Deutschland hält weltweiten Rekord - Schenker auf Platz 4: Das sind die teuersten Verkäufe deutscher Unternehmen
Mit Schenker, der Logistik-Sparte der Deutschen Bahn, wird erneut ein deutsches Unternehmen an einen ausländischen Konkurrenten verkauft. Mit 14 Milliarden Euro reiht sich Schenker damit in eine illustre Liste ein.
Der Verkauf von DB Schenker an den dänischen Konkurrenten DSV ist beschlossene Sache. 14 Milliarden Euro sollen an die Deutsche Bahn fließen, Tausende Mitarbeiter müssen im Gegenzug wohl um ihren Job fürchten. Die Bahn will die Einnahmen nutzen, um den defizitären Personenverkehr zu sanieren. Dass deutsche Unternehmen wichtige Sparten oder gleich den ganzen Konzern ans Ausland verkaufen, ist dabei keine Seltenheit. Wir haben die sieben teuersten Übernahmen der vergangenen 30 Jahre gesammelt. Bei allem Pessimismus über den Verkauf von Deutschlands Unternehmen sei aber auch erwähnt, dass sich deutsche Konzerne fast ebenso häufig bei Konkurrenten im Ausland bedienen. So übernahm etwa Bayer##chartIcon Monsanto 2016 für rund 55 Milliarden Dollar, schon 1998 hatte Mercedes-Benz##chartIcon den US-Konkurrenten Chrysler für damals rund 40,5 Milliarden Dollar aufgekauft. Hier sind jetzt aber die teuersten Verkäufe – und was dahintersteckte.
7. Osram (2020) – 4,6 Milliarden Euro
Der Leuchtmittelhersteller Osram##chartIcon startete nicht als Unternehmen, sondern als Marke der Deutschen Gasglühlicht-Anstalt, die unter diesem Namen ab 1906 die ersten Glühlampen mit einem Faden aus Wolfram vertrieb. Erst 1920 wurde daraus in einem Konsortium von AEG, Siemens und der Deutschen Gasglühlicht-Anstalt die Firma Osram. In den 1930er Jahren steigerte Osram seinen Marktanteil in Deutschland auf beeindruckende 70 Prozent. 1978 übernahm Siemens##chartIcon alle Anteile an Osram und brachte die Tochter 2012 als eigenständiges Unternehmen an die Börse.
Da blieb es allerdings nur acht Jahre. Weil Siemens den Konzern in den 2010er Jahren komplett neu aufstellte und das Leuchtmittelgeschäft nicht mehr zur neuen Strategie passte, wurde Osram verkauft. Den Zuschlag bekam 2020 der österreichische Sensoren-Hersteller ams für rund 4,6 Milliarden Euro. Die Marke Osram lebt dort seitdem weiter, Lampen für den Privatkundenmarkt werden aber nicht mehr produziert.
6. Kuka (2016) – 4,6 Milliarden Euro
Der Verkauf des Roboter-Herstellers Kuka##chartIcon an den chinesischen Riesen Midea im Jahr 2016 erregte große Aufregung. Die Bundesregierung intervenierte und versuchte, deutsche Unternehmen für eine Übernahme des Augsburger Unternehmens zu gewinnen. Man dürfe schließlich eine Zukunftstechnologie wie die Robotik nicht an das Ausland verkaufen. Doch alle Aufregung nutzte nichts. Mideas Angebot, 35 Prozent über dem damaligen Unternehmenswert, war unschlagbar.
Kuka gibt es schon seit 1898. In der Gründungszeit produzierte die Firma aus Bayern Schweißgeräte. Benannt ist sie als Akronym nach ihren Gründen Johann Josef Keller und Jakob Knappich, sowie dem Gründungsort Augsburg. Später produzierte Kuka Müllautos und Aufbauten für andere Gefährte, auch für die Bundeswehr. Erst 1973 wurde die Produktion von Industrierobotern gestartet. Zum Zeitpunkt der Übernahme hatte Kuka rund 14.000 Mitarbeiter. Daran hat sich trotz des Aufkaufs durch Midea bis heute wenig geändert, allerdings haben sich einige Jobs in neue Werke in China verlagert.
5. Stada (2017) – 5,3 Milliarden Euro
Stada ist einer der größten deutschen Pharmakonzerne. Neben Generika wie Paracetamol vertreibt es etwa das Erkältungsmittel Grippostad C, das Elektrolyt-Pulver Elotrans und die Schmerzcreme Mobilat. Die Firma wurde bereits 1895 in Dresden gegründet – damals noch als Genossenschaft der heimischen Apotheker. Erst seit 1975 produziert Stada selbst Medikamente. 1993 ging das Unternehmen an die Börse und wurde 2001 in den MDax##chartIcon aufgenommen, den zweitwichtigsten deutschen Aktienindex nach dem Dax.
Weil sich Stada hauptsächlich auf die Produktion von Generika, also bekannten Arzneimitteln, die jeder Konzern herstellen kann, konzentrierte, war das Geschäft hart umkämpft. Investoren drängten immer wieder auf eine Neuausrichtung des Konzerns. Als zur Mitte der 2010er Jahre eine Führungskrise mit mehreren Vorstandswechseln hinzukam, sahen Investoren die Chance für eine Übernahme gekommen. Ein Konsortium aus den Unternehmen Bain Capital und Cinven ist seit 2017 Besitzer von Stada.
4. Schenker (2024) – 14 Milliarden Euro
Erst kürzlich wurde der Kauf der Deutsche-Bahn-Tochter Schenker an den dänischen Konkurrenten DSV durchgewunken. Verkauf jetzt fix - Dänischer Logistikkonzern DSV kauft Bahn-Tochter Schenker Die Bahn sieht sich zu dem Verkauf ihrer eigentlich profitablen Logistik-Sparte gezwungen, um mit den Einnahmen die Unternehmensschulden von rund 30 Milliarden Euro zumindest erträglicher zu machen und sich künftig mehr auf den Personen- und Frachtverkehr konzentrieren zu können. Der Verkauf dürfte erst 2025 wirksam werden.
Gottfried Schenker, ein Schweizer, gründete das nach ihm benannte Unternehmen 1872 in Wien als Speditionsfirma. Schon ein Jahr später hatte er die zündende Idee, viele Kleinlieferungen zu größeren Einheiten zusammenzufassen, und eröffnete den Zugtransport auf der Strecke Wien – Paris. 1879 folgte eine eigenen Schiffslinie, 1880 ein Reisebüro. Bis 1891 hatte sich Schenker ein Monopol auf den Gütertransport in Europa erarbeitet.
Der Umzug nach Deutschland folgte 1928. Innerhalb von drei Jahren übernahm die Deutsche Reichsbahn im Geheimen Schenker, um das eigene Gütergeschäft zu stabilisieren. So kam Schenker 1949 in den Besitz der Deutschen Bundesbahn. Die verkaufte Schenker 1991 schon einmal an den Konkurrenten Stinnes, der wiederum aber 2002 von der Deutschen Bahn aufgekauft wurde – und somit Schenker wieder zurück kam.
3. ThyssenKrupp (Aufzugsparte, 2020) – 17,2 Milliarden Euro
Den Konzern ThyssenKrupp##chartIcon gibt es erst seit 1999, die beiden Unternehmen, aus denen er hervorgegangen ist, gehören aber zu den wichtigsten der deutschen Industriegeschichte. Die Friedrich Krupp AG wurde 1903 aus dem schon seit 1800 existierenden Familienunternehmen in Essen ausgegliedert und etablierte sich schnell als Riese der deutschen Schwerindustrie. Die Thyssen AG wurde 1891 als Stahlhersteller und Betreiber von Steinkohlebergwerken in Hamborn-Bruckhausen, heute Teil von Duisburg, gegründet.
ThyssenKrupp geriet ab 2010 in finanzielle Schwierigkeiten. Acht Milliarden Euro wurden bis 2013 in den Bau eines Werkes in Brasilien gesteckt. Eigentlich sollte das nur ein Viertel dessen kosten und Stahl zu 55 Euro pro Bramme – einer Maßeinheit für Rohstahl – produzieren. Tatsächlich liegen die Produktionskosten aber 170 Euro pro Bramme über dem Weltmarktpreis. Bis 2015 konnte die Produktion wegen technischer Probleme nicht einmal voll ausgelastet werden.
Das brasilianische Projekt führte zu Milliarden-Abschreibungen und -Verlusten bei ThyssenKrupp. Um die zu refinanzieren, wurden mehrere Abteilungen verkauft oder aus dem Konzern herausgelöst. Den größten Reibach machte ThyssenKrupp dabei mit seiner Sparte für Aufzüge. Sie ging 2020 kurz vor Ausbruch der Corona-Krise für 17,2 Milliarden an ein Konsortium aus der US-Investmentfirma Advent International, dem britischen Pendant Cinven und der deutschen RAG-Stiftung.
2. Hoechst (1998) – 39 Milliarden Euro
Hoechst war lange Zeit eines der größten Chemie- und Pharma-Unternehmen Deutschlands. Gegründet wurde es 1863 in Höchst am Main nahe Frankfurt, das damals noch nicht zu Deutschland gehörte. Wie viele Unternehmen der damaligen Zeit, etwa Bayer##chartIcon und BASF##chartIcon , startete es als Hersteller von Farben. Hoechst gilt vor allem in sozialen Dingen als Vorreiter. 1874 wurde die erste Betriebskrankenkasse gegründet, 1879 folgte eine Pensionskasse für die Arbeiter, die auch Kredite für den Hausbau vergab. 1883 startet die Produktion von Medikamenten. Bis zum ersten Weltkrieg wuchs Hoechst zu einem Weltkonzern. Die beiden Weltkriege führten zu einer Vereinigung von Bayer, BASF und Hoechst, die erst 1953 aufgelöst wurde. Bis 1990 steigerte Hoechst seinen jährlichen Umsatz auf umgerechnet rund 24 Milliarden Euro, blieb damit aber im Schatten der Konkurrenten Bayer und BASF. In den 1990er Jahren blieb der Umsatz zwar stabil, die Gewinne schwanden aber immer stärker, so dass Hoechst zu einem Übernahmekandidaten wurde. Ab 1995 reagierte ein neuer Vorstand deswegen mit zahlreichen Umstrukturierungen. Sparten wurden verkauft, andere Firmen hinzugekauft. Ziel war es, vom Chemie- und Pharmakonzern zu einem Life-Science-Unternehmen zu werden.
Daraus resultierte 1998 die Fusion mit dem französischen Konkurrenten Rhône-Poulenc. Wir zählen das als Verkauf von Hoechst, weil die Fusion technisch durch ein öffentliches Übernahmeangebot von Rhône-Poulenc für umgerechnet rund 39 Milliarden Euro abgewickelt wurde. Die Hoechst-Anteilseigner wurden allerdings in Aktien der Franzosen bezahlt, so dass sie im Endeffekt nichts gewannen. Der aus der Fusion entstandene Konzern wurde in Aventis umbenannt und war aus dem Stand der zweitgrößte Pharmahersteller der Welt. Der wiederum fusionierte 2004 mit Sanofi##chartIcon zu Sanofi-Aventis. Danach wurden alle Unternehmensteile, die vorher Hoechst zugeordnet werden konnten, nach und nach verkauft oder geschlossen.
1. Mannesmann (1999) – 190 Milliarden Euro
Deutschland hält bis heute den Rekord für die teuerste Übernahme der Geschichte. Nie zahlte ein Konzern mehr für einen anderen als der britische Riese Vodafone##chartIcon 1999 für seinen deutschen Konkurrenten Mannesmann.
Mannesmann wurde eigentlich 1885 als Hersteller von Stahlrohren im nordrhein-westfälischen Remscheid gegründet. Das gelang so gut, dass „Mannesmannrohr“ bald das Synonym für nahtlose Stahlrohre war. Siemens baute damit Ende des 19. Jahrhunderts in Russland die erste Ölpipeline der Welt. Daraus wurde später ein Stahlriese, doch nach dem Zweiten Weltkrieg experimentierte Mannesmann auch immer wieder mit neuen Geschäftsbereichen.
Einer davon brachte den großen Durchbruch: 1990 erwarb Mannesmann die Lizenz zum Bau von Deutschlands erstem Mobilfunk-Netz – und für dessen Betrieb. Mit dem Siegeszug des Handys und des Internets wurde das eine Goldgrube, die bald mehr Gewinne einfuhr als alle anderen Unternehmensbereiche. Die Telekom-Sparte wurde deswegen 1999 aus dem Konzern ausgegliedert. Im selben Jahr kaufte Mannesmann den britischen Konkurrenten Orange auf. Mit umgerechnet 29,6 Milliarden Euro gehört das übrigens bis heute zu einer der teuersten Übernahmen durch einen deutschen Konzern. Vodafone sah sich durch den Zukauf von Mannesmann auf seinem britischen Heimatmarkt gefährdet und begann deswegen eine feindliche Übernahme des deutschen Konkurrenten. Ein erstes Angebot über 100 Milliarden Euro lehnte der Mannesmann-Aufsichtsrat noch ab, bei 190 Milliarden Euro wurde er dann aber schwach. Weil die Vorstände und Aufsichtsräte dabei hohe Abfindungen bekamen, wurden in den Folgejahren mehrere Prozesse angestrengt, später aber gegen hohe Zahlungen eingestellt.
Vodafone zerschlug den Mannesmann-Konzern nach dem Kauf. Konkurrent Orange musste aus kartellrechtlichen Gründen an die France Telecom veräußert werden. Alles, was nicht mit Telekommunikation zu tun hatte, wurde ebenfalls verkauft. Vodafone refinanzierte so rund 70 Milliarden Euro. Siemens und Bosch sicherten sich den Anlagenbau, so dass zumindest dieser in Deutschland verblieb. Die Röhrenwerke gingen an die Salzgitter##chartIcon AG, die Automobil-Sparte an den deutschen Zulieferer ZF Friedrichshafen. Vodafone behielt lediglich das Telekommunikationsgeschäft, welches in den Mutterkonzern eingegliedert wurde. Bis heute betreiben die Briten eines der größten Mobilfunknetze in Deutschland.