Debatte nach Messer-Angriff in Solingen - „Gar nichts ablehnen“ - Grüne ringen um Antwort auf CDU-Chef Merz
Soll es nur um Schutz vor Terroristen oder auch um eine Begrenzung der Migration gehen? Führende Parteivertreter widersprechen sich und bleiben vage.
Vage bis widersprüchlich haben die Grünen auf die Vorschläge von CDU-Chef Friedrich Merz zu Änderungen am Asylrecht reagiert. Merz hatte am Dienstagnachmittag vor der Bundespressekonferenz in Berlin konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, um die Zuwanderung von illegalen Migranten „signifikant“ zu reduzieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bot er dazu eine Zusammenarbeit an, unter ausdrücklichem Hinweis, dass Union und Sozialdemokraten gar nicht auf Grüne und FDP angewiesen seien. Zudem hatte Merz dafür plädiert, nötigenfalls auf EU-Ebene einen „nationalen Notstand“ auszurufen, um den Zustrom zu stoppen. „Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land“, hatte der Oppositionsführer vor dem Hintergrund des islamistischen Anschlags in Solingen gesagt.
Grünen-Politiker kritisiert Merz-Vorstoß: „sorgt für größere Verunsicherung“
Die Aussage von Merz zur nationalen Notlage „sorgt nicht für mehr Sicherheit, sondern für größere Verunsicherung“, kritisierte Grünen-Politiker Konstantin von Notz am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin . „Wenn man jetzt von einer ‚Notlage‘ redet, sagt, ‚dem Kanzler entgleitet das Land‘“, dann sei das „im Grunde genau das, was die Terroristen wollen“, so der Grünen-Fraktionsvize.
Auf die Frage, was die Grünen vorschlügen, sagte von Notz, der auch Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag ist, die Grünen stünden „für alle verfassungskonformen, europarechtskonformen Vorschläge zur Verfügung“. Deutlich machte er aber, dass es seiner Partei nicht um die Begrenzung der Zuwanderung, sondern um die Bekämpfung von islamistischen Gewalttätern gehe. „Man muss gegen Terrorstrukturen entschlossen und mit aller Härte vorgehen.“
Dazu brauche man eine „Stärkung der Sicherheitsbehörden“. Anders als es bei Merz klang, der auch über Gesetzesänderungen diskutieren will, um nicht nur zu einer „Steuerung“, sondern zu einer „Begrenzung der Zuwanderung“ zu gelangen, sagte von Notz mit Blick auf die islamistische Gefahr: „Wir haben viele gute Gesetze, die müssen konsequent angewendet werden.“
Grünen-Chef zeigt sich bei Abschiebe-Vorschlägen unentschlossen
Anders, letztlich aber auch unentschieden klang das bei dem Grünen-Co-Vorsitzenden Omid Nouripour. „Wir müssen natürlich auch über die Frage der Migration sprechen und über die Frage von Rechtdurchsetzung bei Rückführungen“, sagte Nouripour im Deutschlandfunk , und deutete damit an, dass es nicht nur um die Terrorbekämpfung gehe.
Gleichwohl blieben seine Äußerungen widersprüchlich: Einerseits bezeichnete der Grünen-Chef die Forderung von Merz nach Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien als unrealistisch, weil man etwa in Afghanistan mit einem „Terror-Regime“ sprechen müsse. Andererseits zeigte er sich bei aller Skepsis offen für Ideen zur Umsetzung. Vor drei Monaten habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „angekündigt, dass sie prüft, wie man in diese beiden Länder, Syrien und Afghanistan, abschieben kann, und wir sind sehr gespannt, wie die Ergebnisse sind“.
Er habe bisher noch nicht gesehen, so Nouripour, „wie es gehen soll, aber es gibt ja schlauere Leute als mich. Vielleicht haben die eine Idee und deshalb lassen wir doch mal die Vorschläge kommen und dann werden wir sie miteinander erörtern“
Nouripour will „gar nichts ablehnen“ und nichts richtig finden
Auf die Nachfrage der Moderatorin, ob dies eine Ablehnung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sei, zog sich der Grünen-Politiker erneut auf eine Sowohl-als-auch-Position zurück: „Da die Innenministerin jetzt daran arbeitet, uns darzustellen, wie der genaue Vorschlag geht, habe ich gar nichts abgelehnt. Aber ich habe auch nicht gesagt, dass ich irgendwas richtig finde, weil ich nicht weiß, wie das konkret gehen soll.“
Dass es nicht nur um Maßnahmen zum Kampf gegen Terror gehen muss, deutete Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz auf dem Kurznachrichtendienst X an. „Wer den Kern unserer offenen Gesellschaft bewahren will, wird an relevanten Verschärfungen in der Asyl-, Migrations- & Sicherheitspolitik nicht umher kommen“, schrieb der Grünen-Politiker dort. „Am besten gelingt uns das in einem großen demokratischen Schulterschluss, Regierung & Opposition, Bund & Länder.
Merz ruderte an einer Stelle zurück
Merz selbst blieb indes ebenfalls nicht frei von Widersprüchen und Selbstkorrekturen. Zunächst hatte er am Wochenende in einem auch in TheEuropean veröffentlichten Artikel einen generellen Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan gefordert. Später sprach er dann von einem „faktischen Aufnahmestopp“.
Zudem hatte er vor der Bundespressekonferenz auf eine konkrete Nachfrage deutlich gemacht, dass auch eine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz geprüft werden müsse: „Es gibt keine Tabus.“ Am Mittwoch hingegen zitierte dpa aus einem Schreiben von Merz an die Mitglieder des CDU-Bundesvorstands, in dem er klargestellt habe, man fordere „keine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz“.
Offenkundig muss sich die Berliner Politik noch selbst ordnen, bevor sie das Thema Asylrecht und Islamisten-Bekämpfung angehen kann.