot. (Symbolbild: Getty Images)

So ein kleiner Smalltalk unter Kollegen ist – wenn man nicht gerade alleine zuhause im Homeoffice sitzt –eine willkommene Abwechslung am Arbeitsplatz. Dies gilt auch für Flugzeugpiloten. Es gibt allerdings Momente, da wird es im Cockpit ziemlich ruhig und Plaudereien, die nichts mit dem aktuellen Flug zu tun haben, sind absolut verboten. Dies ist allerdings nicht der üblen Laune des Airline-Bosses geschuldet, der seinen Mitarbeiten keinen Spaß gönnt, sondern hat einen tragischen Hintergrund.

Am 11. September 1974 befand sich ein Flugzeug der Eastern Air Lines auf dem Flug von Charleston im US-Bundesstaat South Carolina nach Chicago. Doch den Zielflughafen in der "Windy City" sollte das Flugzeug nie erreichen. Beim Landeanflug stürzte der Flug 212 der Eastern Air Lines ab, 72 der 78 Passagiere kamen bei dieser Katastrophe ums Leben.

War Smalltalk schuld am Absturz eines Passagierfliegers?

Als Grund für den Absturz stellte die US-amerikanische Verkehrsbehörde "National Transportation Safety Board" ein Fehlverhalten der beiden Piloten fest. Weil die beiden im Cockpit in ein Gespräch über Politik und andere Themen vertieft waren, konzentrierten sie sich nicht genug auf die Landung und verpassten dadurch, notwendige Schritte einzuleiten. Zu diesem Ergebnis kam damals eine Auswertung des Stimmenrekorders. Also Konsequenz des Unglücks wurde die "Sterile Cockpit Rule" eingeführt, eine Regel für das ruhige Cockpit in bestimmten Phasen eines Fluges.

Die "Sterile Cockpit Rule" oder auch "Sterile Flight Deck Rule" der US-Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) besagt, dass sich während der kritischen Phase eines Fluges kein Crew-Mitglied Aktivitäten hingeben darf, welche die "andere Crew-Mitglieder von ihren Aufgaben ablenken oder die in irgendeiner Form die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufgaben behindern könnten".

Als solche Aktivitäten hat die FAA unter anderem das "Einnehmen von Mahlzeiten, nicht-relevante Gespräche innerhalb des Cockpits und zwischen Cockpit- und Kabinenbesatzung oder das Lesen von Publikationen, die nicht mit der ordnungsgemäßen Durchführung des Flugs zu tun haben" eingestuft. Diese haben also in kritischen Phasen eines Fluges zu unterbleiben.

Auch in Europa gibt es eine Smalltalk-Regelung

Als kritische Phasen werden das sogenannte Taxiing (das langsame Fahren auf dem Rollfeld), der Start, die Landung und Flugoperationen unterhalb einer Flughöhe von 10.000 Fuß (rund 3.000 Meter) eingestuft. In diesen Phasen ist nur die für die Sicherheit des Flugzeugs wichtige Kommunikation erlaubt.

Zwar gilt die "Sterile Cockpit Rule" nur für US-amerikanische Airlines, doch mit der EU-OPS 1.085 gibt es auch in Europa eine ähnlich gerichtete Vorgabe.

In dieser Regelung heißt es unter anderem: "Der Kommandant darf den Besatzungsmitgliedern die Ausübung von Tätigkeiten während des Starts, des Anfangssteigfluges, des Endanfluges und der Landung nicht gestatten, wenn diese nicht für den sicheren Betrieb des Flugzeuges erforderlich sind."

Kurios: Passagier betritt Flieger und absolut niemand ist an Bord

"Es ist selbstverständlich, dass man bei allen Flugbewegungen unter 10.000 Fuß keinen Smalltalk betreibt und Aktivitäten durchführt, die vom Steuern des Flugzeuges ablenken könnten", so Berufspilot Patrick Biedenkapp gegenüber dem Webportal "Travelbook".

Biedenkapp arbeitet seit neun Jahren als Flugzeugpilot. In dieser Zeit habe er es noch nie erlebt, dass die Regelung EU-OPS 1.085 missachtet wurde. Biedenkapp selbst hält diese Vorgabe als äußerst sinnvoll, da sich die Crew so während der kritischen Phasen eines Flugs auf ihre essentiellen Aufgaben konzentrieren kann.

Die Katastrophe von Flug Eastern Air Lines 212 im Jahr 1974 sei bei der Pilotenausbildung zwar nicht explizit thematisiert worden, doch, so Biedenkapp, gehören andere Flugzeugabstürze durchaus zum Schulungsprogramm. Ebenso wie halbjährliche Übungen im Flugsimulator, bei denen auch Anflüge bei schlechter Sicht zu den Trainingseinheiten gehören.

In Ausnahmen darf die "Sterile Cockpit Rule" gebrochen werden

Die "Sterile Cockpit Rule" soll also dafür sorgen, dass Pilot und Co-Pilot in den kritischen Flugphasen nicht von außerhalb des Cockpits gestört werden, aber auch hier gibt es Ausnahmen von der Regel.

So legte die Fluggesellschaft Japan Airlines mögliche Gefahren fest, bei denen Crewmitglieder das Cockpit-Personal kontaktieren dürfen, selbst wenn sich die Maschine gerade im Start- oder Landemodus befindet. Zu diesen Gefahren gehören Feuer, Rauch, ungewöhnliche Vibrationen oder Geräusche sowie die Fluglage.

"Sobald es sicherheitsrelevante Probleme gibt, soll beziehungsweise müssen die Piloten informiert werden, egal zu welchem Zeitpunkt", so Biedenkapp über eine Aussetzung der "Sterile Cockpit Rule". Im Gegenzug können Pilot oder Co-Pilot jederzeit Kontakt zu den Crew-Mitgliedern in der Kabine aufnehmen, um gewisse Durchsagen durchzugeben, wie beispielsweise bei einer Evakuierung des Fliegers.

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