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"Deutschland ist kein sicheres Land": Kriminalkommissar wettert bei Lanz gegen Innenminister Seehofer

Warum ziehen die "Hygiene"-Demos gegen die Corona-Maßnahmen so viele Menschen an? Das erörterte die Runde am Dienstagabend in der Sendung bei Markus Lanz. Ein Kriminalkommissar warnte nicht nur vor Extremisten und organisierter Kriminalität, sondern wetterte auch gehörig gegen die Innenminister.

Zwischen neuer Freiheit und Angst vor einer zweiten Virus-Welle, zwischen Experten-Warnungen und Verschwörungstheorien: Die Debatte um die Corona-Maßnahmen in Deutschland verschärft sich. Allerorten sind Lockdown-Lockerungen im Gang - und doch versammelten sich auch am vergangenen Wochenende in vielen deutschen Städten Menschen zu so genannten "Hygiene"-Demos. Die Politik kann die Proteste nicht ignorieren, muss aber zugleich die Möglichkeit eines Corona-Rückschlags bedenken. Stoff genug also für eine ausführliche Diskussion am Dienstagabend bei Lanz, bei der am Ende nicht die Ausbreitung des Virus, sondern jene der organisierten Kriminalität im Zentrum stand.

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Dafür sorgten vor allem die Einblicke, die Kriminalkommissar Sebastian Fiedler in der ZDF-Sendung lieferte: "Wir sind dabei, ein großes Rauschgiftproblem zu bekommen", warnte der Beamte etwa. "Zahllose inkriminierte Märkte", wie auch Cyberkriminalität und Geldwäsche, würden "Massen an Geld" umsetzen, während den Ermittlungsbehörden davon "weniger als zehn Prozent" bekannt würde. Gerade weil gut messbare Verbrechen wie Einbrüche oder Körperverletzung in der Corona-Krise spürbar zurückgingen ("keine Kneipenschlägerei ohne geöffnete Kneipe"), werde dies in kommenden Kriminalitätsstatistiken sichtbar.

Der Kommissar, der sich zunächst damit begnügt hatte, auf die extremistischen Teilnehmer der Anti-Maßnahmen-Demos zu verweisen und eine Abgrenzung von diesen Rändern zu fordern, kam beim Thema Kriminalitätsstatistik so richtig in Fahrt. "Schlicht und ergreifend dummes Zeug", nannte er etwa die regelmäßige Aussage von Innenministern, Deutschland sei ein "sicheres Land". Wenn Seehofer davon spreche, "können Sie mal meinen Ruhepuls fühlen", so der Beamte scherzend. "Da kommt Frust durch", bemerkte Lanz, was Fiedler wiederum nicht von der Hand weisen konnte. Man könne schließlich aufgrund der vielen "dunklen Felder", gerade im organisierten Verbrechen, nicht von einer polizeilichen Statistik auf die tatsächliche Lage schließen.

Tschentscher: "Es geht nicht jedem um die Sorge um Grundrechte"

Nur wenige Minuten zuvor hatte Fiedler mit Blick auf die "Hygiene"-Demos vom "legitimen Meinungsstreit" gesprochen - man müsse als Polizei vor allem schauen: "Wer mischt sich in die Versammlung?". Dass es durchaus Parallelen zur Anfangszeit von Pegida gäbe, wusste der Kriminalkommissar ebenso wie die geladene Journalistin Kristina Dunz. Sie verwies darauf, dass auch die aktuellen Demonstrationen starke Sympathien vonseiten der AfD bekämen. Andererseits gäbe es nun mal Leute, die sich Sorgen machten und ihre Grundrechte eingeschränkt sähen: "Wo sollen die sich artikulieren?", fragte Dunz rhetorisch. Ihre Forderung: "Wir müssen diesen Menschen zuhören."

"Ich verstehe, dass Leute sagen: Ich bin genervt", gestand auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu, der gerade zu Beginn der Sendung viel zu Wort kam. Er sehe, dass "eine breite Mischung" an Menschen an den Demonstrationen teilnähme. Aber: "Es geht nicht jedem um die Sorge um Grundrechte", wie der Politiker kritisierte. Und an anderer Stelle, mit Blick auf die aufgeheizte Stimmung bei so mancher Demo: "Beschimpfungen bringen keiner Politik was". Kurioser Zwischenfall in der Sendung: Angesprochen darauf, warum er mit einer Mütze in der Nähe der Demonstration am Hamburger Rathaus fotografiert wurde, betonte Tschentscher mehrfach, dass er sich "einen Kaffee holen wollte". Er habe der Konfrontation nicht bewusst ausweichen wollen: In so einer Situation mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen, sei jedoch "nicht günstig für mich" gewesen, so Tschentscher.

Epidemiologe beklagt "regelmäßig Morddrohungen von Radikalen"

Einen erschreckenden Einblick lieferte der vierte Gast im Bunde, der Physiker und Epidemiologe Prof. Dirk Brockmann, der auch am Robert Koch-Institut in Berlin forscht. Nachdem er zunächst die Grenzschließungen als "wirkungslos" kritisiert und versucht hatte, "Verschwörungsmystik" damit zu erklären, dass "Leute denken, sie verlieren die Kontrolle über eine Situation", berichtete er von den Bedrohungen, denen sich viele Kollegen ausgesetzt sähen. Befreundete Forscher in den USA und Großbritannien erhielten "regelmäßig Morddrohungen von Radikalen", so Brockmann.

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"Es ist sehr viel Wut im Spiel", manche Leute seien "verbittert und hasserfüllt", stellte der Wissenschaftler auch mit Blick auf die hiesige Situation fest. Das beunruhige ihn und mache ihn "in erster Linie traurig", wie Brockmann in der Sendung gestand. Ein emotionales Thema auch für Markus Lanz, der angesichts der Drohungen gegen Forscher offen klarstellte: "Da hört es auf." Und: "Wir können froh sein, dass wir solche Wissenschaftler haben."

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