DFB-Fazit - Das Wichtigste bei Start in neue Ära ist Nagelsmann geglückt - welche Baustelle bleibt

Bundestrainer Julian Nagelsmann<span class="copyright">IMAGO/Moritz Müller</span>
Bundestrainer Julian NagelsmannIMAGO/Moritz Müller

Die deutsche Nationalmannschaft bleibt im Länderspiel-Doppelpack in der Nations League ungeschlagen. Gegen Ungarn und in der Niederlande zeigt das DFB-Team starke Leistungen - auch ohne Weltmeister. Der Neustart ist geglückt, doch eine Baustelle bleibt.

Klare Sache, klares Ziel: Weltmeister 2026. Die mutige Ansage machte Bundestrainer Julian Nagelsmann schon kurz nach dem EM-Aus auf der Abschluss-Pressekonferenz in Herzogenaurach.

Da die Nationalmannschaft nach dem Turnier die letzten verbliebenen Weltmeister und den Kapitän verlor, gab es neben viel Lob auch pessimistische Töne nach Nagelsmanns forscher Aussage.

„Wenn ein Trainer sagt, er will Weltmeister werden, dass das kritisiert wird, das finde ich verrückt“, verteidigte sich der Bundestrainer vor wenigen Tagen. „Ich würde gerne die Headlines lesen, wenn ich nach der EM gesagt hätte: 'Also Weltmeister will ich nicht werden. Europameister war mir schon egal, und Weltmeister ist mir auch egal.'“

DFB-Team überzeugt in Länderspielen

Wie Nagelsmann die Mission 2026 meistern will, dazu bekam die Nation nun einen ersten Geschmack. Von einer neuen Ära wollte er dabei nicht sprechen und hielt den EM-Kader nahezu zusammen. 21 von 23 Spielern gehörten schon im Sommer zum Aufgebot. Sie müssen in der internen Hierarchie nun eine Stufe nach oben nehmen.

„Eine Veränderung ist immer auch eine große Chance für die Spieler, die hinten dran waren oder weniger gespielt hatten“, sagte Nagelsmann. Seine Mannschaft ließ den Worten des Trainers Taten folgen. Gegen Ungarn lieferte die DFB-Elf eine Gala und fertigte den EM-Gruppengegner überzeugend 5:0 ab.

Bundestrainer Julian Nagelsmann mit Joshua Kimmich<span class="copyright">IMAGO/Claus Bergmann</span>
Bundestrainer Julian Nagelsmann mit Joshua KimmichIMAGO/Claus Bergmann

Den unterhaltsamen und mitreißenden Offensivfußball gab es auch in Amsterdam beim 2:2 gegen die niederländische Elftal zu sehen. Zwar agierte die Mannschaft fehlerhafter. Dass sämtliche Neurungen von Tag eins hundertprozentig funktionieren, war aber auch nicht zu erwarten.

Viel wichtiger ist, dass sich das deutsche Team gefestigt hat und auf die eigenen Stärken vertraut. Rückschläge, wie das frühe 0:1 in der Johan-Cruyff-Arena, sind kein sofortiger Knockout mehr. Die DFB-Elf zog den eigenen Fußball auf und kreierte starke 21 Schüsse. Das leidenschaftlich erkämpfte 2:2 ist trotz des Ärgers über die Schiedsrichter-Entscheidungen und den Punktverlust positiv zu bewerten.

„Werden von Tag zu Tag besser“

„Die Mannschaft glaubt an sich, das ist der Schlüssel. Sie wollte unbedingt alles geben, das wollen die Fans sehen“, freute sich Nagelsmann. Bondscoach Ronald Koeman sah ebenfalls ein „fantastisches Fußballspiel“ mit „hohem Niveau“ und „hoher Intensität“. Er bescheinigte dem deutschen Team das Prädikat „Weltklasse“.

Dass sich Spieler wie Kapitän Joshua Kimmich oder Jamal Musiala trotzdem unzufrieden mit dem Ergebnis zeigten, beweist die neue Mentalität im Team. Auch ohne die Erfahrung von den 451 Länderspielen des zurückgetretenen Quartetts ist die Mannschaft gereift und erwachsen.

„Wir werden von Tag zu Tag besser, die Teamchemie ist überragend“, sagte Debüt-Torschütze Deniz Undav und fügte an: „Wir sind nicht weit davon entfernt, etwas Großes zu leisten.“

Da ist sie, die nächste Ansage. Gut so! Auf diese Weise entsteht das Selbstverständnis, jedes Spiel gewinnen zu können.

Nagelsmanns große Baustelle

Dafür muss Nagelsmann aber auch noch einige Aufgaben bewältigen. Besonders die Defensive zeigte sich anfällig. Gegen Ungarn wurden die Fehler nicht bestraft, die Holländer demaskierten die Schwächen dann aber knallhart. Mit dem hohen Tempo, den Steilpässen und der wuchtigen Körperlichkeit eines Brian Brobbeys war die Hintermannschaft phasenweise überfordert.

Das Duo Jonathan Tah und Nico Schlotterbeck harmonierte nur selten. Der Leverkusener zeigte in Amsterdam vielleicht seine schlechteste Leistung im weißen Dress mit dem Adler auf der Brust und wurde gelbvorbelastet zur Pause ausgewechselt.

Jonathan Tah und Joshua Kimmich im Duell mit der Niederlande<span class="copyright">Getty Images</span>
Jonathan Tah und Joshua Kimmich im Duell mit der NiederlandeGetty Images

Schlotterbeck hatte am 2:2-Ausgleich entscheidenden Anteil und verlor den Zweikampf gegen Brobbey. Nagelsmann ärgerte sich über die Szene und empfahl dem Dortmunder: "Wir sind viel zu aggressiv. Warum? Einfach dahinter bleiben, stellen und versuchen den Ball zu blocken“, analysierte der Trainer bei RTL.

Grundsätzlich sei ein solches Verhalten „ja gut, wir wollen aggressive Spieler“, führte er weiter aus. Lieber zu aggressiv als zu wenig, meinte Nagelsmann. „Aber es ist kein Moment, den Ball zu gewinnen. Dadurch, dass wir zu aktiv sind, kann er sich umdrehen und hat dann den freien Fuß. Leider sind wir dann am toten Pfosten ein bisschen zu spät dran.“

Im Oktober wird voraussichtlich Abwehrchef Antonio Rüdiger zurückkehren. Der Innenverteidiger von Real Madrid gilt als gesetzt – der Konkurrenzkampf um die Position neben ihm sollte das Niveau anheben.

Nagelsmann zieht „sehr positives Fazit“

Insgesamt zieht Nagelsmann nach den anderthalb Wochen mit seinen Spielern ein „sehr positives Fazit“. Vier Punkte aus zwei Spielen, Gruppenführung in der Nations League, ansehnlicher Fußball, gute Stimmung. Viele Dinge gehen in die richtige Richtung.

Ohne Hilfe wird er seine Weltmeister-Ansage aber nicht bewahrheiten lassen. „Am Ende muss man als Nationaltrainer voller Demut sagen, dass wir die Clubs brauchen“, sagte Nagelsmann auf Nachfrage von FOCUS Online. „Wir trainieren gut, schaffen ein gutes Klima und entwickeln Nuancen, aber wir brauchen die Clubs, damit die Spieler im Flow bleiben“.

Nagelsmann zählt den Countdown weiter runter. 17 Länderspiele sind es noch bis zur WM in Nordamerika. „Es ist noch ein weiter Weg“, hatte vor den beiden Spielen gesagt. „Wenn wir die nächsten 19 Spiele bis zur WM auch noch gewinnen, zähle ich uns zum Favoritenkreis. Vielleicht auch, wenn wir nur 14 gewinnen.“ Einen Sieg hat er schon mal geschafft.