Defizite, Schulden und eine überfällige Neuausrichtung - Bahn-Experte: Nicht zu erwarten, dass Fernverkehr bald schwarze Zahlen schreibt

Deutsche Bahn am Scheideweg: Finanzielle Schieflage und Strukturprobleme erzwingen radikalen Wandel<span class="copyright">Getty Images/ brunocoelhopt/ stayorgo/ thamerpic/ hanohiki</span>
Deutsche Bahn am Scheideweg: Finanzielle Schieflage und Strukturprobleme erzwingen radikalen WandelGetty Images/ brunocoelhopt/ stayorgo/ thamerpic/ hanohiki

Die Betriebsprobleme der Bahn gehen Hand in Hand mit einer schweren wirtschaftlichen Krise. Beide erfordern dringend parallele Strukturreformen. Bahn-Experte Christian Böttger erklärt die Hintergründe.

In den letzten Jahrzehnten träumte das Management der DB AG davon, die DB AG zu einem globalen Logistikkonzern zu entwickeln. Die Eisenbahn in Deutschland diente als Plattform und Finanzquelle für diese Expansion. 2019 wurde rund die Hälfte des Konzernumsatzes mit bahnfernen Geschäften erwirtschaftet, insbesondere mit der Spedition Schenker, dem Betrieb von Eisenbahnen im Ausland und rund 30 Venture Capital – Beteiligungen. Die Transparenz der Zahlen ist sehr gering.

Insgesamt hat sich der Umsatz des DB – Konzerns trotz deutlich steigenden Schulden nur mäßig entwickelt. Eine Ausnahme ist die Entwicklung bei Schenker. In der Krise der Logistik während und nach Corona haben alle Logistikunternehmen ihre Preise erhöht. 2022 hat Schenker bei fast unveränderten Mengen 50 % mehr Umsatz gemacht und einen Milliardengewinn erzielt. Allerdings gehen alle Marktteilnehmer davon aus, dass sich die Preise wieder normalisieren werden.

Gewinnentwicklung DB - Konzern (in Mio. Euro)<span class="copyright">Christian Böttger</span>
Gewinnentwicklung DB - Konzern (in Mio. Euro)Christian Böttger

 

Der Gewinn geht seit einem Jahrzehnt stetig zurück. Die Eisenbahnsparten des Konzerns sind in den letzten Jahren fast alle in die Verlustzone gerutscht. Insbesondere die eigentlichen Bahnsparten.

 

Der Fernverkehr hat vor Corona solide Gewinne erwirtschaftet. Die Fahrgastzahlen haben sich zwar inzwischen erholt, aber die Gewinne sind eingebrochen. Hierzu tragen vor allem der Personalmangel und die abnehmende Pünktlichkeit bei. In den letzten 10 Jahren hat der Fernverkehr für 8 Mrd. € neue Züge beschafft, die Zinsen und Abschreibungen verursachen. Angesichts der betrieblichen Krise und der Bestellung weiterer Züge ist nicht zu erwarten, dass der Fernverkehr bald schwarze Zahlen schreiben kann.

Der Regionalverkehr war lange eine der Hauptgewinnquellen des Konzerns mit einer Umsatzrendite von 10 % und Kapitalrenditen von über 20 %. Hierzu trugen vor allem die alten Verkehrsverträge bei. Inzwischen sind wettbewerbliche Vergaben Vorschrift, entsprechend sind die Gewinnmargen geschrumpft. Zudem werden Regio und die Wettbewerber durch die Marktordnung belastet. Sie haften gegenüber den Auftraggebern, den Bundesländern, können aber bei Schlechtleistung die Infrastruktur nicht in Haftung nehmen. Unter dieser Fehlkonstruktion leiden auch die Wettbewerber.

Bei DB Cargo ist das Transportvolumen binnen 10 Jahren in einem wachsenden Markt um rund 25 % zurückgegangen, die Zahl der Loks und Mitarbeiter hat sich kaum verändert. DB Cargo erwirtschaftet seit 2015 rote Zahlen, seither hat der Konzern 4,3 Mrd. Euro an Verlusten ausgeglichen. Die EU-Kommission wird noch 2024 über ein Beihilfeverfahren entscheiden, da die der Verlustausgleich einen funktionierenden Markt stört. Erwartet, dass der Eigentümer künftig keine Verluste mehr ausgleichen darf. Daraufhin haben sich Management und Betriebsrat erstmals auf ein Sanierungsprogramm verständigt.

Die Infrastruktursparte, fusioniert aus Netz und Personenbahnhöfe, war jahrelang eine wichtige Gewinnquelle. Als Monopol unterliegen die Preise einer Regulierung, diese erlaubt jedoch sehr üppige Gewinne. Mit dem neuen Narrativ der plötzlich maroden Infrastruktur wurden 2023 keine Gewinne mehr ausgewiesen. Die zahlreichen Baustellen und betriebsbedingten Störungen führen zu Umsatzausfällen, die Kosten für Personal und für Bauleistungen steigen. Zudem bleibt die DB AG auf 6 Mrd. Euro Mehrkosten aus dem Fiasko mit Stuttgart 21 sitzen – die wirken zwar erstmal überwiegend in den Investitionen, belasten aber trotzdem.

DB Energie versorgt die Züge mit Strom und mit Diesel. Obwohl Teil der Infrastruktur, wurde die Sparte bisher nicht in die InfraGo integriert, sie erzielt stabile Gewinne.

 

Die Sparte Beteiligungen/Sonstiges ist sehr intransparent. Sie umfasst rund 60.000 Mitarbeitern und enthält sowohl die Konzernverwaltung, interne Dienstleister wie die IT-Sparte, Bahnbau und Fahrzeuginstandhaltung, aber auch internationale Betreiberaktivitäten (z.B. in Delhi, Kairo und Toronto) und etwa 30 Venture Kapital-Beteiligungen, u.a. für Drohnen und Drohnenflughäfen. Da nur aggregierte Zahlen veröffentlicht werden, ist unklar, ob und wer in diesem Segment Geld verdient oder verliert, insgesamt erzielt die Sparte einen Verlust von rund 500 Mio. €.

EBIT (unbereinigt) der DB Sparten in Mio. Euro<span class="copyright">Christian Böttger</span>
EBIT (unbereinigt) der DB Sparten in Mio. EuroChristian Böttger

 

Die Spedition Schenker trägt etwa 40 % zum Konzernumsatz bei. Nach 20 Jahren durchschnittlicher Gewinne, allerdings nur geringer Gewinnausschüttungen an den Konzern, sind Umsatz und Gewinn während Corona, wie bei allen Logistikfirmen, spektakulär angestiegen. Allerdings erwartet die Branche einen Rückgang. Der geplante Verkauf der Sparte erscheint sinnvoll.

Arriva betreibt Bus- und Bahnverkehr außerhalb Deutschlands. Die DB hat öffentlich lange behauptet, Arriva sei profitabel und eine „Ertragsperle“. Tatsächlich wurden immer nur geringe Gewinne erzielt, seit einigen Jahren ist Arriva wegen schlechter Leistungen in die roten Zahlen gerutscht. Die Sparte wurde jetzt verkauft, insgesamt hat die Bahn mit dem Invest rund 2 Mrd. Euro verloren.

Mit dem Verkauf von Arriva und Schenker verbleiben im Kern nur die Bahnaktivitäten in Deutschland. In dieser Struktur ist der Konzern dauerhaft auf Hilfe des Bundes angewiesen, wobei die EU zunehmend wegen verbotener Beihilfen eingreift. Ein Teil der liegt sicher an der Infrastrukturkrise und dem Personalmangel. Das vielleicht größte Problem ist die dramatische fallende Produktivität in allen Konzernsparten.

Produktivitätsentwicklung der DB Sparten (Leistungs-km je Vollzeit-Mitarbeiter)<span class="copyright">Christian Böttger</span>
Produktivitätsentwicklung der DB Sparten (Leistungs-km je Vollzeit-Mitarbeiter)Christian Böttger

 

Die km-Leistung je Vollzeitmitarbeiter ist binnen zehn Jahren um 20 % - 30 % gesunken. Das ist die Folge eines aufgeblähten Managements und falscher Entscheidungsstrukturen, die dringend einer Reform bedürfen.