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Bundeswehr: Widerstand gegen Neuauflage der Wehrpflicht

Der Generalinspekteur der Bundeswehr wie auch führende SPD-Politiker haben sich klar gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen.

Freiwillige Soldaten der Bundeswehr üben bei einer Ausbildung zum
Freiwillig wehrdienstleistende bei einer Bundeswehr-Übung in Hannover. (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)

"Die Wehrpflicht, so, wie wir sie noch kennen, ist in der jetzigen Situation nicht erforderlich", sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Bundeswehr und ihre Aufgaben hätten sich verändert. "Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet", erklärte Zorn. "Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hochspezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken."

Zorn wies daraufhin, dass eine Entscheidung dieser Tragweite nicht auf die Schnelle getroffen werden könne. "Mit Blick auf eine Umstrukturierung der Bundeswehr wieder hin zu einer Streitkraft, die sich wesentlich auf eine Mobilmachung aus dem Volk heraus abstützt, muss es vorher eine gesamtgesellschaftliche Debatte geben, die deutlich über das Wehrressort hinausgeht", sagte er. "Die Vorbereitungen dafür bräuchten dann auch viel Zeit, Kraft und den politischen wie gesellschaftlichen Konsens, dass das sicherheitspolitisch erforderlich ist - von der Klärung rechtlicher und grundgesetzlicher Fragen ganz abgesehen."

Gegner der Wehrpflicht

Auch führende SPD-Politiker sprachen sich gegen die Wehrpflicht als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine aus. "Eine Reaktivierung der Wehrpflicht leistet keinen Beitrag zum Abbau aktueller Bedrohungen und lenkt von dringlichen Problemen ab", sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert den Funke-Zeitungen. "Die Debatte ist mehrfach ausgiebig geführt worden und sie ist entschieden." Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sprach sich nach Informationen der Funke-Zeitungen gegen eine solche Debatte aus.

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich kam. Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine neue Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht in Deutschland ausgelöst. Politiker aus Union und SPD forderten eine Diskussion über einen solchen Schritt, der Wehrdienst und soziale Dienste vereint. Der Sicherheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, hatte der "Rheinischen Post" gesagt, die Debatte müssen dringend geführt werden. Eine Dienstpflicht würde den Gemeinsinn fördern. Dagegen hatte FDP-Fraktionschef Christian Dürr eine Neuauflage für ausgeschlossen erklärt.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte eine Aufwertung der bestehenden Freiwilligendienste, "zum Beispiel durch eine Anrechnung auf Wartesemester oder den Numerus Clausus oder das Ansammeln von Rentenpunkten". Eine erneute Wehrpflicht hält aber auch er nicht für sinnvoll, wie er beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf den hohen Technologisierungsgrad der Bundeswehr deutlich machte.

Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß unterstützte hingegen die Forderung mehrerer Unionspolitiker nach einer allgemeinen Dienstpflicht, die "bei der Bundeswehr, aber etwa auch bei Hilfsorganisationen oder in den Bereichen Pflege und Erziehung absolviert werden kann", wie er den Funke-Zeitungen sagte.

"Dass die Union nun die allgemeine Dienstpflicht aus der Mottenkiste holt, ist mehr als befremdlich", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dem RND. Kinder und Jugendliche bräuchten nach der Corona-Pandemie nicht auch noch einen staatlichen Eingriff in ihren Lebenslauf. "Zumal es ausreichend freiwillige Angebote wie den Bundesfreiwilligendienst gibt." Auch der Bundeswehr sei damit nicht geholfen.

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