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Der Metal-Eulenspiegel: US-Musiker erschwindelt sich Headliner-Tour

Jered Threatin erschuf sich die Musikkarriere, die er gerne hätte, einfach online. Und tut jetzt so, als sei das alles Absicht. Ein Lehrstück über das Musikbusiness in Zeiten von Social Media, die Moral: Trau keinem Account, den du nicht selbst gefälscht hast!

Jered Threatin bastelte sich eine eigene Karriere im Internet – und die Musikwelt fiel darauf rein (Bild: Facebook/Threatin)
Jered Threatin bastelte sich eine eigene Karriere im Internet – und die Musikwelt fiel darauf rein (Bild: Facebook/Threatin)

Es wird wohl unbeantwortet bleiben, ob die ganze Geschichte ein genialer Internet-Hoax oder einfach der dreiste Betrugsversuch eines narzisstischen Musikers ist. Bescheidenheit kann man Jered Threatin zumindest beim besten Willen nicht vorwerfen. In der Biografie seiner Spotify-Seite beschreibt sich der Heavy Metal Musiker aus Los Angeles wie folgt: „Die Welt hat selten so viel Talent in einer einzelnen Person vereint gesehen.“

Nun war Größenwahn schon immer ein beträchtlicher Teil des Rockgeschäfts und wer weiß schon, ob nicht auch ein Funken Wahrheit darin liegt? Das müssen sich auch zahlreiche Veranstalter in ganz Europa gedacht haben, die Threatin für seine Tour gebucht haben. Warum auch nicht, schließlich hatte der US-Metaller einiges vorzuweisen: Hunderte von im Voraus verkauften Tickets für seine Europa-Tour, unzählige Follower, Videos von ausverkauften Konzerthallen.

In London erschienen nur drei Zuschauer

Die Crux daran? Nichts davon entsprach der Wahrheit. Skepsis kam bei den Veranstaltern spätestens auf, als auf der Tour die Konzerte plötzlich komplett leer waren. In London kamen zu seinem Gig nur drei Zuschauer.

Doch das war nicht alles. Denn über die gefälschten Vorverkaufszahlen hinaus stellten sich viele der Social Media Follower als gekauft oder gleich komplett gefakt heraus. YouTube-Kommentare waren ebenso von Threatin gekauft worden und die Videos, die seine vollen Auftritte zeigten, hatte er im Nachhinein zusammengeschnitten.

Wie absurd schnell so eine Spirale überdrehen kann, hat bereits der Engländer Oobah Butler mit seinem Hoax gezeigt. Der Journalist schaffte es, seine Gartenhütte durch einen künstlich aufgebauschten Hype zum Nummer-Eins-Tipp für London auf Trip Advisor zu machen – und servierte den glücklichen Besuchern, die in dem „ausgebuchten“ In-Schuppen einen Tisch ergattern konnten dann Tiefkühllasagne.

Threatin spinnt das Spiel mit seiner Geschichte noch ein bisschen weiter. Auch ein Musiklabel und einen Booking-Agentur erfand Threatin für seine Glaubwürdigkeit.

Gekaufte Likes sind Standard in der Branche

Eigentlich heißt Threatin Jered Eames, kommt aus dem Städtchen Moberly in Missouri und hatte schon vorher mit einer Deathmetal Band namens „Saetith“ sehr überschaubaren Erfolg. Sein Bruder, ebenfalls Musiker, erzählte in einem Interview, dass Jered schon früher gefälschte Facebook-Seiten für seine Bands anlegte. Dieses Mal versuchte er es einfach andersherum und kreierte den eigenen Ruhm einfach online vor dem musikalischen Erfolg.

Renommierte englische Nachrichtenmedien wie die “BBC News” und der “Guardian” nahmen die Geschichte auf, von da an machte sie die Runde durch den weltweiten Medienzirkus. Threatin porträtiert sich selbst als einen genialen Künstler, der die ganze Musikszene an der Nase herumgeführt hat und dabei die Mechaniken der modernen medialen Welt entblößt hat. Auf Twitter schrieb er: „Was sind Fake News? Ich hab aus einem leeren Raum eine internationale Schlagzeile gemacht. Wenn du das hier liest, dann bist du Teil dieser Illusion.“

Ganz unrecht hat er damit nicht, denn das Geschäft mit gekauften Likes ist inzwischen gang und gäbe. Eine Firma wie Devumi hat sich darauf spezialisiert, für ihre angeblich über 200.000 Kunden gefakte Social Media Anhänger aufzubauen. Unter den Nutzer sind auch unzählige Promis, Musiker, Sportstars und Politiker. Das Konzept funktioniert auf jeder Plattform, von Twitter bis YouTube.

Nicht einmal die Band wusste Bescheid

Diesen Kreis aus sich selbst erzeugender Relevanz hat Threatin mit seinem kleinen Gaunerstück tatsächlich bloßgestellt. Und auf die Spitze getrieben. Denn nicht mal die Bandmitglieder, die er für die Tour angeheuert hatte, waren im Bilde. Nicht sehr überraschend setzten sich der Gitarrist Joe Prunera und der Drummer Dane Davis mitten in der Tour ab. Begeistert waren die Berufsmusiker nicht gerade, als sie Threatin auf die Schliche kamen. Die Band war da gerade in Nordirland, wieder einmal vor leeren Rängen. Alle weiteren Gigs der Tour wurden danach abgesagt.

Davis war wie die anderen Musiker auch eigens für die Tour gecastet worden. Sein erster Eindruck von Threatin? „Es war alles sehr entspannt und er wirkte sehr bodenständig,“ beschreibt der Drummer das erste Treffen. Zwar fand er den Social Media Auftritt etwas ungewöhnlich, aber es kam ihm nichts an Threatins Auftreten sonderbar vor. Ein paar Monate später ist er nun Teil der absurdesten Musikgeschichte des Jahres.

Das Konzept ging auf – scheinbar

Ob das nun wirklich alles von Beginn an so geplant war, weiß nur Jered Threatin selbst. Eins ist klar: Sollte Ruhm sein Hauptmotivator gewesen sein, dann war Threatin vermutlich erfolgreicher, als er es mit jeder Tour hätte sein können. Sein Top-Song auf Spotify ist innerhalb von einer Woche von 1000 auf 6000 Hörer gesprungen, seinem Account folgen knapp 1400 Menschen, auf Youtube hat sein Song „Living is Dying“ hat über 1,1 Millionen Aufrufe – angeblich. Denn wenn dieses Geschichte eine Lehre hat, dann die, dass man dem Hype um Stars und Trends nicht bedingungslos glauben sollte.

Ach ja, und die Musik? Die hört sich ein bisschen an, wie jede x-beliebige Schüler-Metalband aus den 90ern. Die Tour hatte übrigens den Titel „Breaking the World“ – das Internet hat er in jedem Fall schon mal gut zum Splittern gebracht.