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Deutschstunde: Auch Gutbetuchte schliefen auf der letzten Naht

Ehemaligen Ausgabe vom HA. Peter Meyer Peter Schmachthagen

Berlin. Im Deutschen besitzt ein Adjektiv oder Verb meistens mehr als nur eine Bedeutung. Das schmückt unsere Sprache, macht sie variantenreich, hebt sie aus dem Kantinen-Niveau heraus und eröffnet uns die Möglichkeit, eigene rhetorische Rezepte zu kreieren. Trotzdem gibt es immer wieder Leute, die einen Ausdruck auf eine einzige Bedeutung festzunageln versuchen, wobei sie sich äußerst witzig vorkommen und sich schon als Reserve-Comedian für öffentlich-rechtliche oder private Sender sehen. Bei der Meldung "Der Bundespräsident hat ihm den Orden verliehen" kann man damit rechnen, dass ein Spaß- oder Ernstvogel die Frage stellt, wie lange die Leihfrist für den Orden und wie hoch der Mietzins sei. So etwas mischt meine Korrespondenz stets ungemein auf.

Nehmen wir das Verb stürzen. Das "Große Wörterbuch der deutschen Sprache" kennt 14 unterschiedliche Bedeutungen für dieses Allerweltswort, nicht nur die gängige Erklärung "aus mehr oder weniger großer Höhe jäh in die Tiefe fallen". Der Löwe stürzt sich auf das Zebra (anfallen), die Felsen stürzen steil ins Meer (abfallen), der Schüler stürzt sich in die Arbeit (Fiktion), der Kuchen wird aus der Form gestürzt (herausgelöst) oder der Bundesaußenminister soll gestürzt werden (ist passiert).

Das Norddeutsche benutzt noch eine 15. Bedeutung für stürzen. Betttücher, die in der Mitte mürbe geworden waren, wurden früher nicht weggeworfen, sondern gestürzt. Mutter oder die Hausschneiderin schnitt sie durch, kehrte die dünnen Partien nach außen und nä...

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