"Das Elend der Sozialdemokratie": Peer Steinbrück rechnet mit der SPD ab

Peer Steinbrück liest der SPD in seinem neuen Buch die Leviten. (Bild: Getty Images)
Peer Steinbrück liest der SPD in seinem neuen Buch die Leviten. (Bild: Getty Images)

Der frühere Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat ein neues Buch geschrieben. Darin rechnet er mit der SPD ab und findet scharfe Worte für seine Genossen – besonders für Martin Schulz.

In seiner politischen Analyse zur Existenzkrise der Sozialdemokraten teilt Steinbrück kräftig aus, wohl wissend, dass auch er selbst einen nicht sonderlich erfolgreichen Wahlkampf (2013) hinter sich hat. Doch er bleibt schonungslos.

Es sei nicht die Große Koalition am Zustand der SPD schuld, sondern die Partei selbst. Steinbrück hält die erneute GroKo wegen der Krisen in Europa für unausweichlich. Zudem sehne Deutschland sich traditionell nach Stabilität und Sicherheit. In einer Minderheitsregierung gäbe es keine klare parlamentarische Mehrheit und somit auch keine handlungsfähige Bundesregierung.

Der Ex-Kanzlerkandidat kritisiert am Erneuerungsprogramm seiner Partei eine diffuse Programmatik, einen auf 45 Leute aufgeblähten Vorstand (“halbe Kompaniestärke”), “Personalbesetzungen nach Regional-, Flügel- und Geschlechterproporz”. Statt wirklich alte Pfade zu verlassen, setze man auf “politische Sandkastenspiele”. Zudem würde die Partei ihr eigenes Profil bis zur Unkenntlichkeit verwässern. “In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod”, kritisiert Steinbrück.

Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz besuchte im Wahlkampf eine Fischfabrik in Schleswig-Holstein. (Bild: Getty Images)
Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz besuchte im Wahlkampf eine Fischfabrik in Schleswig-Holstein. (Bild: Getty Images)

Rundumschlag gegen Martin Schulz und den Parteivorstand

Auch von seinem Nachfolger Martin Schulz hält Steinbrück wenig und wirft ihm vor, er habe die “Zugbrücke zur Union (…) höher gezogen.” Der Hype um Schulz habe den labilen Zustand der SPD überspielt. Zwar sei Schulz nicht alleine Schuld an dem schlechten Wahlergebnis, doch er habe es allen recht machen wollen und die Chance vertan, die Partei umzukrempeln.

Die härtesten Worte über Schulz bringt Steinbrück in einem Beispiel für eine Organisationspanne im Wahlkampf: “Haften geblieben sind mir der Besuch des Spitzenkandidaten in einer schleswig-holsteinischen Fischfabrik im Outfit eines Psychiatrieinsassen, während am selben Tag Angela Merkel beim G20-Frauengipfel in Berlin glänzte, zeitlich falsch gesetzte und deshalb verpuffende Grundsatzreden oder der verkorkste Presseauftritt zur Vorstellung des Wahlprogramms der SPD Ende Mai 2017.”

Mit der SPD-Zentrale rechnet Steinbrück ebenfalls ab. Das Willy-Brandt-Haus sei “eine der größten Baustellen. Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf.”

Ideen, noch bevor die neue GroKo überhaupt feststand

Von SPD-Politikern wünscht er sich: “Mehr praktische Berufserfahrung als Erfahrung im Apparat oder im öffentlichen Dienst, mehr Präsenz in gesellschaftlichen Organisationen und Vereinen als in Parteigremien und Hinterzimmern.”

Das Buch “Das Elend der Sozialdemokratie – Anmerkungen eines Genossen” ist seit Dienstag im Handel. Das Manuskript wurde am 15. Dezember abgeschlossen – also lange vor den Koalitionsverhandlungen. Auf alle nachfolgenden Ereignisse konnte demnach nicht mehr eingegangen werden.

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