"Defensive Architektur": So fies planen Städte gegen Obdachlose

"Defensive Architektur" ist ein ziemlich euphemistischer Begriff. Doch was dahinter steckt, ist ziemlich perfide. Denn so sollen obdachlose Menschen aus den Städten ferngehalten werden.

Ein wohnungsloser Mann mit seinen Besitztümern auf einer Bank in Boston. Die Zwischenlehnen sind so gestaltet, dass sich niemand auf der Bank hinlegen kann. (Bild: Jonathan Wiggs/The Boston Globe via Getty Images)
Ein wohnungsloser Mann mit seinen Besitztümern auf einer Bank in Boston. Die Zwischenlehnen sind so gestaltet, dass sich niemand auf der Bank hinlegen kann. (Bild: Jonathan Wiggs/The Boston Globe via Getty Images)

Viele Gemeinden wollen wohnungslose Menschen aus dem öffentlichen Raum vertreiben. Dazu wird an vielen Orten sogar eine eigene städtebauliche Strategie entwickelt. Umständlich betitelt nennt sich das Ganze dann: "Crime Prevention through Environmental Design". Also eine Umgestaltung des öffentlichen Raumes, die Kriminalität verhindern soll. Dabei wird das längere Aufhalten an diesen Orten möglichst unangenehm bis unmöglich gemacht. Vertrieben werden so aber nicht nur Kriminelle, sondern auch oft Menschen ohne festen Wohnsitz.

So versuchen Städte, Menschen zu vertreiben

Beispiele dieser Architektur sind auch in Deutschland in fast allen Großstädten zu finden. Ob es eigens designte Bänke sind, auf denen es unmöglich ist, zu schlafen, laut gespielte Musik in Unterführungen, oder auch die berüchtigten "Taubenspikes", die nicht nur Vögel, sondern eben auch Menschen von Fensterbänken und Mauern fernhalten: Der Fantasie der "defensiven Architektur" scheinen kaum Grenzen gesetzt. Im Jahr 2022 wurde der Begriff in Deutschland sogar zum Unwort des Jahres gewählt.

In einem Erklär-Video setzte sich kürzlich auch der Youtuber Doktor Whatson mit dem Thema auseinander. In dem knapp siebeneinhalbminütigen Video zeigt er mehrere Beispiele der Obdachlosen-Vertreibung und weist auch auf die Problematiken hin. Der Clip wurde in nur fünf Tagen über 136.000 Mal angeschaut.

Wie gut diese Maßnahmen tatsächlich zur Kriminalitätsverhinderung wirken, ist in der Forschung umstritten. Sicher ist aber, dass sie keinesfalls zu einem Rückgang an Obdachlosigkeit führen. Im Gegenteil, meist verlagert sich der Aufenthaltsort lediglich an andere, entlegenere Stellen der Städte. Dort ist es oft gefährlicher und es gibt weniger Erreichbarkeit auch für Hilfsorganisationen und gemeinnützige Angebote. Der Effekt besteht aber durchaus darin, dass sich Passant*innen in den Innenstädten und Einkaufsstraßen nicht mehr mit der Thematik der Obdachlosigkeit auseinandersetzen müssen.

Ungemütliche Bänke, laute atonale Musik

Die Idee wurde bereits in den 60er Jahren entwickelt. In New York begann man beispielsweise in den 70er Jahren mit der im Englischen auch als "hostile", also feindselig, bezeichneten Architektur zu arbeiten. Dafür wurden eigens Bänke entwickelt, deren Lehnen so angebracht sind, dass sich niemand mehr zum Schlafen dort ausstrecken kann. Von Sozialen Einrichtungen gibt es zahlreiche Kritikpunkte an der aus ihrer Sicht menschenfeindlichen Stadtgestaltung.

Proteste gegen die menschenfeindliche Architektur

So musste die Deutsche Bahn nach Protesten zurückrudern, als sie ankündigte im Berliner S-Bahnhof Hermannstraße atonale Musik spielen zu lassen. Dennoch gibt es immer wieder Versuche, Orte so umzugestalten, dass sich Menschen dort nicht längerfristig aufhalten können. An manchen Orten soll Blaues Licht verhindern, dass sich drogenabhängige Menschen dort Spritzen setzen. In Berlin und Hamburg wurden an Orten, an denen sich viele Wohnungslose aufhielten, große Steinpoller verbaut, um sie als Aufenthaltsorte ungemütlicher zu gestalten. Mancherorts werden sogar Sprinkler-Anlagen gegen Obdachlose eingesetzt.