Hochzeitsgrüße und Selfies: Die bürgernahe Kanzlerin Merkel

Wie hier in einem Geschäft in Stralsund begibt sich Merkel gerne und oft auf Augenhöhe mit den Bürgern. (REUTERS/Axel Schmidt)
Wie hier in einem Geschäft in Stralsund begibt sich Merkel gerne und oft auf Augenhöhe mit den Bürgern. (REUTERS/Axel Schmidt)

Die Hochzeitskarte mit warmen Wünschen bewies es einmal mehr: Angela Merkel ist inzwischen eine Meisterin der kleinen bürgernahen Gesten. Es ist auch in Krisenzeichen ein Geheimnis ihrer anhaltenden Beliebtheit.

Bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 fielen die Iren wie immer durch besonders singfreudige und innovative Fans auf. Einer aber zog besondere Aufmerksamkeit auf sich. Richie Tuohy aus dem irischen Dromkeen zeigte eine Flagge auf der in Anspielung auf die damalige Wirtschaftskrise auf der grünen Insel stand: “Angela Merkel thinks we're at work” - “Angela Merkel denkt, wir sind bei der Arbeit”. Das Foto von Tuohy mit seiner augenzwinkernden Bemerkung Richtung Merkel ging damals um die Welt.

Tatsächlich verliebte sich Tuohy kurz dann sogar auch noch in die Deutsche Orlagh Eichholz. Als die beiden nun heirateten, lud Eichholz’ Vater heimlich auch die Kanzlerin ein. Nun ist Merkel auch im Sommer nicht ganz unbeschäftigt und konnte der Einladung nicht folgen. Aber immerhin bewies sie Humor genug, einen kleinen Brief zu schicken, in dem sie dem frisch vermählten Paar guten Rat mit auf den Weg gab: „Die Ehe wie das Leben selbst ist kein friedvoller komfortabler Zustand. Aber sie ist ein großartiges Abenteuer gefüllt mit vielen Überraschungen und zu bestehenden Herausforderungen.“

Wer möchte, kann darin natürlich auch eine Parabel auf die politische Karriere der scheidenden Kanzlerin sehen. Vor allem aber zeigt die Anekdote aus Irland einmal mehr eine von Merkels unterschätzten Fähigkeiten. Bei aller hölzernen Behäbigkeit in sozialen Dingen, die ihr vor allem am Anfang ihrer Karriere nachgesagt wurde, hat sich Merkel stets auch mit zunehmendem Geschick um Bürgernähe bemüht.

Aug in Aug mit der Kanzlerin

Natürlich gehört das Abklappern von Dorffesten und Bierzelten zum notwendigen Repertoire jedes Politikers, vor allem in der Lokalpolitik und im Wahlkampf muss man sich sehen lassen und den Bürgern zuhören. Merkel allerdings praktiziert die kleinen Gesten der Bürgernähe seit Jahren auch in ihrer Position als Kanzlerin. Ein Klassiker ihrer Bodenständigkeitsbeweise ist zum Beispiel der jährliche Besuch des CDU-Sommerfestes in Stralsund. Bei Wind und Wetter erscheint sie in ihrem Wahlkreis, schüttelt Hände und besucht lokale Stände und Läden. Und das nicht nur im Wahlkampf.

Nicht nur Journalisten und Staatsgästen schenkt Merkel gerne selbst ein. Auch die designierte Nachfolgerin Anne Kramp-Karrenbauer kommt in den Genuss der freundlichen Geste der Kanzlerin. (Sean Gallup/Getty Images)
Nicht nur Journalisten und Staatsgästen schenkt Merkel gerne selbst ein. Auch die designierte Nachfolgerin Anne Kramp-Karrenbauer kommt in den Genuss der freundlichen Geste der Kanzlerin. (Sean Gallup/Getty Images)

Kaffeekanne statt großer Töne

Es ist auch ein Geheimnis ihrer langen Laufbahn an der Spitze der CDU, dass sie nie eine Frau der großen Töne war, sondern eher der kleinen Gesten. Auch wenn diese nicht immer gelungen sind und manchmal fast antrainiert wirken. So ist es mittlerweile fast ein Running Gag, dass Merkel sich und ihren Gästen gerne den Kaffee selbst einschenkt. Man kann der klugen Machtpolitikerin aber zugestehen, dass die Idee dahinter vermutlich keine versuchte Geheimhaltung der eigenen Kaffeeabhängigkeit ist, sondern durch die kleine Geste eine Vertrautheit und Entspannung mit dem Gegenüber hergestellt werden kann. So gibt die mächtigste Frau der Welt sofort ein weniger einschüchterndes Bild ab.

Auch wenn das Duckface noch etwas eingeübt werden muss, posiert Merkel oft bereitwillig mit Bürgern für Selfies. (REUTERS/Axel Schmidt)
Auch wenn das Duckface noch etwas eingeübt werden muss, posiert Merkel oft bereitwillig mit Bürgern für Selfies. (REUTERS/Axel Schmidt)

Auch Selfies gehören mittlerweile zum Standardprogramm der Kanzlerin. Das wirkt nicht immer total locker, kommt aber bei vor allem bei den jüngeren Menschen gut an.

Aus den USA hat sie sich das Konzept der “Townhall Meetings” abgeschaut, bei denen es zu direkten Gesprächen und offenen Fragerunden mit Wählern kommt. “Bürgerdialog” heißt das dann und Merkel fühlt sich erstaunlich wohl in diesem Setting - und das Publikum zahlt es ihr meist dankbar und freundlich zurück.

Auch auf der irischen Hochzeit kam der Gratulationsbrief der Kanzlerin übrigens sehr gut an und Merkel bewies einmal mehr, dass sie eben ein Gespür für kleine große Gesten hat.