Der Deutschland-Kurier wird mein liebstes Käseblatt

Der Deutschland-Kurier will mit schrillen Schlagzeilen das Abendland retten (Bild: Screenshot/Deutschland-Kurier)
Der Deutschland-Kurier will mit schrillen Schlagzeilen das Abendland retten (Bild: Screenshot/Deutschland-Kurier)

Endlich mal keine Fake-News, sondern ungeschönte Fakten. Hier kommt die Zeitung zur Rettung des Abendlandes

Eine Satire von Jan Rübel

Heute Morgen war ich recht enttäuscht. Der „Deutschland-Kurier“ sollte eigentlich in meinem Briefkasten liegen, er war angekündigt worden – jenes Blatt, welches von einem der AfD nahe stehenden Verein herausgegeben wird, also ein AfD-Blatt ist und die konservative Wochenzeitung in Deutschland werden will. Da war ich gespannt.

Aber womöglich verhinderten linke Mainstreamkräfte durch einen feigen Anschlag auf Briefträger oder –kasten, dass ich mich endlich mal bilde. Schließlich verspricht der Chefredakteur „Klartext“, so heißt seine Kolumne, die ich dann frustriert online las. Da fand ich mich sofort angesprochen: „Wir werden Ihnen Nachrichten, Hintergründe und Denkanstöße zu Themen liefern, die von den Mainstream-Medien entweder ‚regierungskonform‘ abgehandelt, verfälscht und geschönt oder gar totgeschwiegen werden.“

Kommentar: Geh doch nachhause, Mann!

Ich ahnte es bereits. In Deutschland findet keine Aufklärung mehr statt, was wir lesen, ist alles, aber auf jeden Fall falsch. Welch ungeheure Verschwörung! Aber es gibt ja nun ein gallisches Dorf, das Widerstand leistet, oder in den Worten eines Autoren des Deutschland-Kuriers: „Die Meinungsfreiheit lebt nur noch im Internet und dank Projekten wie dieser Zeitung“. Das klingt verwegen, todesmutig. Zwar frage ich mich, ob es um die Meinungsfreiheit in der Eckkneipe wirklich so schlecht bestellt ist, oder bei der „FAZ“, die es immer wieder schafft, aus einer neuen Perspektive gegen die Ehe für alle zu granteln – aber die FAZ kriegt auch ihr Fett ab: Da regt sich ein Artikel darüber auf, dass die Zeitung aus Frankfurt am Main die böse Frage gestellt habe, wie viel NSDAP in der AfD stecke – „und kam zum Ergebnis: Gar nichts! Das war von vornherein klar, ein Blick ins Wahlprogramm der AfD hätte genügt“, heißt es dort unter der Schlagzeile „Verleumdung“. Nun, ich hab den Artikel in der FAZ dann gelesen und musste feststellen, dass es sich um einen Gastbeitrag handelte, nämlich eines Politikprofessors, und dass er durchaus Gemeinsamkeiten zwischen AfD und NSDAP herausarbeitete: Da ist die starke Angst- und Protesthaltung, dass Arbeiter erfolgreich angesprochen werden, dass weniger Frauen und weniger Katholiken für sie stimmten, dass beide keine Parteien der Arbeitslosen waren, dass die sozialen Inhalte mit der Zeit zunahmen – kurz: Unter „nichts“ verstehe ich anderes, aber zum Glück zeigt der Autor dieses kurzen Artikels, wie viel der alten Vergangenheit in ihm steckt, und zwar im letzten Satz: „Wie viele Denunzianten stecken hinter der FAZ?“ Ja, die hatten wir mal, die Denunzianten, und die Vergangenheit lebt fort. Helm auf!

Schüsse aus der Witzkanone

Überhaupt sind viele Artikel ein wenig kurz, aber dafür mit vielen Ausrufezeichen garniert. Da fragt die Schlagzeile, ob Merkel irrer als Trump ist, und als Hobbypsychologe wollte ich dem gleich nachgehen, nur lamentiert der Text etwas über die Geschmeidigkeit der Kanzlerin, ihre Generalsekretäre und dann – endet er.

Entschädigt wurde ich durch eine Kolumne, „Bartels Breitseite“ nennt sie sich. Klassetyp auf dem Foto, Schnurbart in der Farbe der Pelzmütze auf dem Kopf, Sonnenbrille vor wissend lächelnden Augen und Fluppe im Mund, das hat was von Quack, dem Bruchpiloten. „Ich würde am liebsten aus Deutschland fliehen, weil eine Frau zwar Fünfjahrespläne erfüllen gelernt hat, aber Deutschland gerade abgeschafft hat“, mosert er. Merkel, klar, eine Ossi. Zwar verwechselt der Herr Bartels ein wenig die Landsmannschaften, indem er den Badenser Wolfgang Schäuble als Schwaben bezeichnet, aber sei’s drum: Herrlich, wie er die ostdeutschen Wähler der AfD abwatscht – über Ossi-Merkel schreibt er, „von Geld hat sie schon immer nie Ahnung gehabt; im Osten gabs nur ‚Alu‘, im Westen kassierte sie ‚plötzlich und unerwartet‘, ohne je einen Finger zu rühren, Staatsknete wie Lotto.“ Jawoll, der Ossi an und für sich kann nicht mit Geld umgehen, der muss von Quack an die Hand genommen werden.

Kommentare: Sieben Lehren aus G20 in Hamburg

Da ist es egal, wenn als Beispiele für die „Flüchtlingspolitik“ immer Ereignisse aus 2014 zitiert werden, danach ist ja kaum etwas passiert, Katastrophe war schon immer. Oder dass Griechenland und Italien keine rückkehrenden Geflüchteten aufnehmen – die beiden Länder haben ja eh kaum einen bei sich zu Gast. Apropos Gast – Griechenland gastiert mal als „Ouzo-Land“, mal gibt es dort einen „Ouzo-Tisch“; lustig muss es bei den Redaktionssitzungen zugehen. Ist Ostfriesland dann in der nächsten Ausgabe das Korn-Land, und Schwaben das Trollinger-Land? Wäre humorvoll.

Ich habe jedenfalls bei der Lektüre viel gelernt. Es gibt bei uns eine „Sozialindustrie“, und auch „Normalbürger“ – die fahren Auto, denn sie werden von einer „autofeindlichen Verkehrspolitik gegängelt“, und, nun kommt es ganz dicke, „statt die Straßen sicherer zu machen, will der Senat (von Berlin) ‚sexistische‘ Plakatwerbung verbieten“. Da hört aber der Spaß auf! Auf vieles kann ich verzichten, darauf aber nicht. Ich ahnte es. Die AfD und ihr Blatt haben vor allem eine Agenda: die Hebung des Humors.

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