DFB-Pokal in Ulm - Erster Kompany-Sieg deutet an, was bei Bayern München jetzt alles anders wird
Souverän gewinnt der FC Bayern in der ersten Runde des DFB-Pokals beim SSV Ulm mit 4:0. Auch wenn die Aussagekraft beschränkt ist, deutet sich an, wie das Spiel unter Neu-Trainer Vincent Kompany aussehen soll. Spannend auf andere Art wird der Fall Leon Goretzka.
Der neue FC Bayern war gar nicht so neu, zumindest unter der Prämisse, dass der Aufstellungsbogen als Maßstab diente. In der ersten DFB-Pokal-Runde beim SSV Ulm stand mit Josip Stanisic nur ein Spieler in der Startelf, der die Vorsaison nicht in München zugebracht hatte.
Ansonsten: Neuer, Kimmich, Müller, das Übliche, aber zum Glück bleibt der Fußball ein Spiel, bei dem selten alles ist, wie es scheint. Im Fall der Bayern bedeutete das: Zur Abwechslung setzte es mal keine böse Blamage im Pokal.
Souverän und routiniert, ohne sich besonders zu verausgaben, gewannen die Münchner ihr Pflichtspieldebüt mit 4:0 (2:0). Die tapferen Ulmer, gerade in die 2. Liga aufgestiegen, hielten ihren Widerstand kaum aufrecht, nach einer Viertelstunde war die Partie entschieden. Thomas Müller (12./15. Minute), Kingsley Coman (79.) und Harry Kane (90.+3) trafen.
Und doch – Obacht – gab’s allerhand zu notieren. Angefangen bei dem Mann, der sehr wohl neue Elemente bei Bayern begründet, sogar ziemlich spannende: Vincent Kompany, der Trainer-Nachfolger von Thomas Tuchel. Ein markanter Charakterkopf.
Wie der FC Bayern unter Kompany (nicht) spielen will
„Ich habe das Gefühl, dass ich schon ein paar Jahre hier bin. Ein Tag ist manchmal wie eine Woche“, sagte Kompany im ZDF. Der 38-jährige Belgier, als Profi besonders von Pep Guardiola bei Manchester City geprägt, ist ein zurückhaltender Typ, freundlich-verbindlich in der Kommunikation, von Sportvorstand Max Eberl als „unglaublich gelassen, unglaublich menschlich“ tituliert. Allerdings: Was nach außen leise ist, wird nach innen schnell laut. Kompany weiß genau, was er will. Und was nicht.
Was er nicht will, ist ein Fußball, wie ihn der FC Bayern unter Tuchel praktiziert hatte; trotz vieler Tore eher statisch, da mitunter sklavisch positionsgetreu und der strengen Ordnung verschrieben. Kompanys Ansatz „kommt der Aktivität nahe“, sagte Eberl. Dynamischer soll es werden, mit ständigen Rochaden und hohem Pressing. Die Bayern sollen zu Jägern werden, Jäger nach goldenen und silbernen Trophäen, zuvor aber: Jäger nach verlorenen Bällen.
Freilich war Ulm keine Referenz, dennoch deutete sich an, was Kompany vorschwebt. Beim 1:0 überwanden Stanisics Vertikalpass und Joshua Kimmichs virtuose Mitnahme die Barriere, beim 2:0 hebelte Min-jae Kims sehenswertes Zuspiel gleich zwei Ketten aus. Der doppelte Müller verwertete die Serviceleistungen von Kimmich respektive Serge Gnabry. Noch eine Neuigkeit: ungewohnte Münchner Effizienz.
Müller erklärt, wo „deutlicher Unterschied“ zum Vorjahr liegt
Der Rekordpokalsieger hetzte die Ulmer mit energischem Laufaufwand und aggressivem Vorwärtsverteidigen, Müller wechselte sich mit Jamal Musiala als Zehner ab und initiierte meist das Pressing; zudem machte er sich als Wandspieler nützlich, es fiel auf, wie viele Bälle er mit einem Kontakt klatschen ließ. Bayerns Vortrag mit und ohne Ball ließ Kompanys Doktrin erahnen, obgleich das Niveau in der zweiten Hälfte abflachte.
„Wir waren seriös“, sagte Müller hinterher. „Wenn man sich anschaut, wie wir gegen den Ball arbeiten und die Zweikämpfe führen, dann ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen im Vergleich zu dem, was uns letztes Jahr nicht so gutgetan hat.“ Interessante, plakative Ansicht. Müller registrierte einen „guten Auftritt, aber mit Ball noch ausbaufähig“.
Ohnehin beschränkte sich die Aussagekraft auf verengte Korridore, wie das meistens so ist bei Erstrundenspielen im Pokal. Der FC Bayern hat seine Mannschaft im Sommer ja durchaus umzukrempeln versucht, aber Faktoren wie Belastungssteuerung (bei den Zugängen Joao Palhinha und Michael Olise) oder Krankenstand (beim verletzten Zugang Hiroshi Ito) verhinderten einen ausgedehnten Laufsteg im herrlich altmodischen Donaustadion.
Immerhin verbuchte der spät eingewechselte Olise beim Coman-Tor einen Assist. Auch Kane wurde mehr als eine Stunde geschont, in der Nachspielzeit nickte er eine Müller-Flanke ein. Da klatschte Kompany an der Seitenlinie.
Die Frage nach Kimmichs Nebenmann – und der Fall Goretzka
Und sonst? Gnabry verdiente sich nach etlichen Verletzungen und guter Vorbereitung seinen Platz auf dem Flügel – der glücklose Mathys Tel eher nicht. Müller könnte in seiner wohl letzten Saison ein echter Profiteur des enervierenden Kompany-Stils werden. Kimmich ist vom Posten des Rechtsverteidigers zurück im zentralen Mittelfeld – und wird dort bleiben.
Die vielleicht spannendste Personalfrage ist jene nach seinem Nebenmann. Statement-Einkauf Palhinha, für rund 50 Millionen aus Fulham transferiert, saß in Ulm bis zur 75. Minute draußen. Dafür spielte Aleksandar Pavlovic einen soliden Part, ohne zu glänzen.
Gar keinen Part hat derzeit Leon Goretzka, der trotz tadelloser Fitness komplett im Kader fehlte. Das hatte schon etwas von der demonstrativen Botschaft: Wir brauchen dich nicht mehr. Goretzkas Vertrag läuft noch zwei Jahre, die Situation ist verquer. „Wir sprechen mit den Spielern ganz offen. Sie wissen, wenn ihre Situation schwer sein kann“, meinte Eberl vielsagend.
Goretzka will eigentlich nicht weg. Einerseits. Andererseits wäre es nicht der Fußball, wenn Ende August alles so wäre, wie es Mitte August wirkt.