Demo auf dem Roncalliplatz: Wie Lindenstraßen-Fans ihre Lieblingsserie retten wollen

Der Kölner Marcel Schenk setzt sich für die Fortsetzung der abgesetzten Serie ein.

Es ist das Klacken des VHS-Rekorders, den Marcel Schenk untrennbar mit der Melodie der Lindenstraße verbindet. Immer dann, wenn es seine Mutter – genauso ein Fan der Serie wie der Kölner – nicht pünktlich auf Couch vor dem Fernseher schaffte, lief eben die Kassette mit. Doch bald soll endgültig Schluss sein mit der Serie, die sich länger als keine andere im deutschen Fernsehen hielt. Mit dieser Gewissheit abfinden wollen sich eingefleischte Fans aber noch lange nicht: Gemeinsam mit Mitstreitern aus ganz Deutschland plant Schenk nun in Köln eine Demonstration gegen die Absetzung – ganz bewusst übrigens ohne die Schauspieler der „Lindenstraße“. An Falschmeldung geglaubt „Diese Straße schien endlos zu sein – bis heute.“ Als Ingo Zamperoni in den „Tagesthemen“ Mitte November 2018 diesen Satz ausspricht, sitzt Marcel Schenk vor dem Fernseher in seiner Wohnung in Ehrenfeld. Fassungslos, niedergeschlagen. Schon am Morgen waren erste Nachrichten über das Aus der Lindenstraße bekannt geworden. Doch erst jetzt, wo selbst das Nachrichtenflaggschiff der ARD das Ende seiner eigenen Sendung über den Äther verlautbart, glaubt auch der 41-Jährige nicht mehr an eine Falschmeldung. „Bis zum Schluss war ich überzeugt: Das darf nicht wahr sein. Dieser Moment schien einfach nicht real“, erzählt der Fan der ersten Stunde. „Ich habe nie damit gerechnet, dass der Tag kommen würde, an dem es die Serie nicht mehr geben könnte. Vielleicht war das im Nachhinein auch etwas naiv, aber ist auch ein Kompliment an die Macher, dass sich eine Serie derart einbrennen konnte.“ An diesem Abend geht er erst spät zu Bett. Lange noch sitzt er vor dem Bildschirm, schiebt alte Lindenstraße-DVDs in den Player, schwelgt in alten Erinnerungen – und schaut seine Lieblingsfolge: Schon Jahre ist es her, dass die „Lindenstraße“ eine Fenstersturzszene in dem Ehrenfelder Hochhaus drehte, in dem auch Schenk Jahre gelebt hatte. „Da sah man dann sogar meine Garage. Ich war damals zwar schon ausgezogen, aber für mich war das ein Zeichen, dass die Sendung immer da war, wo ich auch gerade war.“ Für die Fans ist das Ende unbegreiflich Parallelen zu seinem eigenen Leben zieht er schon, als er die Serie gemeinsam mit seiner Mutter als Achtjähriger ab Folge eins verfolgt. „Meine Mutter hat damals immer gesagt: Schau, dass du nicht so frech wirst wie Klaus Beimer“, berichtet Schenk. Von da an sei der damals ebenfalls achtjährige Charakter seine Bezugsperson gewesen, die gemeinsam mit ihm in der Serie älter und erwachsen wurde. „Dass man sich so verbunden fühlt mit den Charakteren und der Geschichte, das war etwas ganz Besonderes.“ Und dann noch das: Der erste schwule Kuss in einer deutschen TV-Serie, Essstörungen, AIDS, Erdogan, Veganismus, die Flüchtlingskrise oder Rassismus – jahrzehntelang habe die „Lindenstraße“ versucht, den Puls ihrer Zeit zu treffen. „Es gibt einfach keinen gesellschaftlichen Komplex, den die Lindenstraße nicht behandelt hätte. Das hatte sonst einfach keine andere Serie“, sagt Schenk. Dass nach 30 Jahren nun Schluss sein soll, ist für den Kölner Fan auch deshalb schlichtweg unbegreiflich. Jahrzehntelang hatten er und seine Mutter die Sonntage nach der Serie geplant, sogar das Gassigehen mit dem Hund auf den Sendetermin um 18.50 Uhr ausgerichtet, in Italien versucht, eine deutsche Fernsehzeitung zu finden, um wenigstens schon die Programmvorschau der kommenden Folge lesen zu können. Letzte Sendung im März 2020 Und nun soll nach dem Willen der Programmverantwortlichen im März 2020 die letzte Folge der „Lindenstraße“ über die Fernsehbildschirme flimmern. Schuld an der Absetzung sollen die schlechten TV-Quoten sein – die letzte Folge mit zweistelligem Marktanteil liegt fünf Jahre zurück. Bei Schenk mag dieses Argument nicht so recht ziehen. „Die Sendung ist fast immer unter den Top 5 der meistgesehenen Sendungen des Sonntags“, sagt er. „Deshalb habe ich für die Absetzung überhaupt kein Verständnis. Da muss man nicht als Fan froh sein, dass die Sendung so lange lief, sondern als Verantwortlicher dankbar, so eine Serie im Programm haben zu dürfen.“ Es dauerte nach dem Schock keine 24 Stunden, da hatte sich der Kölner schon im Internet mit anderen Fans der Serie verbunden: Was tun nach der Hiobsbotschaft? Die Serie gemeinsam in Ehre zu Grabe tragen? Keine Option. Um ihrem Anliegen um ein Fortbestehen Ausdruck zu verleihen, bombardierten die Fans die Programmverantwortlichen mit Briefen und Mails, riefen sogar Petitionen ins Leben – und wunderten sich, dass von offizieller Seite anscheinend zumeist nur Textbausteine als Antwort zurückkamen. Eintausend Anhänger erwartet „Das hat uns sehr geärgert, dass dem Sender offensichtlich egal ist, was die Zuschauer denken – und so kamen wir auf die Idee, dass wir uns anders Gehör verschaffen wollen.“ Nun soll es soweit sein: Für den kommenden Samstag hat Schenk ab 14 Uhr gemeinsam mit anderen Fans aus ganz Deutschland eine Demonstration auf dem Roncalliplatz angemeldet. Rund eintausend Fans werden erwartet. Mit Darstellern der Serie wollen sich die Organisatoren übrigens bewusst nicht zusammenschließen, denn das könne davon ablenken, dass es letztendlich die Fans sind, die für den Fortbestand der Serie kämpfen wollen. Ob das gelingen wird? Schenk glaubt: Die Chance liegt zumindest bei 50 zu 50....Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta