Die AfD rockt Deutschland nicht wirklich

Der Terrorverdacht auf dem Rock am Ring hat sich zum Glück nicht bestätigt (Bild: dpa)
Der Terrorverdacht auf dem Rock am Ring hat sich zum Glück nicht bestätigt (Bild: dpa)

Terrorwarnung beim Rock am Ring, dann ein weiterer Anschlag in London: Wie gehen wir mit diesen schrecklichen Geschehnissen um? Nur für eine Partei ist das wie Musik in den Ohren.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Den Eindruck, dass sich die AfD über Terrorangst freut, wird man nicht so schnell los. „Wir rocken Deutschland“, heißt der neue Slogan der Partei, und zwar in Reaktion auf das unterbrochene Musikfestival „Rock am Ring“. Das klingt stark nach „Wir machen den Weg frei“ der Volks- und Raiffeisenbanken. Es klingt auch präpotent und zynisch. Denn wenn jemand in den letzten Tagen gerockt hat, dann die Musiker und Fans am Ring, die sich dann doch versammelt haben, und die Musiker und Fans, die in Manchester zusammenkamen, um dem Terror und der durch ihn verbreiteten Angst zu trotzen.

Die AfD rockt gar nichts. Sie hat sich einen Fehlgriff geleistet, während viele andere vieles richtig machten.

Der Polizei ist wegen der Festivalunterbrechung kein Vorwurf zu machen. Auch wenn sich, vorerst, die Hinweise auf eine geplante Terrortat nicht verdichteten, war die Entscheidung wohl richtig. Im Zweifel muss schnell und für die Sicherheit entschieden werden, es geht um die schwierige Abwägung eines Risikos. Bei diesem verantwortungsvollen Job gilt es, der Polizei zu vertrauen – und sie nicht als Deppen dastehen zu lassen, wenn sich Hinweise im Nichts auflösen.

Rock-am-Ring-Veranstalter erntet Lob von der AfD

Beeindruckend auch, wie ruhig die Fans auf die Unterbrechung reagierten. Dass auf Veranstalter Marek Lieberberg ein enormer emotionaler Druck lastete, versteht sich von selbst. Auf der Pressekonferenz entfuhr ihm eine „Wutrede“, welche die AfD sofort als „er spricht nur aus, was jeder vernunftbegabte Mensch längst denkt“ lobte – aber man kann sich seine Hymnen halt nicht selbst aussuchen. Lieberberg jedenfalls sagte: „Ich möchte endlich mal Demos sehen, die sich gegen die Gewalttäter richten. Ich hab’ bisher noch keine Moslems gesehen, die zu Zehntausenden auf die Straße gegangen sind und gesagt haben: Was macht ihr da eigentlich?“

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Dass es tatsächlich viele kleine öffentliche Bezeugungen und Distanzierungen von Muslimen gibt, die den islamistischen Terror verurteilen, seit Jahren, hat er wohl nicht mitgekriegt. Nun gibt es die Forderung, er solle sich entschuldigen, doch das ist übertrieben: Darüber, wer wie viel demonstriert, kann man diskutieren. Dass der Terror in London mit der islamischen Religion verbunden ist, ist klar. Dass man sich dazu positionieren muss, auch. Ich bin nur mit Lieberberg nicht einer Meinung. Später sagte er in einem Interview: „Nach meiner Wahrnehmung haben es die Menschen muslimischen Glaubens bisher leider weitgehend versäumt, dies auch in Demonstrationen zu artikulieren.“

Die Festivalbesucher ließen sich vom Terroralarm nicht die Feierlaune verderben (Bild: dpa)
Die Festivalbesucher ließen sich vom Terroralarm nicht die Feierlaune verderben (Bild: dpa)

Tja, meine Wahrnehmung ist eine andere. Zum Beispiel, dass viele Muslime es seit dem 11.9.2001, also einer ziemlich langen Zeit, leid sind, sich ständig zu distanzieren. Der Terror einer wirklich winzigen Gruppe stellt eine Riesenmenge unter Generalverdacht und Rechtfertigungszwang. Darüber hätte Lieberberg auch reden können.

Dass es bisher keine echte „Riesendemo“ von Muslimen in Deutschland gegeben hat, liegt sicherlich nicht an einer angeblichen Unentschiedenheit, wie sie zu Terror stehen, oder zum Grundgesetz. Ein wichtiger Grund wird sein, dass Muslime, wenn überhaupt, nur von Moschee zu Moschee organisiert sind, dass die Vereine, Verbände und Dachverbände nur wenige von ihnen repräsentieren.

Aber vielleicht sollte man das mal angehen, damit es Ruhe gibt, für zwei, drei Tage.

Wer verbreitet hier die Fake News?

Dass eine Demo ein schwieriges Unterfangen darstellen kann, zeigt eine angebliche Fake News, die, ja, die AfD, aufgedeckt haben will. In London hat eine kleine Gruppe von Muslimen demonstriert, gegen den Terror. Ob die sich spontan bildete, oder jemand dies dirigierte, weiß man noch nicht. Man wird es aber bald wissen. Die Hobbyfahnder von der AfD posteten nun einen „Film“ mit den Worten:

„Diese Demonstration fand nie statt. Es handelt sich dabei um gestellte Szenen, die CNN gedreht haben soll, und die derzeit für viele Fragezeichen sorgen. Auf einem auf Youtube kursierenden Video ist zu sehen, welchen Aufwand man betrieb, um die angebliche Kundgebung zu fotografieren. Ein ganzes Set wurde aufgebaut, die Statisten mit traditionell islamischer Kleidung ausgestattet. Schilder und Blumen lagen bereit, die augenscheinlichen Schauspieler wurden professionell platziert.“

Fakt ist: Diese Gruppe von Demonstranten wurde über mehrere Stunden hinweg gesehen und dokumentiert, nicht nur an einem Ort. Fakt ist: Die Bilder, welche die AfD verbreitet, und die offenbar auf einen US-Nationalisten zurückgehen, sagen tatsächlich nichts darüber aus, ob da etwas gestellt war. Die Bilder zeigen diese Menschen, wie sie warten, davor eine Crew von CNN. Dann werden die Menschen zu einem Ort geleitet. Wo ist hier ein Beweis für „Schauspieler“, „professionell platziert“?

Muslime protestieren in London gegen den Terrorismus (Bild: AP Photo/Raphael Satter)
Muslime protestieren in London gegen den Terrorismus (Bild: AP Photo/Raphael Satter)

Fakt ist: CNN behauptet, dort sowieso am Aufbauen gewesen sein, es handelte sich um einen Tatort der Terroristen. Dann seien die Demonstranten gekommen, sie hätten warten müssen und seien dann von der Polizei zum Tatort geführt worden. Andere Aussagen von Augenzeugen, die übrigens nicht bei CNN beschäftigt sind, bestätigen dies.

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Man wird bald wissen, ob die Aussage von CNN stimmt – oder die von der AfD. So klar wie es die AfD suggeriert, ist allerdings vieles nicht. Dann wird es richtig krude: „Achte auf diesen Demonstranten“, heißt es im Post des Pseudofilmchens von der AfD. Ein Mann mit Bart wird markiert. Ich habe auf diesen Demonstranten geachtet, mehrmals den Film angeschaut – und merkte: nichts.

Ich gebe zu, vielleicht stehe ich auf dem Schlauch, sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht. Kann mich jemand aufklären?

Die AfD übernimmt den Job der Terroristen

Mein Eindruck verstärkt sich, dass die AfD den Job der IS-Terroristen übernimmt. Sie verbreitet Angst, in der Hoffnung, dass diese eine harte Währung bei kommenden Wahlen ist. Ihre richtige Farbe sollte nicht blau sein, sondern rot – für die Scham.

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