"Das ist ein Desaster" - Markus Lanz streitet mit Karl Lauterbach über Schulschließungen in Deutschland

Markus Lanz stritt mit Karl Lauterbach über Sinn und Unsinn der Schulschließungen in Deutschland. Der SPD-Politiker lobte die bisherigen Maßnahmen und hielt für alle geplagten Eltern noch eine unangenehme Botschaft bereit.

"Ich bleibe dabei: Wir hätten die guten Erfolge mit den vergleichsweise niedrigen Todesfällen ohne die Schulschließungen nicht hinbekommen", erklärte der Epidemiologe und SPD-Politiker Karl Lauterbach als Gast der ZDF-Sendung "Markus Lanz" am Donnerstag. Zuvor hatte Moderator Markus Lanz die geschlossenen Schulen als "unhaltbaren Zustand" bezeichnet, den er nicht mehr verstehe. Er verwies auf den Streit zwischen "Bild" und dem Virologen Christian Drosten um dessen auch in Wissenschaftskreisen umstrittener Studie zur Virusanfälligkeit von Kindern. Länder wie Dänemark würden es doch auch anders angehen, sagte Lanz. "Was wir jetzt machen, ist ein Desaster", behauptete er.

Doch sein Gast, der in vielen Talksendungen der letzten Wochen stets den pessimistischen Mahner gegeben hatte, verwies lieber darauf, dass die Fallzahlen in Deutschland einfach zu niedrig für aussagekräftige Studien seien. Was er stattdessen zu sagen hatte, werden viele Eltern nicht gern hören: "Ich würde alles daran setzen, dass wir mit ausgedünnten Klassen und viel Lüften und begleitenden Lernangeboten für zu Hause die Schüler gut ausbilden. Ich würde mich aber nicht darauf verlassen, dass wir im Herbst in der Lage sind, die Schulen mit ganzer Klassengröße zu öffnen."

Das wollte Lanz nicht gelten lassen und verwies auf eine aktuelle Studie der Universität Heidelberg mit dem Ergebnis: "Ja, wir können die Schulen wieder aufmachen." Lauterbach widersprach: "Das ist nicht aussagekräftig. Wir haben in Deutschland sehr wenige Fälle, das heißt, die meisten Kinder sind schlicht nicht ansteckend." Im Herbst könne sich das schnell ändern, wenn wieder mehr Menschen in den Innenräumen seien, und dann könnten sich auch viel mehr Kinder wieder anstecken und das Virus in den Klassenzimmern weitergeben. Lauterbachs Rat: Um jegliches Risiko zu vermeiden, würde er für die Zeit nach den Sommerferien die Klassenzimmer ausdünnen, ausreichend lüften und einen Teil des Unterrichts im nächsten Halbjahr auch weiterhin digital anbieten.

"Ich will nicht der Miesepeter mit den schlechten Nachrichten sein"

Wenig überraschend hatte Lauterbach zuvor Bilder einer feucht-fröhlichen Massenkundgebung vom Berliner Landwehrkanal, aufgenommen am Pfingstwochenende, scharf kritisiert. Die eingespielten Szenen, so der SPD-Politiker, vermittelten den Eindruck, die Pandemie sei vorbei. Das sei jedoch "das völlig falsche Signal", und überdies sei es "respektlos, dass man vor dem Krankenhaus feiert, wo drinnen noch die Leute liegen, die beatmet werden". Lauterbach: "Wenn das so weitergeht, wird daraus klar die zweite Welle folgen."

Den Einwand des Moderators, Lauterbach habe schon oft vor einer "zweiten Welle" gewarnt, die aber bislang nicht gekommen sei, beantworte der "Markus Lanz"-Seriengast mit neuen Erkenntnissen: "Womit wir als Epidemiologen nicht gerechnet haben, ist die Bedeutung Einzelner, die sehr ansteckend sind." Dass die sogenannten "Superspreader" einen "so großen Teil der Pandemie erklären", sei für ihn und seine Kollegen in der Wissenschaft eine Überraschung gewesen. Den Effekt dieser "Superverbreiter" habe man durch Maskenpflicht und das Verbot von Großveranstaltungen effektiv eindämmen können. Er wolle nicht auch "der Miesepeter" sein, der nur schlechte Nachrichten überbringe, erklärte Lauterbach. Und doch gebe es auch hier eine Kehrseite: "Die schlechte Nachricht ist, wenn ich Superspreader etwa in Schulen habe, muss ich sehr viel gleichzeitig schließen."