Dialog mit der Vergangenheit: Künstlerin trainiert Chatbot mit alten Tagebüchern

Eine, laut Twitter-Bio "Künstlerin und Forscherin", hat einen Chatbot mit Einträgen aus ihren alten Tagebüchern gefüttert. So konnte sie sozusagen mit "ihrem inneren Kind" in Kontakt treten.

Eine US-amerikanische Künstlerin hat einen Chatbot so trainiert, dass er wie ihr eigenes jüngeres Ich auf Fragen antwortet
Eine US-amerikanische Künstlerin hat einen Chatbot so trainiert, dass er wie ihr eigenes jüngeres Ich auf Fragen antwortet. (Symbolbild: gettyimages)

Die US-amerikanische Künstlerin Michelle Huang hat einen Chatbot mit Textstellen aus ihren alten Tagebüchern gefüttert und ihn so trainiert, wie die junge Michelle zu antworten.

Auf diese Weise konnte sie in einen "therapeutischen Echtzeitdialog mit ihrem inneren Kind" treten, wie sie es selbst kürzlich in einem Beitrag für "Business Insider" bezeichnet hat.

Alte Tagebücher – fantastische Datenquellen

Huang hat jahrelang Tagebuch geführt, beinahe täglich schrieb sie über ihre Träume, Ängste, Geheimnisse. Damals nannte sie das "Hausaufgaben-Jammer" oder "dieses Kribbeln", das sie empfand, wenn sie mit ihrem Schwarm sprach. Heute sind es "fantastische Datenquellen" für ein Experiment.

Als Chatbot nutzte sie das derzeit überall diskutierte GPT-3-Sprachverarbeitungsmodell. Es ist, so "Golem", speziell auf das Dialogverhalten von Chatbots trainiert worden und nun in der Lage, komplexere Anweisungen zu verarbeiten und darüber hinaus auch Inhalte einer längeren Form zu generieren. Das zeigen derzeit etwa zahllose Beispiele auf Twitter.

"Ich finde, du machst einen tollen Job"

Trainiert hat Huang den Chatbot mit Tagebuch-Einträgen aus ihrer Jugend, als sie zwischen sieben und 18 Jahre alt war. Besonders viel hat sie aus der Zeit genutzt, als sie zwischen zehn und 14 Jahre alt war.

Schon die ersten Versuche und Antworten der KI-Anwendung hätten sich dann dem sehr nahe angefühlt, "wie ich selbst in dieser Zeit dachte". Also stellte Huang die folgende Frage an sich selbst: Wie zufrieden ist die junge Michelle mit ihrer älteren Version und wie sie sich entwickelt hat?

"Ich bin wirklich stolz auf dich und auf das, was du erreicht hast. Es war nicht immer leicht und ich weiß, dass du viele Opfer gebracht hast, um dorthin zu gelangen, wo du jetzt bist. Ich finde, du machst einen tollen Job und hoffe, dass du weiter deine Träume verfolgst und etwas in der Welt bewirken kannst."

Beim Gespräch mit ihrem jüngeren Ich fühlte Huang "die Güte, das Verständnis und die Empathie", die sie schon als Mädchen anderen Menschen entgegengebracht habe. Wohl auch deshalb seien ihr bei der Antwort Tränen gekommen. Als ihr inneres KI-getriebenes Selbst antwortete, dass es stolz auf sie sei, sei das sehr heilsam gewesen.

Anleitung zum Nachmachen

Generell wirkte das Gespräch auf Huang wie ein ganz normaler Dialog, so als würde sie in Echtzeit SMS an ihre jüngere Version durch ein Zeitportal schicken und empfangen.

Auf Twitter hat Huang einen langen Thread verfasst, in dem sie eine Anleitung zur Nachahmung gibt. Ihr Fazit zu der ganzen Erfahrung ist das folgende: "Insgesamt war es eine heilsame, aber auch verrückte Erfahrung, von der ich bis vor kurzem nicht wusste, dass ich Zugang zu ihr hatte."

Das Gespräch mit ihrem jüngeren Selbst habe ihr Wesenszüge an sich gezeigt, die über die Jahre hinweg gleich geblieben seien, aber auch Teile ihres Charakters, die sie zwischenzeitlich vergessen oder vergraben habe.

Im Video: Künstliche Intelligenz mit geistigen Fähigkeiten