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"In Deutschland gibt es für mich noch einiges zu holen"

Lange Zeit sah man in ihm vor allem den "Falco". In den letzten Jahren machte sich Manuel Rubey auch darüber hinaus einen Namen. Im Interview spricht der Österreicher über hartnäckige Klischees, toxische Männlichkeit und sein öffentliches Eintreten gegen Rechts,

Vor zwölf Jahren bekam Österreich einen neuen "Falco". Manuel Rubey verkörperte den großen Star der Alpenrepublik in einem kontrovers aufgenommenen Film - und feierte damit seinen Durchbruch als Schauspieler. Für den gebürtigen Wiener, der zuvor vor allem als Kopf der Band Mondscheiner wahrgenommen wurde, eine Zäsur: Fortan sah man in ihm überall den 1997 ums Leben gekommenen Sänger. Doch in den vergangenen Jahren konnte sich Rubey von seiner Paraderolle lösen und sorgte dank eindrücklicher Performances wie im "Tatort: Der Mann, der lügt" auch hierzulande für Aufsehen. Überhaupt scheint dem 40-Jährigen die Darstellung zwielichtiger, toxischer Männer zu liegen - so auch in seinem neuen ZDF-Thriller "Irgendwas bleibt immer" (Montag, 11. November, 20.15 Uhr). Wie er sich gerade als Familienvater von diesen Rollen wieder lösen kann, wie wichtig ihm Aufmerksamkeit in Deutschland ist und weshalb er sich öffentlich seit Jahren gegen Rechts einsetzt, verrät Manuel Rubey im Interview.

teleschau: Wenn man Sie googelt, steht in den Suchergebnissen bisweilen noch immer "Sänger". Können Sie sich damit anfreunden?

Manuel Rubey: Das hält sich hartnäckig. Sänger war ich meinem Selbstverständnis nach nie. Ich mache gern Musik, aber habe dann zu viel Respekt vor diesem Handwerk. Ich tu gern verschiedene Dinge - aber "Schauspieler" reicht eigentlich. Das ist das Einzige, das ich wirklich als meinen Beruf bezeichnen würde.

teleschau: Inzwischen werden Sie auch in Deutschland breit rezipiert. Erkennt man Sie - etwa nach dem letzten "Tatort: Der Mann, der lügt" - mittlerweile hier auf der Straße?

Rubey: In Österreich ging das schon früher los, mit "Falco" natürlich. In Deutschland spielt es natürlich eine Rolle, wenn einen zehn Millionen Zuschauer im TV sehen. Das ändert über Nacht etwas. Bis dahin war mein Eindruck, dass ich mich in Deutschland völlig unbemerkt bewegen konnte. Das hat sich punktuell geändert.

teleschau: Sind Sie in Österreich noch immer der "Falco"?

Rubey: Damit war ich lang asoziiert. In Österreich kannte mich vorher kaum jemand. Auch das änderte sich über Nacht. Es ist ja auch ein kleineres Land mit einem kleineren Markt. Zudem wurde der Film dort sehr kontrovers aufgenommen und breit diskutiert.

teleschau: Haben Sie die Rolle jemals bereut?

Rubey: Nein, bereut hab ich es eigentlich nie. Dazu war es ein zu großes Vergnügen. Ich bin dankbar, weil so eine Rolle ja genau das ist, was man als Schauspieler möchte: eine Rolle mit großer Aufmerksamkeit. Die Begleiterscheinungen waren natürlich nicht ganz einfach.

teleschau: Inwiefern?

Rubey: Sagen wir, ich hatte einen Crashkurs in Sachen Öffentlichkeit und Umgang mit Medien - insbesondere der Boulevardpresse. Das musste ich alles recht schnell lernen. Ich nahm das aber gern in Kauf. Und ich traf eine gute Entscheidung: Mit der letzten Klappe sagte ich, dass ich nie wieder etwas in Richtung Falco mache. Ich bin nicht der neue Falco-Kaschperl der Nation. Bis heute trudeln die Anfragen dazu ein - die sammel ich (lacht).

teleschau: Wie oft werden Sie denn gefragt?

Rubey: Bisher sind es über 200 Angebote - von Mitternachtseinlagen auf Firmenfesten bis hin zu Werbespots. Da hab ich viel Geld in den Wind geschossen. Mittlerweile hat es sich aber gut herumgesprochen, dass es mir damit ernst ist, dass es eine Rolle war, aber mehr nicht. Außerdem wurde Falco nur 40 - irgendwann geht es also auch nicht mehr (lacht).

"Ich mache das, weil ich nicht anders kann"

teleschau: Sie sind in diesem Jahr 40 Jahre alt geworden - war das eine Zäsur in Ihrem Leben?

Rubey: 40 hat mich schon ein bisschen beschäftigt. Man merkt, dass es knapp wird. Das klingt jetzt dramatischer, als ich es meine. Subjektiv rennt die Zeit derartig dahin. Aber sonst fühlt es sich sehr gut an, 40 zu sein. Ich möchte einfach in Zukunft einen präziseren Fokus auf die Auswahl der Dinge richten.

teleschau: Heißt das, Sie können es sich leisten, Projekte gezielt auszuwählen?

Rubey: Ich empfinde das als großes Privileg. Auch weiß ich wie es ist, wenn man beispielsweise Kinder hat und nicht weiß, wie man die nächste Miete zahlt. Das ist eine Realität, die man als Schauspieler erfährt. Ich habe großes Verständnis für jeden Kollegen, der Dinge machen muss, weil sich die Frage wirtschaftlich gar nicht stellt. Seit ein paar Jahren bin ich in der glücklichen Situation, dass ich das nicht muss. Ich kann Aufträge auswählen, die mich reizen, an denen ich mich reiben kann. Das kann sich natürlich jederzeit wieder ändern.

teleschau: Schielt man als österreichischer Schauspieler dabei eigentlich immer auch in erster Linie darauf, es in Deutschland zu schaffen?

Rubey: Das ist ein ganz dezidiertes Ziel. Mich interessiert der deutsche Markt natürlich sehr, das ist für mich ein Hauptfokus in den letzten Jahren. Deshalb hab ich mir auch eine Agentur in München gesucht. Zumal: In Österreich ist der Markt sehr viel kleiner - dort habe ich inzwischen vieles gemacht, während es für mich in Deutschland noch einiges zu holen gibt.

teleschau: Gab es bei Ihnen Überlegungen, auch nach Deutschland zu ziehen - etwa in Berlin zu leben?

Rubey: Wie wohl fast jeder Schauspieler dachte ich darüber nach, nach Berlin zu gehen. Aber dann bekamen wir unsere große Tochter und waren in Wien zu sehr verwurzelt. Darüber bin ich auch ganz froh - Berlin ist mir mittlerweile zu schnell. Ich bin wahnsinnig gern dort, aber auch gern wieder weg (lacht).

teleschau: Können Sie in Wien ein einigermaßen privates Leben führen?

Rubey: Man muss schon aufpassen, wann man wo hingeht. Aber ich kann mich auch ganz gut unsichtbar machen. Dabei verzichte ich auf nichts, fahre auch U-Bahn. Wir leben im 15. Bezirk, das ist ein wenig das Neukölln Wiens, da kennt man mich eher, weil man mich seit vielen Jahren im Viertel kennt. Wo wir leben, interessiert es die Leute weniger. Und ansonsten ist es ja meist auch freundlich, wenn man erkannt wird - manchmal stört es ein wenig, wenn man privat mit den Kindern unterwegs ist. Aber die, die einen nicht mögen, sprechen einen eher nicht an, sondern posten dann im Internet.

teleschau: Apropos: Sie äußern sich online nicht selten auch dezidiert politisch. Haben Sie nicht manchmal Sorge vor den Reaktionen, auch im echten Leben?

Rubey: Es gibt Momente, in denen mir das ein bisschen Angst macht. Was mir aber noch viel mehr Angst macht, ist die politische Situation an sich.

teleschau: Sie sprachen mit Blick auf ihre öffentlichen Äußerungen einmal von "Notwehr" ...

Rubey: Das würde ich auch immer noch so sagen. Ich mache das nicht in erster Linie, weil ich glaube, dass sich Schauspieler zu allen Dingen äußern müssten. Sondern als Teilnehmer einer Gesellschaft. Hätte ich einen anderen Beruf, würde ich das genauso machen - nur, dass es dann wenige Leute mitbekämen. Es gibt den schönen Satz: "Tu nicht so, als wärst du nicht die Gesellschaft". Ich mache das, weil ich nicht anders kann.

teleschau: Wollen Sie die Leute dabei auch konfrontieren?

Rubey: Ich suche vor allem auch das Gespräch. Auf Tour bin ich oft auch außerhalb der so genannten Hipsterballungszentren unterwegs. Inzwischen kommen viele Leute, die eine ganz andere politische Meinung vertreten. Und diese Gespräche finde ich ohnehin spannender, als sich gegenseitig zu bestätigen, dass man eh der gleichen Meinung ist. Auch, wenn das manchmal ins Nichts führt.

teleschau: Gibt es da eine Grenze für Sie?

Rubey: Ich will mir nicht einreden lassen, dass zwei und zwei gleich fünf ergibt. Wenn der Nachbar glaubt, in Wien ist wieder Bürgerkrieg, oder dass die Flüchtlinge nur hinter dem Busch darauf warten, Kinder zu vergewaltigen. Das ist dann schwierig.

"Ich lebe wahnsinnig gern in Österreich"

teleschau: Kürzlich schrieben Sie online mit Bezug auf die Rechte sinngemäß, dass man mit solchen Leuten am besten nicht reden solle ...

Rubey: Ich meine damit: Mit wirklich Strammrechten zu reden, hat meiner Meinung nach keinen Sinn. Da bewundere ich Deutschland mit Blick auf die AfD. Mein Eindruck ist, dass von Seiten aller anderen Parteien ein geschlossenes "Bis hierhin und nicht weiter" existiert. Auch wenn sich das vielleicht gerade ändert. In Österreich hingegen ist die FPÖ in der Mitte der Gesellschaft. Das fällt uns gerade ein bisschen auf den Kopf. Man kann Leuten, die die Demokratie eigentlich bekämpfen, nicht auf der selben Höhe begegnen. Man kann mit denen nicht auf demokratischer Ebene diskutieren oder irgendwelche Deals machen.

teleschau: Verzweifeln Sie nicht manchmal an Ihren Landsleuten?

Rubey: Ich lebe wahnsinnig gern in Österreich. Wir haben ein großes Glück, hier leben zu können. Wien ist ohnehin eine fantastische Stadt - aber mit Wien-Bashing kann man in Österreich offensichtlich auch Wahlen gewinnen. Es gibt anscheinend ein gewisses Stadt-Land-Gefälle und eine konsequent rechte Mehrheit. Woran das nun liegt, wage ich nicht zu beurteilen. Aber ich glaube auch: Irgendwo muss man sich verorten.

teleschau: Glauben Sie als Schauspieler, dass man sich auch künstlerisch positionieren muss?

Rubey: Das würde ich trennen wollen, weil ich das nicht als die Aufgabe ansehe, zu belehren. Es wäre auch eine Selbstüberschätzung der Kunst und würde an der Sache vorbeiführen. In erster Linie würde ich auch in so einem Fall immer fragen, ob mich eine Geschichte überzeugt und herausfordert. Prinzipiell finde ich es fürchterlich, wenn man von der Bühne herunter predigt. Dann soll man in die Politik gehen. Sobald ich das Gefühl habe, der Künstler weiß es besser, lauern in mir Fluchttendenzen. Hochpolitisch finde ich schon, wenn man die Auswirkungen von Politik anhand von Menschen zeigt.

teleschau: In letzter Zeit spielen Sie oft oberflächlich zivilisierte Charaktere, in denen das Grauen schlummert. Macht Ihnen das besonders Spaß?

Rubey: Es geht um die bürgerliche Oberfläche, unter der viel lauert. Um diese Fratze des Normalen. Völlig zu Recht kommt das Bild des reichen, weißen, alten Mannes gerade ins Wanken - in diesem Typus manifestieren sich natürlich viele Fehlentwicklungen der letzten Jahre. Rein schauspielerisch ist das ein großes Vergnügen. Demnächst spiele ich etwa einen konservativen Politiker, der in eine MeToo-Geschichte gerät. Das macht mir diebische Freude - warum, müsste man wohl psychoanalytisch untersuchen (lacht).

teleschau: Ist es schwer, aus so einer Rolle wieder ins normale Leben zu finden?

Rubey: Ich achte natürlich ganz explizit darauf, nichts davon mitzunehmen. Da ist man vorsichtiger als bei anderen Rollen. Jahrelang hätte ich es von mir gewiesen, dass irgendwas hängen bleibt. Aber meine Frau und enge Freunde haben mir über die Jahre schon zu verstehen gegeben, dass gerade größere Parts, mit denen ich mich intensiver beschäftige, auch einen Nachhall haben. Ich versuche das aber auch anders zu sehen: dass einen jede Rolle ein wenig weiterbringt, indem man neue Facetten an sich entdeckt. Dass es ein komischer Beruf bleibt, das ist nun mal so.

teleschau: Wenn man wie Sie in Ihren Rollen oft toxische Männlichkeit verkörpert - wird man da nicht automatisch zum Feministen?

Rubey: Ein klares Ja. Das liegt auch daran, dass wir zwei Töchter haben. Spätestens wenn man Vater einer Tochter wird und sich ein wenig für gesellschaftliche Zusammenhänge interessiert, kann man gar nicht anders, als zum Feministen zu werden. Das liegt in der Natur der Sache, weil man das Beste für das Kind will.

teleschau: Wäre eine weibliche Welt eine bessere?

Rubey: The future is female. Die Welt ist in einem solchen Zustand, weil Männer mit aufgeplusterten Egos ihre unausgereiften Ideen schlecht umzusetzen versuchen.