Deutschland trifft auf Ungarn - Erstes DFB-Spiel der neuen Ära: Auf fünf Dinge kommt es nun besonders an

Julian Nagelsmann geht mit der Nationalmannschaft in eine neue Ära<span class="copyright">Getty Images</span>
Julian Nagelsmann geht mit der Nationalmannschaft in eine neue ÄraGetty Images

Das DFB-Team startet in eine neue Ära. Nach den Abgängen der letzten Weltmeister braucht es eine neue Hierarchie und Rollenverteilung. Julian Nagelsmann startet quasi von vorne und hat fünf wesentliche Aufgaben für die anstehenden Länderspiele in der Nations League.

Es wird wieder ernst für Bundestrainer Julian Nagelsmann und sein DFB-Team. Nach der Heim-EM beginnt jetzt die lange Test- und Planungszeit bis zur WM 2026. Doch dafür braucht es erstmal erfolgreiche Spiele in der Nations League. Auf fünf Dinge kommt es nun für Nagelsmann besonders an:

1. Neue Hierarchie, klare Rollenverteilung

Nach den Rücktritten der Weltmeister und des Kapitäns Ilkay Gündogan braucht es eine neue Führung im DFB-Team. Joshua Kimmich tritt in die Fußstapfen von Gündogan und Manuel Neuer und übernimmt die Binde.

Der 29-Jährige war die logische Wahl. Er ist ehrgeizig, manchmal zu sehr, gibt in jedem Training alles und genießt im Team großen Respekt. Stürmer Niclas Füllkrug schwärmt vom Bayern-Star. „Jo ist ein echter Kapitän. Er geht vorweg, das hat er vorher schon gemacht. Ich halte sehr viel von ihm".

Wer geht an seiner Seite voran? Antonio Rüdiger und Kai Havertz wurden als Vertreter ernannt, weil sie sich mit vielen Spielern aus der Mannschaft gut verstehen, so Nagelsmann. Aber: Echte Leadertypen sind beide nicht. Rüdiger ist eher ein Spaßvogel, Havertz mehr ein ruhiger Zeitgenosse ist.

Wichtig für die Hierarchie im Team ist daher auch der Mannschaftsrat. Jonathan Tah, Niclas Füllkrug, Pascal Groß und Marc-Andre ter Stegen wurden berufen. Ter Stegen ist die neue Nummer eins und daher der natürliche Rückhalt. Tah, Füllkrug und Groß gehören zu den erfahrenen Spielern. Perspektivisch sollen auch die beiden BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck und Waldemar Anton mehr Verantwortung übernehmen.

„Wir sind dabei, eine neue Hierarchie zu entwickeln. Das wird ein Prozess, wir sind aber auf einem guten Weg. Das kann gut werden“, sagt Füllkrug.

Neben der neuen Hierarchie setzt Nagelsmann weiterhin auf eine klare Rollenverteilung – das Wort der EM-Vorbereitung. Jeder kennt seinen Platz. Nagelsmann: "Es wird Stammspieler, Ergänzungsspieler und Herausforderer geben".

2. Klare Rolle für Kimmich

Kimmich rückt wieder mehr in den Fokus, aber rückt er auch wieder ins Zentrum? Bayern-Trainer Vincent Kompany beförderte ihn immerhin wieder ins Mittelfeld. Das wird in der Nationalmannschaft erst einmal nicht passieren.

Neuer DFB-Kapitän Joshua Kimmich<span class="copyright">IMAGO/Kirchner-Media</span>
Neuer DFB-Kapitän Joshua KimmichIMAGO/Kirchner-Media

"Ich hoffe, dass man bei der EM gesehen hat, dass ich auch als Rechtsverteidiger Spaß habe“, sagt Kimmich, „und dass wir das Thema bald mal begraben können“, wickelt er die Sache gleich ab.

Am zweiten Bundesliga-Spieltag gegen Freiburg war Kimmich in einer ungewöhnlichen Doppelfunktion unterwegs. Im Ballbesitz spielte er im Mittelfeld. Gegen den Ball ließ er sich dann auf die rechte Abwehrseite fallen. Ein taktischer Kniff, den sich Kompany nicht zuletzt von seinem Lehrmeister Pep Guardiola abschaute.

Eine neue Version von Kimmich, die seine beiden Stärken vereint und die man voraussichtlich in der Saison öfters sehen wird. „Das war gegnerspezifisch“, erklärt Kimmich in „Bild“. Weil Freiburgs Vincenzo Grifo kein klassischer Linksaußen-Angreifer sei, habe es auch keinen fixen Rechtsverteidiger gebraucht.

„Mir hat diese Rolle sehr gut gefallen“, sagt Kimmich weiter. „Es wird bei mir ja oft die Diskussion geführt, ob ich rechts hinten oder auf der Sechs spielen soll. Ich sehe es generell als eine große Stärke, dass ich beide Positionen spielen kann.“

3. Wer übernimmt die Regie im Mittelfeld?

Das wird auch Nagelsmann berücksichtigen. Er muss das Zentrum nach den Abgängen von Gündogan und Toni Kroos neu strukturieren. Während es für die offensive Zehnerposition genügend Optionen im Kader gibt, ist es auf der defensiveren Sechserstelle etwas anders.

Angelo Stiller und Jamal Musiala<span class="copyright">IMAGO/Kirchner-Media</span>
Angelo Stiller und Jamal MusialaIMAGO/Kirchner-Media

Für die Kroos-Rolle des Spielgestalters kommen neben Kimmich auch Dortmunds Pascal Groß, Bayern-Shootingstar Aleksandar Pavlovic und Stuttgarts Debütant Angelo Stiller infrage. Gerade von den beiden Youngsters erhofft sich Nagelsmann viel. Wie schnell sie die hohe Spielverantwortung im DFB-Dress annehmen können, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Im ersten Spiel nach der EM wird Groß im Mittelfeld starten, so viel konnte Nagelsmann am Freitag bereits verraten. Er unterstrich aber nochmal, dass es nicht darum geht, jemanden zu ersetzen und in dessen Fußstapfen zu treten. „Pascal wird spielen. Er macht nicht den Kroos sondern den Pascal. Ich brauche niemanden, der Toni Kroos ersetzt. Für Ilkay Gündogan wird in einer anderen Anordnung Niclas Füllkrug spielen. Das wird er auch nicht wie Ilkay machen. Jeder darf das machen, was er gut kann.“

4. Abwehrduo finden

Am stärksten war die Nationalmannschaft, als Deutschland über ein eingespieltes Duo in der Innenverteidigung verfügte: Mats Hummels und Jerome Boateng waren über Jahre gesetzt. Bei der EM überzeugten Rüdiger und Tah größtenteils, aber unumstritten sind sie nicht.

Gerade aus Dortmund wird es neuen Druck geben. Schlotterbeck und Anton haben den Vorteil, dass sie nun beim BVB jede Woche zusammen auf dem Feld stehen. Allerdings lässt Nuri Sahin neuerdings mit einer Dreierkette spielen. Als dritter im Bunde ist derzeit der rehabilitierte Niklas Süle beim BVB gesetzt. Kann Süle seine Form halten, wird er auch für seinen einstigen Förderer Nagelsmann wieder eine Option sein.

5. Stimmung mitnehmen

Seit Jahren war die Stimmung um die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr so positiv wie aktuell. Die Heim-EM und das großteils überzeugende Auftreten der DFB-Elf haben in der Öffentlichkeit mehr Lust auf Länderspiele gemacht.

Daran muss das Team nun anknüpfen. Siege sind wichtig, schöner Offensivfußball ist wichtig. Dazu zählt auch Erfolg in der Nations League. „Das erste Spiel nach der EM ist auch von der Art und Weise wichtig, um den Schwung mitzunehmen", sagte Nagelsmann am Freitag. "Wir haben ganz bewusst nichts Neues gemacht bei diesem Lehrgang. Wir haben sehr wenig Zeit zu trainieren und wollen die Dinge, die wir gemacht haben, verfestigen. Wir wollen den Enthusiasmus der EM wieder sehen.“

Bisher gab es in dem Turnierformat der Uefa, das es seit 2018 gibt, wenig zu feiern aus deutscher Sicht. Das muss sich ändern, jeder Erfolg muss mitgenommen werden, um weitere Euphorie zu entfachen und ein neues altes Selbstverständnis zu schaffen.