Sind deutsche Ladesäulen "Toaster"? Insider warnt vor gravierendem Problem

Deutschland spielte eine führende Rolle beim Ausbau des öffentlichen Ladenetzes in Europa. Doch ein Branchenexperte warnt: Das Land könnte bei der Ladetechnologie bald ins Hintertreffen geraten.

Jörg Heuer, Geschäftsführer von EcoG, einem führenden Unternehmen für Ladesäulen-Software in Europa, äußerte in einem Interview mit Ippen.Media Bedenken. Er warnte davor, dass viele öffentliche Ladesäulen in Deutschland zu "Ladeleichen" werden könnten, falls Hersteller und Betreiber nicht rechtzeitig Maßnahmen ergreifen.

Der Grund dafür ist, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ früh mit dem Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur begonnen hat. "Ich glaube, Märkte, die früh gestartet sind, müssen eine gewisse technologische Entwicklung durchlaufen", meint Heuer im Gespräch mit Ippen.Media. "Der erste Teil, den wir – glaube ich – gut gelöst haben, sind die unterschiedlichen Standards und Normen der Schnittstellen zwischen Ladeinfrastruktur und Fahrzeugen." Zudem stellt sich die Frage, ob langsames AC-Laden oder das schnellere DC-Laden die bessere Wahl ist. "Was all diese Themen betrifft, findet eine Lernkurve statt", erklärt der EcoG-CEO weiter. "Das Problem ist, dass in der Ladeinfrastruktur nicht wie bei den Fahrzeugen über die Zeit ein signifikanter Austausch stattfindet."

"Klein-klein der Hersteller" könnten den Ausbau des Ladenetzes bremsen

Im Gegensatz zu den schnell wechselnden E-Auto-Modellen stehen öffentliche Ladesäulen "wahrscheinlich bis zu 15 Jahre im Feld". Daher ist es wichtig, bereits jetzt darüber nachzudenken, wie diese Infrastruktur langfristig nachhaltig gestaltet werden kann. "Da heißt es dann zwar, wir haben doch in Deutschland genug Ladepunkte, nur sind halt viele davon für eine schnelle Versorgung der neueren Fahrzeuge ungeeignet", so Heuer.

Laut Heuer haben Länder wie Indien in dieser Hinsicht einen Vorteil. Der Subkontinent hat die anfängliche Lernkurve einfach übersprungen, meint der Experte. "Hier in Deutschland sind wir ab 2012 gestartet, also sieben Jahre vorher und da tut sich jetzt Indien leichter, weil gleich entsprechend stark in die Schnellladeinfrastruktur investiert werden kann."

Deutschland und Europa haben laut dem Experten bereits Fortschritte bei der Vereinheitlichung von Ladestandards und -steckern erzielt. Auch das Chaos um Ladekarten und Bezahlmethoden habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dennoch, so warnt Heuer, sei es wichtig, auch die Skalierung der Ladeinfrastruktur weiter zu harmonisieren.

"Wenn dieses Klein-klein der Hersteller weitergeht und man nicht festlegt, wie eine Standard-Ladesäule gebaut werden muss, dann glaube ich, können wir nicht ausreichend schnell skalieren. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass die Ladeinfrastruktur aktualisiert werden kann. Wahrscheinlich 80 Prozent der derzeitigen Ladesäulen sind eine Art Toaster – die funktionieren nur so wie gekauft." Da könne solche Regulierungen gar nicht umgesetzt werden. "Das heißt, man hat dann einen ganzen Altbestand, der eigentlich nicht mehr artgerecht funktioniert, aber trotzdem an den Straßen steht. Bei dem Thema muss gesagt werden: Wer als Ladesäulen-Anbieter in den Markt eintritt und diesen bedient, muss auch dafür sorgen, dass in der Laufzeit sein Produkt entsprechend aktualisiert werden kann."

Updates unerlässlich, um veraltete Ladesäulen zu verhindern.

Die Aktualisierbarkeit der Ladeinfrastruktur sicherzustellen, ist laut Heuer "unabdingbar". "Wenn wir das nicht stärker in den Vordergrund rücken, dann entwickeln wir im Straßenbild zunehmend "Ladeleichen". Wir sehen das schon jetzt, weil der Markt sehr dynamisch ist", so der EcoG-Chef. Der Experte nennt als Beispiel frühe Anbieter wie den mittlerweile insolventen Ladesäulenhersteller Tritium. Dessen Infrastruktur sei zwar noch vorhanden, aber schwer zu bedienen. "weil die nicht aktualisiert werden können. Die Infrastruktur steht sehr lange und stellt ein sehr hohes Invest dar. Da muss genau überlegt werden, wie wir diese up to date halten können. Sonst führt das dazu, dass kaum mehr jemand diese Ladestationen anfährt und sie damit zu "Denkmälern" einer frühen Phase der E-Mobilität verkommen."

Laut Heuer gehen große Märkte wie Indien und China, die relativ spät gestartet sind, effizienter vor. "Was wir aus Indien lernen können, ist dieser starke Fokus auf DC-Schnellladen. Die werden relativ schnell in neue Architekturen gehen, das heißt, die Anzahl der Hersteller, die lokal in den Markt eintreten, ist massiv. Die schauen sich genau an, wie sieht eigentlich so eine Architektur einer Ladesäule aus". Indien ist auch bei den Zahlungsmethoden weiter fortgeschritten: Statt auf Plastikkarten setzt das Land überwiegend auf Smartphone-basierte Zahlungen. "Das wird in die Software-Funktion der Ladesäulen integriert, nicht mehr mittels Terminal", so Heuer, "denn die sind teuer und machen schnell zehn Prozent eines Laders aus."

China, als stärker regulierter und schneller skalierender Markt, ist vielen anderen Regionen ebenfalls voraus. Zwar verwendet das Land mit GB/T einen eigenen Ladestandard, doch auch hier sei die Ausrüstung auf einem fortschrittlichen Niveau. "entsprechend durch die Betreiber so organisiert, dass es aktualisierbar ist und drumherum ist eine sehr gute Logistik etabliert."

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