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Debatte um Türkei: Aufruf zu mehr Gelassenheit, um die Gesellschaft zu schützen

Alles was mit der Türkei zu tun hat, erhitzt derzeit die Gemüter.

Es geht nur um einen Gedenkstein auf einem abgelegenen Friedhof am Stadtrand, doch in Zeiten wie diesen sorgt selbst das für heftige Debatten. Nachdem die SPD aus einem überfraktionellen Bündnis für einen Ort des Gedenkens an den Völkermord an den Armeniern ausgeschert ist, beschimpfen sich die Akteure. „Ein Armutszeugnis für die Kölner Sozialdemokratie“ sei das, meint die Ratsfrau und Landtagsabgeordnete der Grünen, Berivan Aymaz. Die SPD meint, sie müsse sich gegen den Vorwurf wehren, sie würde den Völkermord relativieren. Der von der Ratsmehrheit beschlossene Kreuzstein auf dem Friedhof am Lehmbacher Weg zwischen Brück und Rath ist nicht nur ein Symbol für die Erinnerung an die Politik des Vorgängerstaates der Türkei, des Osmanischen Reichs. Die Diskussion um ihn steht auch für die aktuelle Stimmungslage in Deutschland. „Vieles wird sofort zum Aufreger, weil vieles hineininterpretiert wird“, sagt der Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich. Ein Gedenkstein solle doch zur Versöhnung beitragen. „Im Moment wird das Gegenteil erreicht.“ Heftige Reaktionen spalten Alles, was mit der Türkei zu tun hat, erhitzt die Gemüter: Erdogans Nazi-Vergleiche, Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland, Vergangenheit und aktuelle Politik – es geht ganz offensichtlich längst nicht mehr nur darum, türkische Wähler für die Abstimmung über die Verfassungsänderung in der Türkei zu mobilisieren. Die Türkei, ihre Innen- wie Außenpolitik, sind auch Themen im deutschen Wahlkampf geworden. Mancher meint, mit scharfen Worten gegen Erdogan punkten zu können. „Wir müssen gelassener sein“, fordert der Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration, Wolfgang Uellenberg-van Dawen. Die heftigen Reaktionen seien nicht nur falsch, weil sie Erdogan nützten, „sondern auch weil sie dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft schaden“. Der türkische und deutsche Wahlkampf würden ineinanderfließen. Uellenberg-van Dawen warnt vor einer „doppelten Polarisierung“, die schnell zu Vor- und Pauschalurteilen und somit zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ führen kann. Wie schwer es ist, mit solchen Worten Gehör zu finden, musste der ehemalige Kölner DGB-Chef bei einem Redebeitrag auf dem letzten Kölner SPD-Parteitag erfahren. Der Applaus für ihn war recht verhalten. Erdogan-Sympathie auch durch „permanente Ungleichbehandlung“ bedingt Dabei deckt sich die Mahnung des Runden Tischs wohl mit der Stimmungslage vieler türkei-stämmiger Kölner. „Die Diskussion über die türkische Politik schiebt uns an den Rand der Gesellschaft“, sagt der Unternehmer Alparslan Babaoglu-Marx, der nebenher als „Integrator“ auf Kabarettbühnen steht. „Ich muss mich permanent für türkische Politik rechtfertigen. Mein Thema und Anliegen sind aber doch die deutsche Politik.“ Auch in den Medien entstehe ein falsches Bild: Viele Türken in Deutschland würden sich oft Ankara näher als Berlin fühlen, könne man lesen und hören. „Aber was heißt »viele«, und was heißt »oft«? Ich werde auf meine türkische Herkunft reduziert und soll mich verteidigen“, sagt der deutsche Staatsbürger. Dass es auch in Deutschland eine nennenswerte Zahl an Erdogan-Anhängern gibt, leugnen die Mahner nicht. Doch auch hier sei es wichtig, nicht alle Brücken einzureißen. Tayfun Keltek, Vorsitzender des Integrationsrates, fordert Reaktionen mit mehr Fingerspitzengefühl. Schließlich sei ein Grund für die Erdogan-Sympathie auch „die permanente Erfahrung von Ungleichbehandlung“. Zerrbilder schließen Gruppen aus Auch Uellenberg-van Dawen fordert, dass man im Dialog bleiben müsse. „Wir müssen aufpassen, dass die berechtigte Kritik an der Politik eines Staates nicht zu einem Zerrbild wird, das ganze Gruppen ausschließt.“ Das gelte nicht nur für Einwandererfamilien aus der Türkei. Gleiche Tendenzen könne man bei Russischstämmigen erleben, wenn es um die Diskussion um Putin gehe. Alle Einwanderergruppen würden Konflikte aus Herkunftsländern mitbringen. So könne man zur Zeit zum Beispiel auch eine zunehmende Polarisierung unter Menschen, die aus Eritrea stammen, beobachten. Flüchtlinge aus Bürgerkriegszeiten von vor über 25 Jahren treffen auf die Flüchtlinge von heute – mit einer völlig unterschiedlichen Sicht auf die Politik der dort Regierenden. Wenn man sich in solchen Auseinandersetzungen positionieren wolle, ohne ganze Gruppen auszugrenzen, bewege man sich auf „einem ganz schmalen Grad“....Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta