Die AfD wird kleingeredet und gemieden – das ist schlecht für die Demokratie

Mit der AfD muss bei der Bundestagswahl gerechnet werden (Bild: dpa)
Mit der AfD muss bei der Bundestagswahl gerechnet werden (Bild: dpa)

In den Wahlkampf greift eine Hygienepolizei ein: Mit den Schmuddelkindern von der AfD redet man nicht. Damit bereitet diese Handschuhpolitik der Demokratie einen Bärendienst.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Was mich an Linken immer störte, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Etepetete. Wenn es darauf ankommt wirklich liberal zu sein, tatsächlich Demokratie zu leben und auch andere Meinungen ernst zu nehmen – dann zieht sich mancher Linke gern hinter die Barrikade der zu verteidigenden Werte zurück, jüngst zu beobachten im Bundestagswahlkampf.

Die AfD hat Chancen, ins Parlament einzuziehen. Seit langer Zeit steht die Partei stabil über der Fünf-Prozent-Hürde. Mit ihr ist also zu rechnen, sie ist ein anzuerkennender Player im Wahlkampf, weil sie zur Wahl zugelassen wurde.

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Und jedem hier Lebenden bleibt das Recht sich die Partei in den Bundestag zu wünschen oder ins Land, wo der Pfeffer wächst; ich persönlich bevorzuge letzteres. Nur sitze ich in meiner Naivität noch der Auffassung auf, beim politischen Meinungsbildungsprozess gehe es um das Überprüfen der eigenen Meinung und der Überzeugung anderer, mit Hilfe von Argumenten.

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Was aber machen Linke? Sie verweigern sich einer Auseinandersetzung mit der AfD. Bei mehreren Veranstaltungen, jüngst in Potsdam und in Stuttgart, boykottierten linke Jugendorganisationen eine gemeinsame Debatte mit der AfD und ihrer Jugendorganisation (JA), und zwar mit dem Argument, beide seien brandgefährlich, man dürfe ihnen kein Podium bieten, keine Plattform, frei nach dem Motto: Wehret den Anfängen…

Mit den Anfängen ist zu Recht ein Retro dessen gemeint, was wir 1933 hatten. Nur ist es ein Trugschluss zu glauben, der AfD mit Gesprächsverweigerung weniger Freiraum zum Verbreiten ihrer Slogans zu bieten. Die Podien und Plattformen hat die Partei längst. Daher wäre es ein Muss für Linke, sich zum Beispiel den von den Landeszentralen für politische Bildung organisierten Diskussionen in Schulen dort einer Auseinandersetzung mit den Vertretern von AfD und JA nicht zu entziehen.

Dies ist nämlich nur schön für die eigene Galerie, für die Selbstvergewisserung des eigenen Wertekanons. Rechtspopulismus aber entblättert sich in seiner Dämlichkeit im Gespräch auf Augenhöhe, wo irgendwann jeder Diskutant liefern muss. Alles andere setzt sich dem Vorwurf aus, Angst vor dem vermeintlichen Volkswillen zu haben. Lügen werden am besten als solche vis-à-vis enttarnt. Leider fehlt vielen Linken hierfür die Demut.

Augenhöhe hilft der Demokratie

Die AfD wird sich aus dem Bundestag nicht wegdenken lassen. Selbst gesteigerte Meditation mit höchster spiritueller Hilfe wird nur begrenzte Wirkung zeitigen. Auch Wunschdenken hilft nicht weiter: Immer wieder lese ich, dass die AfD in Umfragen „abstürzt“, „an letzter Stelle“ steht, „fällt“, „fällt“ und „fällt“. Für eine Partei, die in den Medien so desaströs geschildert wird, steht die AfD erstaunlich gut da. Geht es mal einen Dezimalpunkt in den Umfragen nach unten, wird der interpretiert, als stehe die Partei kurz vor der Selbstauflösung – solch ein Maßstab wird den anderen Parteien nicht angelegt und ist unsauberes journalistisches Vorgehen.

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Fakt ist: Die AfD steht in den Umfragen stabil da. Die gleichen Werte führten bei den Grünen Anfang der Achtziger des vorigen Jahrhunderts dazu, dass man sie als eindrucksvoll interpretierte – ganz egal, ob man die Grünen mochte oder nicht. Doch heute versucht man allgemein, die AfD kleiner zu schreiben als sie ist.

Dies schürt nur deren Legende von den Mainstreammedien und gibt dem Märchen Futter, man sei ein Outlaw inmitten von seelen- und prinzipienlosen Lakaien eines „Systems“.

Wir müssen unseren Umgang mit der AfD ändern. Natürlich nicht weniger kritisch mit ihr sein – aber mit ihr sein. So kann man am besten auch gegen sie sein.

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