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Was Deutschland bei der Bekämpfung von Corona von anderen Staaten lernen kann

Die Bundesbürger sind sehr zufrieden mit der Performance ihres Landes in der Corona-Bekämpfung. Doch in anderen Staaten gelang manches noch besser.

In der Pandemie zeigten die Griechen eine Qualität, die man ihnen im Rest Europas eher selten zutraut: Disziplin. Foto: dpa
In der Pandemie zeigten die Griechen eine Qualität, die man ihnen im Rest Europas eher selten zutraut: Disziplin. Foto: dpa

Der Rückhalt für die Maßnahmen der Bundesregierung gegen das Coronavirus ist hoch, die Beliebtheit von Kanzlerin Angela Merkel ist unangefochten. Auch deshalb, weil sich die Deutschen in der Rolle als Corona-Weltmeister gefallen, die die Pandemie bislang besser als alle anderen in den Griff gekriegt haben.

Dieses Bild stimmt jedoch nur zum Teil. Eine ganze Reihe von Staaten hat zumindest einzelne Aspekte der Pandemie besser bewältigt als Deutschland. Die Handelsblatt-Korrespondenten geben einen Überblick.

Griechenland: Früh und diszipliniert gehandelt

Auch in Griechenland steigt derzeit die Zahl der Corona-Neuinfektionen, allerdings von einem relativ niedrigen Niveau aus: Bisher haben sich in dem Land mit seinen 10,7 Millionen Einwohnern 27.300 Menschen infiziert. 534 Patienten sind an Covid-19 gestorben. Die Todesfälle belaufen sich damit auf 50 pro eine Million Einwohner. Das ist weniger als die Hälfte der 119 Toten pro einer Million Einwohner in Deutschland.

Die erste Welle im Frühjahr hatte Griechenland besser gemeistert als die meisten anderen europäischen Länder. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hörte auf die Fachleute und ließ frühzeitig Kontaktbeschränkungen einführen, bis zum weitgehenden Lockdown am 22. März. Bei den Maßnahmen war Griechenland den anderen EU-Ländern etwa zwei Wochen voraus, obwohl es damals sehr wenige Fälle verzeichnete.

In der Pandemie zeigten die Griechen eine Qualität, die man ihnen im Rest Europas eher selten zutraut: Disziplin. Dazu trugen auch die Schreckensbilder überfüllter Krankenhäuser und Leichenhallen aus dem benachbarten Italien bei. Weil die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die Beschränkungen befolgte und die Einhaltung polizeilich intensiv kontrolliert wurde, flachte die Kurve der Neuninfektionen schon Anfang April wieder ab.

Kultusminister: Schulen so lange wie möglich offen halten

Seit August steigt sie aber wieder steil an. Am Mittwoch wurde mit 865 gemeldeten Fällen ein Rekord erreicht. Offenbar sind vor allem jüngere Griechinnen und Griechen in den vergangenen Wochen unvorsichtiger geworden. Wahrscheinlich wegen des guten Krisenmanagements im Frühjahr hat die Wachsamkeit im Sommer nachgelassen.

Nachdem die Regierung im Frühjahr landesweit einheitliche Beschränkungen erließ, setzt sie in der zweiten Welle auf regionale und lokale Maßnahmen sowie auf die intensive Nachverfolgung der neuen Fälle, um Infektionsherde zu erkennen und zu isolieren. Dazu dient auch, dass schwerpunktmäßig besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen getestet werden, wie Migranten, Pflegeheimmitarbeiter und Klinikpersonal. Gerd Höhler

China: Flächendeckende Tests

Sich auf Corona testen zu lassen ist in China schon seit mehreren Monaten ein einfaches Unterfangen. Wer einen negativen Test braucht, geht einfach zum nächstgelegenen Krankenhaus. In Peking sind in einem großen staatlichen Krankenhaus zum Beispiel vier Container nebeneinander aufgebaut.

China hat seine Testkapazitäten in den vergangenen Monaten massiv ausgebaut. Foto: dpa
China hat seine Testkapazitäten in den vergangenen Monaten massiv ausgebaut. Foto: dpa

Am ersten Fenster gibt man seine persönlichen Daten durch, zeigt seinen Pass und gibt die Telefonnummer an. Am zweiten Fenster zahlt man, am dritten bekommt man eine Nummer, die man dem Mitarbeiter am vierten Fenster wieder aushändigt. Mund auf, Stäbchen rein, fertig. Ohne Termin, ohne Wartezeiten. Das Ergebnis kann man am nächsten Tag abholen.

China hat in den vergangenen Monaten seine Testkapazitäten so massiv ausgebaut wie kaum ein anderes Land. Laut Angaben der chinesischen National Health Commission und dem Industrieministerium stieg die Anzahl von Testinstituten von 2081 Anfang März auf 4804 im Juni an. Das technische Personal, das in die Tests eingebunden ist, erhöhte sich von 13.900 Anfang März auf 38.000 Personen Ende Juli. Während Anfang März 1,26 Millionen Menschen pro Tag getestet werden konnten, waren es laut staatlichen Angaben Ende Juli bereits 4,84 Millionen.

Tesla muss in China fast 50.000 Fahrzeuge zurückrufen

Sehr umfassend sind auch die Massentests, die bei lokalen neuen Ausbrüchen durchgeführt werden. Erst vergangene Woche ließ die Lokalregierung der ostchinesischen Hafenstadt Qingdao laut eigenen Angaben innerhalb von wenigen Tagen mehr als zehn Millionen Menschen testen, weil ein paar neue Fälle gemeldet worden waren.

Zuvor hatte es Massentests dieser Art in mehreren anderen Städten gegeben. Dazu richten die Behörden innerhalb kürzester Zeit meist Tausende temporäre Teststände jeweils in der ganzen Stadt ein. Die Proben werden dann nicht alle einzeln getestet, sondern jeweils zu Fünfer- oder Zehnergruppen gepoolt. Erst wenn dieser Test dann positiv zurückkommt, werden die Gruppenmitglieder noch einmal einzeln getestet, um den Infizierten zu finden.

Dana Heide

Uruguay: Vorbildliches Krisenmanagement

Als am 13. März dieses Jahres der erste Corona-Infizierte in Uruguay auftauchte, waren die Behörden gewappnet: In der Universidad de la República in Montevideo hatte man schon im Januar begonnen, gemeinsam mit dem lokalen Pasteur-Institut eine eigene Diagnostik zu entwickeln. Persönliche Verbindungen zu chinesischen Forschern und nach Europa machten das möglich.

Mit seinem weltweit vorbildhaften Krisenmanagement weist Uruguay heute in Lateinamerika die niedrigsten Infizierungen und Toten aus, obwohl die Nachbarländer Argentinien und Brasilien schwer von der Pandemie betroffen sind. Foto: dpa
Mit seinem weltweit vorbildhaften Krisenmanagement weist Uruguay heute in Lateinamerika die niedrigsten Infizierungen und Toten aus, obwohl die Nachbarländer Argentinien und Brasilien schwer von der Pandemie betroffen sind. Foto: dpa

Als das Virus kam, war Uruguay bereit. Für das Land, etwa halb so groß wie Deutschland und mit der Einwohnerzahl von Berlin, war das die Rettung: Denn Uruguay hat offene Grenzen zu allen Nachbarländern, die kaum kontrolliert werden können.

Die Regierung von Präsident Luis Alberto Lacalle Pou war gerade mal zwei Wochen im Amt, aber sie reagierte schnell: Sie hielt die Menschen an, zu Hause zu bleiben – auf freiwilliger Basis. Sie begann zudem sofort mit Massentests und stellte eine App vor, über welche die Uruguayer sich informieren und mit Behörden in Kontakt treten können. Davon ist inzwischen die vierte Version auf dem Markt, bei der auch Google und Apple mitgearbeitet haben.

Mit seinem weltweit vorbildhaften Krisenmanagement weist Uruguay heute in Lateinamerika die niedrigsten Infizierungen und Toten aus, obwohl die Nachbarländer Argentinien und Brasilien schwer von der Pandemie betroffen sind. Mit 2560 Infizierten und 51 Toten hat das Land eine Covid-Sterberate von 1,5 Toten auf 100.000 Einwohner, so die Johns Hopkins University.

Besonderen Erfolg hat Uruguay im Schulsystem. Nur einen Monat waren alle Schulen ab März geschlossen. Aber schon ab April begann die Schulbehörde, sie schrittweise wieder zu öffnen. Erst die auf dem Land, zuletzt die in Montevideo. Am 29. Juni waren alle Schüler wieder präsent, also rund drei Monate nach Beginn der Pandemie – während in den Nachbarländern bis heute kein Präsenzunterricht stattfindet.

Von Anfang an wurden Schüler wie Lehrer über die zentrale Bildungsplattform CREA miteinander verbunden, die bald durch eine effiziente Videokonferenz-Software ergänzt wurde. An Bedürftige wurden rund 100.000 PCs und Laptops verteilt. Die Telekomgesellschaften erlaubten die kostenlose Datenübertragung von der Plattform.

Alexander Busch

Thailand: Masken auf und Grenzen zu

Für Thailand sah es erst alles andere als gut aus: Am 13. Januar meldeten die Behörden den ersten Coronavirus-Fall in dem Land. Erstmals wurde damit die neue Krankheit außerhalb Chinas nachgewiesen.

Angesichts der rund eine Million chinesischen Touristen, die damals jeden Monat nach Thailand kamen, war die Sorge groß, dass das Urlaubsland zum nächsten Hotspot werden würde. Passiert ist das Gegenteil: Insgesamt meldete Thailand bisher 3700 Covid-19-Fälle – innerhalb von neun Monaten also weniger als ein Drittel so viele wie in Deutschland allein am Donnerstag.

Rückblickend lässt sich sagen: Das Land hat vieles richtig gemacht – vor allem seine Bevölkerung und die Privatwirtschaft. In der Hauptstadt Bangkok ging bereits Anfang des Jahres kaum noch jemand ohne Gesichtsmaske auf die Straße. Das geschah ohne staatlichen Zwang, aber mit Unterstützung von Unternehmen: Supermarktketten und Einkaufszentren ließen nur noch Maskenträger in die Läden.

USA: Mehr als 80.000 Neuinfektionen

Während das Verhalten der Bevölkerung offenbar dazu geführt hat, eine erste breitflächige Ansteckungswelle zu verhindern, sorgte die Regierung mit einer weitgehenden Grenzschließung dafür, dass es zu keinem erneuten Ausbruch kam. Seit Ende März dürfen nur noch thailändische Staatsbürger und wenige Ausländer einreisen – und müssen nach der Ankunft für 14 Tage in überwachte Quarantäne.

Der Zusammenbruch der Tourismusbranche ist der hohe Preis, den Thailand für die Pandemie-Abwehr bezahlt. Doch auch die positiven Seiten sind offensichtlich: Nur 59 Tote, kaum Kranke – und einen neuen Lockdown muss das Land auch nicht fürchten.

Der Betrieb in Schulen, Fabriken, Bars und Restaurants ist zum Alltag zurückgekehrt. Die Bereitschaft zum Maskentragen bleibt aber hoch. Laut dem Meinungsforscher YouGov gehen nach wie vor mehr als 80 Prozent der Thailänder mit Mund-Nasen-Schutz vor die Tür – fast 20 Prozentpunkte mehr als in Deutschland. Mathias Peer

Japan: Land in der gesamtgesellschaftlichen Hygiene

In der Quarantäne ist Japan in Asien vielleicht ein liberaler Ausreißer. Wer einreist und in Quarantäne muss, darf weiterhin selbst einkaufen gehen. Dafür glänzt das Land in der gesamtgesellschaftlichen Hygiene: Fast alle Japaner tragen freiwillig Masken und desinfizieren sich oft die Hände.

Die Behörden und Firmen stellten schon vor der Krise oft Handdesinfektionsmittel zur Verfügung. Maskentragen gehört für Japaner zudem zum Alltag. Foto: dpa
Die Behörden und Firmen stellten schon vor der Krise oft Handdesinfektionsmittel zur Verfügung. Maskentragen gehört für Japaner zudem zum Alltag. Foto: dpa

Für die Japaner war der Schritt zur Gesichtsverhüllung natürlich. Schon vor der Pandemie setzten sich Japaner Masken auf, entweder um bei Erkältungen andere zu schützen oder sich selbst bei Allergien vor Pollenflug. 2018 verbrauchten die 126 Millionen Einwohner 5,5 Milliarden Einwegmasken.

Außerdem stellten Behörden und Firmen schon vor der Krise oft Handdesinfektionsmittel zur Verfügung. Denn der Schutz vor Infektionskrankheiten steht in den dichtbesiedelten Megacities des Landes schon lange weit oben auf der Prioritätenliste der Behörden. Gekoppelt wurde das System mit einem traditionellen Testsystem, dass sich auf die Rückverfolgung von Clustern konzentrierte.

Diese Hygiene und die freiwillige Befolgung behördlicher Bitten zur sozialen Distanzierung durch Unternehmen und Privatpersonen reichte bisher aus, mehrere kleinere Virenwellen wieder zu stabilisieren – auch ohne den Einsatz von Hightech wie im ebenfalls demokratischen Südkorea oder Taiwan, die über den Zugriff auf Kranken- oder Handy-Positionsdaten in die Privatsphäre von Kranken und Kontaktpersonen eingreifen konnten.

Johnson & Johnson: Impfstoff wird wieder getestet

Eine kontroverse Diskussion gab es dabei weder in Japan, noch in den anderen zwei Demokratien Ostasiens. Den länderübergreifenden Grund nennt Barbara Zollmann, die Chefin der deutschen Auslandshandelskammer Korea: „Maßnahmen, die in Deutschland als Einschränkung gesehen werden, werden hier als Sicherheit empfunden.“ Denn die Menschen sorgten sich um ihre eigene Gesundheit sowie um Wachstum und Arbeitsplätze.

Und wer von dieser Masse abweicht, den bringt besonders in Japan sozialer Druck zurück ins Glied. In Japan hatten amtlichen Aufforderungen, Kaufhäuser zu schließen, nicht einmal während des Notstands rechtlich bindende Wirkung. Aber Unternehmen reagierten oft schon, bevor der Staat es offiziell erbat. Martin Kölling

VIDEO: Nicht jeder kann sich impfen lassen