Die AfD hat Angst vorm bösen Wolf

Auch die zugewanderten Wölfe sind bei der AfD nicht gern gesehen (Bild: dpa)
Auch die zugewanderten Wölfe sind bei der AfD nicht gern gesehen (Bild: dpa)

Wortwörtlich schießt sich die Partei auf das Raubtier ein und warnt. Dahinter mag tiefere Natureinsicht stecken – oder ein altbekannter Beißreflex.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der Mann hat einen Sinn für die Wirklichkeit, keinen verklärten Blick: „Der Wolf ist kein Kuscheltier, sondern ein Raubtier, das in Mitteleuropa keine natürlichen Feinde hat“, klärt uns der AfD-Direktkandidat Nordsachsens, Detlev Spangenberg, auf. Ob er damit in die Schlagzeilen kommt, ist ungewiss. Nicht einmal in Kinderbetten findet sich eine Kuschelwolfversion, das Image ist einfach zu schlecht; sowas sollte der Alternative für Deutschland vertraut sein.

Ob in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen: Immer wieder fordern AfD-Politiker dazu auf, den Wolf zum „endlich zu bejagen“, um die „Wolf-Population begrenzen“ zu können. Vielleicht wissen die Rechtspopulisten mehr, von der Natur und vom Wolf. Oder wie es Herr Spangenberg formuliert: „Anscheinend wollen das weltfremde, gutmenschliche Tierschutzromantiker aber nicht zur Kenntnis nehmen. Mitleid mit Tieren – eine gute und selbstverständliche Eigenschaft in unserer Gesellschaft – gilt aber aus Sicht der Wolfsverehrer nicht für gerissene Weide- oder Wildtiere.“

Viel Gewese um den Gevatter

Eiderdaus. Ich frage mich, ob es mit uns Gutmenschen schon derart weit gekommen ist, dass wir den Wolf hereinlassen – eine Gefahr. Zugegeben, das Phänomen der Wiederansiedlung von Wölfen in Ostdeutschland habe ich bisher nicht sonderlich studiert, bin halt ein Großstadtei. Die Warnung der AfD lässt sich grob so zusammenfassen:

Die Wölfe verlören ohne Jagddruck ihre Scheu vor Menschen, das könnte Stresse geben.

Die Wölfe würden zu viele Nutztiere reißen, deren Halter der Staat im Regen stehen lasse.

Die Wölfe würden einfach zu viele. Und es gebe die Gefahr von Hybriden, also Kreuzungen zwischen Wölfen und Hunden.

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Als Nicht-Biologen stehen mir ein wenig die Haare ab, wenn von „Populationen“, „Rassereinheit“ und „Obergrenzen“ die Rede ist, letzteres hat ja prominenten Eingang in die Politiksprache der vergangenen Monate gefunden. Dennoch fragte ich mich, ob es wirklich so schlecht steht, eine wölfische Gefahr droht.

Beim Lesen indes kam ich indes aus dem Staunen nicht heraus, wer sich alles welche Gedanken um diesen Vierbeiner macht. Die ostdeutschen Landesregierungen forschen, hegen, pflegen und schützen eine Menge rund um die Causa Wolf. Dass da Gefahren heruntergespielt werden, ist mir nicht bekannt. Da gibt es sich ständig aktualisierende „Wolfsmanagementpläne“ und schnelle Reaktionen, wenn Wölfe Nutztiere gerissen haben.

Letztlich findet sich fast alles, was die AfD fordert, in diesen Plänen als praktizierte Realität wieder. Warum also dieses laute Geheul? Geht es nur ums Ballern?

Auch die Angst vor Hybriden, das klingt herrlich nach Werwolf und so, scheint mehr von der Lust an der Angst getrieben zu sein. 2003 hat man solch einen Hybriden gesehen. Einen. Seitdem.

Der Wolf als Projektion

Ich vergaß, es ist ja Wahlkampf. Mit dem Wolf, der unzählige Menschengenerationen mit dem Menschen das Revier teilte, durchaus in Rivalität, verbinden wir Urängste. Dass er dann in unseren Gefilden ausgerottet wurde, lag aber weniger an einer konkreten Bedrohung von Menschen als an der Unverschämtheit, dass der Wolf auch ein bisschen Jagdrecht für sich reklamierte.

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Das ging gar nicht. Jagen tun wir selber. Oder wie es der baden-württembergische AfD-Politiker Manuel Speck, der sich unter anderem gegen Waffenkontrollen und für die Jagd mit Schalldämpfern und Nachtzielgeräten einsetzt, sagt: „Die heimische Tierpopulation wird auf Grund der Vertreibung der großen Jagdtiere Wolf und Bär nicht mehr natürlich kontrolliert. Die Jagd stellt in Deutschland eine traditionelle Methode zur Regulierung des Bestandes dar.“ Heißt: Vom Wolf lassen wir uns doch nicht die Butter vom Brot nehmen, der geht besser wieder nach drüben.

Derweil präsentiert sich die AfD als Beschützer, wahlweise gegen das Eindringen von fremden Menschen (Geflüchtete) oder gegen das Eindringen von fremden Tieren (Wölfe). Was mag sich nur Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dabei gedacht haben, als er jüngst sagte: „In der AfD sind Wölfe unterwegs, denen kein Schafspelz passt.“ Vielleicht ist es nur eine Frage der Perspektive: In der Türkei ist der Wolf eher positiv besetzt, er ist das Symbol der türkischen Faschisten, sie nennen sich „Graue Wölfe“. Im März dieses Jahres übrigens hat solch ein Verein, der den Grauen Wölfen nahesteht, einen der AfD nahestehenden Lokalpolitiker zu einem Vortrag eingeladen. Man hatte sich wohl einiges zu erzählen. Ob es um Wölfe ging, ist nicht bekannt.

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