Deutscher gründete Immucura - Wundermittel aus Spanien soll Krebs heilen – warum Experten davor warnen

<span class="copyright">Getty Images/Science Photo Libra</span>
Getty Images/Science Photo Libra

Die spanische Firma Immucura bietet schwerkranken Krebspatienten eine teure Zelltherapie an. Dahinter steckt ein deutscher Gründer. Die Wirksamkeit der Therapie ist fraglich, die Arbeit der Labore undurchsichtig. In Spanien laufen Ermittlungen.

Rund 1,6 Millionen Menschen sind derzeit allein in Deutschland an Krebs erkrankt. Für viele gibt es bewährte Methoden, um den Tumor zu bekämpfen: Chemotherapien, Bestrahlungen, Operationen. Für manche Krebsarten stehen die Erfolgschancen allerdings nach wie vor schlecht. So zählt etwa Bauchspeicheldrüsenkrebs noch immer zu den aggressivsten und tödlichsten Krebserkrankungen. Nur etwa elf Prozent der Betroffenen leben nach der Diagnose länger als fünf Jahre.

Wenn Therapien nicht anschlagen, greifen manche Krebspatienten verständlicherweise nach jedem Strohhalm, um gesund zu werden. Dazu zählen auch alternative Heilmethoden. Gefährlich wird es dann, wenn diese eine Menge Geld kosten, aber komplett wirkungslos oder möglicherweise sogar gefährlich sind. Und wenn Patienten auf eine medizinisch notwendige Behandlung verzichten, in der Hoffnung, eine alternative Methode heile ihre Erkrankung schneller oder besser. Oder wenn das fragwürdige Mittel in Wahrheit sogar noch kranker macht.

Immucura verspricht Krebsheilung durch Zelltherapie

Eines dieser vermeintlichen Wundermittel ist Immucura. Es verspricht schwerkranken Patienten Heilung – und zwar von fast allen Krebsarten. Möglich soll das sein durch eine sogenannte dendritische Zelltherapie. Sie soll den Immunzellen beibringen, den Krebs selbst zu bekämpfen. Kostenpunkt der Behandlung: mindestens 40.000 Euro.

Gründer von Immucura ist Johannes Schumacher. Er ist weder Mediziner noch Krebsforscher. Früher war er Geschäftsführer eines Urlaubsresorts in Spanien. Bis sein Vater 2014 an Krebs erkrankte. Geholfen habe ihm keine der herkömmlichen Behandlungsmethoden. So sei der Sohn auf der Suche nach einem Heilmittel für den Vater auf die dendritische Zelltherapie gestoßen.

Körpereigenes Immunsystem soll Krebszellen angreifen

Die Idee: Der Körper heilt sich selbst, indem das körpereigene Immunsystem die Krebszellen angreift. Das funktioniert bei den meisten Erkrankungen automatisch, nicht aber bei Krebs.

Die Immucura-Methode: Sogenannte dendritische Zellen aus dem Blut werden mit Tumor-Antigenen beladen, die in Krebszellen vorkommen. Dem Patienten wird anschließend eine Spritze verabreicht, die diese Mischung enthält. Folglich sollen die dendritischen Zellen die Immunzellen im Körper dazu bringen, den Krebs zu bekämpfen.

Abwegig ist dieser Ansatz nicht. Die Medizin forscht schon länger an einer sogenannten mRNA-Impfung gegen Krebs, die das Immunsystem der Patienten darauf programmieren soll, Krebs zu erkennen und zu bekämpfen.

Der Ablauf einer solchen Therapie, die bereits in Studien erfolgreich war: Ein Krebspatient bekommt eine Spritze mit einem mRNA-Impfstoff. Er enthält den Bauplan für einen nicht-infektiösen Erreger. Im Körper werden mithilfe dieses Impfstoffs Immunogene gebildet, die wiederum in der Lage sind, eine Reaktion des Immunsystems auszulösen und den Krebs zu bekämpfen. Die Spritze versetzt das Immunsystem im besten Fall dauerhaft in die Lage, die Krebszellen zu bekämpfen.

Die Idee, das körpereigene Immunsystem eines Patienten für den Kampf gegen Krebs zu nutzen, steht also durchaus bereits im Fokus vieler renommierter Krebsforscher. Im Klinikalltag angekommen ist sie allerdings noch nicht, da erst noch große Studien an einer breiten Gruppe von Patienten ausstehen.

Lässt Immucura illegal produzieren?

Möglicherweise fußt Immucura also auf einer vielversprechenden Methode. Das Problem: Niemand scheint zu wissen, was tatsächlich in den Laboren von Immucura vor sich geht. Was genau bei dem Verfahren in den Zellen passiert, bleibt ebenfalls Betriebsgeheimnis. Das berichtet „Der Standard“ . Das österreichische Nachrichtenmedium hat gemeinsam mit „ZDF Frontal“, der belgischen Zeitung „De Tijd“ und der spanischen Tageszeitung „El País“ recherchiert. Das Ergebnis: „Mit ihrem Geschäftsmodell übertritt Immucura mutmaßlich die Grenzen des Legalen.“

Den Start machte Immucura nach eigenen Angaben 2015 mit einem Labor in Deutschland. Seit 2022 arbeite man mit einem Labor in Málaga, Spanien, zusammen. Ein solches Labor bräuchte in Deutschland eine spezielle Erlaubnis, wie „Der Standard“ berichtet. Die Redaktion habe die vier Einrichtungen, die laut Paul-Ehrlich-Institut dendritische Zellen in Deutschland herstellen dürfen, angefragt. Alle hätten schriftlich versichert, nie mit Immucura zusammengearbeitet zu haben. Bleibt die Frage: Lässt Immucura illegal produzieren?

Aus Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern gehe zudem hervor, dass die meisten von ihnen, ebenso wie Gründer Johannes Schumacher, keinerlei medizinischen Hintergrund hätten.

Experten raten von Immucura ab: wirkungslos, unseriös

Geheilt werden konnte Schumachers Vater mit Immucura nicht. Mehrere Onkologen, mit denen das deutsch-spanische Recherche-Team gesprochen hat, raten davon ab, für eine dendritische Zelltherapie einen kommerziellen Anbieter aufzusuchen. „Der Standard“ zitiert Michael Micksche, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Krebshilfe und Leiter der Arbeitsgruppe Forschung: „Die dendritische Zelltherapie ist eine experimentelle Therapie, die therapeutische Wirksamkeit ist relativ gering“, sagt er. Eine Therapie außerhalb klinischer Studien sei unseriös und könne auch Nebenwirkungen haben.

In Spanien sei Immucura mehrfach sanktioniert worden. Die Firma sei ohne Genehmigungen im Gesundheitssektor tätig. Inzwischen ermittele die Staatsanwaltschaft Marbella wegen möglicher Straftaten zulasten der öffentlichen Gesundheit und Betrug.

Mehr zum Thema lesen Sie bei „Der Standard“ .