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Was der Erste Weltkrieg von damals uns heute lehrt

Vor genau hundert Jahren kapitulierten die deutschen Soldaten und beendeten damit einen Krieg bisher unbekannten Ausmaßes. Der Horror war vorbei. Doch seine Geister wirken noch heute.

Das Douaumont Ossarium in Verdun, Frankreich: Hier ereignete sich eine der größten Schlachten während des Ersten Weltkriegs. Rund 16.000 deutsche und französische Soldaten verloren ihr Leben. (Bild: Getty Images.
Das Douaumont Ossarium in Verdun, Frankreich: Hier ereignete sich eine der größten Schlachten während des Ersten Weltkriegs. Rund 16.000 deutsche und französische Soldaten verloren ihr Leben. (Bild: Getty Images.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als am 11. November 1918 in einem Waldstück des nordfranzösischen Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, in einem Eisenbahnzug, lag mein Großvater im Lazarett. Der Krieg, den man den ersten weltweiten nannte, hatte ihm die Beine genommen.

Er gehörte zu jenen verdammten Soldaten, die in der Schlacht um Verdun die Festung Fort Vaux einnehmen sollten, ein sinnloser Stellungskrieg, verbissen um jeden Meter geführt. Irgendetwas traf meinen Großvater, er lag zwei Tage allein in einem Graben, bis deutsche Soldaten ihn fanden und mitnahmen; im Lazarett wurde ihm ein Bein abgenommen und das zweite halbwegs zusammengenagelt, damit es dranblieb, aber kaum mehr als eine steife Stütze war; am Eisernen Kreuz jedenfalls, das er erhalten hatte, konnte er sich nicht festhalten.

Wie in meiner Familie gibt es in vielen diese Geschichten, die bis heute nachwirken. Die Traumata, die inneren und äußeren Verletzungen, die Verhärtungen, weitergegeben an die nachfolgenden Generationen – all dies wirkt auch im Jahr 2018, und an diesen Prägungen ist nichts positiv.

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Am Ende des Ersten Weltkriegs, nach vier langen Jahren, hatten neun Millionen Menschen ihr Leben verloren, 20 Millionen waren verwundet worden. Insgesamt hatten sich 25 Staaten mit rund 1,4 Milliarden Menschen im Kriegszustand befunden, was circa drei Viertel der damaligen Erdbevölkerung entsprach.

Warum nur?

Diese horrenden Zahlen müssen doch auf einen Grund zurückführbar sein, denkt der Leser, es muss doch schwerwiegende Motive dafür gegeben haben, dass sich Menschen in Regierungsverantwortung auf diese Grausamkeiten an anderen und an ihren eigenen Leuten einließen.

Die Antwort auf diese Frage ist banal. Es ging im Ersten Weltkrieg um nichts anderes als um die Frage, wie egoistisch und machtversessen eine Regierung tickte. Leider hörte man 1914, vor Beginn des Krieges, dieses Ticken recht gut. Damals konnte man zwar noch quer durch Europa fahren, ohne seinen Pass zu zeigen. Aber in den europäischen Regierungen wuchs der Nationalismus, die Überzeugung, Probleme nicht multilateral anzugehen, sondern im Alleingang. Großbritannien und Frankreich agierten geostrategisch, wollten ihre Macht ausbauen, neue Kolonien hinzugewinnen. Und Deutschland fühlte sich angeblich „eingeengt“, was heißt: Man wollte auch was vom Kuchen. Nationaler Egoismus ist Nationalismus, ein Wort übrigens, dessen sich unlängst Donald Trump rühmte. Auch Politiker der AfD können ihm einiges abgewinnen. Nationalismus führte die Welt in den Krieg, und Nationalismus sorgte auch nach dessen Ende für nächstes Unheil: Die „Siegermächte“ diktierten den „Verlierern“ wie Deutschland Verträge auf, die horrende Reparationen beinhalteten. Die Menschen litten unter diesen sehr, die junge Demokratie musste die Suppe auslöffeln, welche Nationalisten in der Monarchie ihr eingebrockt hatten und nun umso lauter schrien ob der Ungerechtigkeiten bei den Reparationen.

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Es gibt immer eine bessere Lösung

Dabei hätte es 1918 auch anders kommen können. Damals gab es einen US-Präsidenten, der im Gegensatz zum amtierenden im Nationalismus keinen positiven Wert sah. Woodrow Wilson entwarf in einer Rede vor dem Kongress seine berühmten „14 Punkte“, in denen er eine Rückkehr zu mehr Miteinander und die Gründung eines Völkerbundes forderte. Den kolonisierten Ländern stellte er das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ entgegen, plädierte für offene Friedensverträge und ein Wegfallen von Handelsschranken für alle Länder, die solchen Verträgen beitreten. Wilson schwebte keine Hierarchie von Siegern und Besiegten vor. Doch er setzte sich nicht durch, galt als Idealist – und nach ihm setzte eine neue Form von Isolationismus ein, wie wir ihn heute unter Trump kennen.

Übrigens kam der Zugwaggon im Wald von Compiègne noch einmal zum Einsatz. Nachdem die nationalistischen Nazis endlos über die Friedensverträge mit den hohen Reparationen gezetert hatten, schließlich die erste Gelegenheit zum Putsch gegen die Demokratie genutzt und einen Krieg gegen Frankreich lostraten, den sie vorerst gewannen, ließ Adolf Hitler, der sentimentale, im Jahr 1940 den Waffenstillstand der französischen Soldaten in jenem Waggon unterzeichnen. Das fand er wohl toll. Was dann noch bis 1945 folgte, ist bekannt.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber sie lehrt, was den Menschen hilft und was nicht.

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