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Deutsches ESC-Debakel: NDR stellt alles auf den Prüfstand

Wieder einmal grüßte der deutsche Song beim ESC 2019 in der Nationen-Tabelle von (fast) ganz hinten. Der zuständige NDR will das Nominierungsverfahren nun erneut auf den Prüfstand stellen. Trotzdem freute man sich auch ein bisschen - über eine tolle Show, starke Quoten und ein Superstar-Desaster.

Deutschland ging beim ESC 2019 mal wieder baden. Die Zuschauer Europas entschieden per Telefon-Voting: "Germany zero points". Nur weil ein paar freundliche Landesjurys den teutonischen Geldgebern ein paar Punkte zuschusterten, landete das fluchs gecastete Duo "S!sters" nicht ganz am Ende des Tableaus, sondern holte den 24. Platz. Nur Weißrussland und Großbritannien, Europas Jahr für Jahr "underperformende" Popnation No.1, waren noch schlechter. Am Montag ist aus deutscher Sicht nun Tag der Analyse. Natürlich befand sich der für Auswahl und Organisation zuständige ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber vom NDR unter Rechtfertigungsdruck. "Leider haben wir international nur Wenige überzeugen können", lässt Schreiber die Nation wissen. "Das enttäuscht unsere Zuschauerinnen und Zuschauer in Deutschland, aber auch alle, die ein ganzes Jahr für diesen Abend gearbeitet haben. Enttäuscht sind wir auch, dass sich unser neues Auswahlverfahren, mit dem wir im vergangenen Jahr Michael Schulte und seinen Song gefunden hatten, in diesem Jahr nicht als erfolgreich erwiesen hat."

Jenes Auswahlverfahren, in dem eine Fach-Jury, eine Fan-Delegation sowie ein Telefon-Voting über den deutschen Beitrag bestimmt, soll nun erneut auf den Prüfstand gehievt werden. "Für 2020 werden wir den Weg, auf dem Deutschland sein Lied und seine Künstler sucht, überdenken", sagt Schreiber. Damit kündigt er zumindest die Möglichkeit eines abermaligen Wechsel des Verfahrens an.

Jenseits deutscher Scham darf man mit der Qualität des ESC 2019 insgesamt jedoch zufrieden sein. 7,6 Millionen Zuschauer verfolgten die ebenso locker moderierte wie brillant ins Bild gesetzte Show aus Tel Aviv ab 21 Uhr im Ersten. Jene Zuschauer, die das Event beim Public Viewing sahen, sind in dieser Rechnung ebenso nicht enthalten wie jene 0,49 Millionen, die das Ganze beim ARD-Spartensender One mitnahmen. Insgesamt sahen also deutlich mehr als acht Millionen zu - eine starke Quote. Lob für die Show, die der Niederländer und Topfavorit Duncan Laurence mit seiner Ballade "Arcade" gewann, kam auch aus dem Mund Schreibers: "Unsere israelischen Gastgeberinnen und Gastgeber beglückwünschen wir zu einer Show, die aufs Neue Maßstäbe für Live-Fernsehen gesetzt hat, und bedanken uns bei ihnen für die warmherzige Gastfreundschaft."

Madonna, merkwürdig

<p>Für weltweites Medienecho und glühende Drähte in den sozialen Netzwerken sorgte zudem der Auftritt Madonnas. Der über Jahrzehnte größte weibliche Popstar der Welt sang erbarmungswürdig schief und wirkte beim Herunterlaufen der Showtreppe, als müsse sie eher gestützt werden. Wäre es nicht so abstrus, könnte man fast einen genialen Coup der 60-jährigen Künstlerin hinter diesem Auftritt vermuten. Nach dem Motto: &quot;Any PR is good PR.&quot; Aber würde man sich - im eigenen &quot;Kerngeschäft&quot; Musik - künstlerisch so entblößen, um sein neues Album zu bewerben?</p> <p>Den deutschen &quot;Sisters&quot; nutzte freilich auch ein fehlerfreier Vortrag am Samstagabend in Tel Aviv nichts. Zu kalkuliert schien ihr Beitrag, der routiniert herunterkomponiert und gesungen war, aber wenig Charme, Lebendigkeit oder gar Originalität versprühte. Im letzten Jahr holte der nach dem gleichen Auswahlverfahren &quot;gefundene&quot; Michael Schulte mit einer Ballade über seinen verstorbenen Vater einen starken vierten Platz für Deutschland. Nun wird es spannend, ob das deutsche Lied für den ESC 2020 in den Niederlanden tatsächlich nach einem komplett neuen Verfahren gesucht wird. Eines, das Erfolgschancen, Qualität und Originalität vielleicht sogar zu kombinieren versteht.</p>