Die Entführungen von Cleveland

Drei Frauen entführte und misshandelte Ariel Castro. (Bild: Richard B. Levine/SIPA USA/d)

Es war einer der spektakulärsten Kriminalfälle des Jahres: Am 6. Mai 2013 konnten drei Frauen, die zwischen 2002 und 2004 entführt wurden, aus ihrem Verlies in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio befreit werden. Ihr Peiniger Ariel Castro wurde verhaftet, verurteilt  und am 3. September tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden.

Als Amanda Berry, Gina DeJesus und Michelle Knight entführt wurden, hatten sie ihr ganzes Leben noch vor sich. Als erstes verschwand im Jahre 2002 die 18-jährige Michelle Knight. Sie kehrte nach einem Besuch bei einer Cousine nicht in ihr Elternhaus zurück. Ein Jahr darauf wurde die 16-jährige Amanda Berry nach ihrer Arbeit bei Burger King auf dem Nachhauseweg gekidnappt. Das letzte Entführungsopfer Gina DeJesus war mit Ariel Castros Tochter befreundet und verschwand 2004 spurlos nach der Schule.

Die drei Frauen wurden zwischen neun und elf Jahren im Keller eines Einfamilienhauses, das sich in unmittelbarer Nähe ihrer Entführungsorte befand, von Ariel Castro festgehalten. Der zum Zeitpunkt seiner Festnahme 52-Jährige, der früher als Schulbusfahrer gearbeitet hatte, bekannte sich vor Gericht in 977 Anklagepunkten für schuldig. Neben Entführung, Misshandlung und Vergewaltigung der Frauen wurde ihm auch der Mord an ungeborenem Leben zur Last gelegt. Denn Michelle Knight war nach eigenen Angaben während der Gefangenschaft fünf Mal von ihrem Peiniger schwanger.

Sehen Sie auch: Themen, die die Welt bewegten


Nachdem Castro von den Schwangerschaften erfuhr, ließ er Knight hungern und löste durch wiederholte Tritte in der Bauchgegend Fehlgeburten aus. Von den Misshandlungen während der Gefangenschaft erlitt die heute 32-Jährigen einen bleibenden Gehörschaden. Amanda Berry gebar 2006 in einem Kinderplanschbecken eine Tochter, die inzwischen sechsjährige Jocelyn. Ein DNA-Test bewies die Vaterschaft Castros, der mit dem Mädchen, von dem er Daddy genannt wurde, sogar das Haus verließ. Gegenüber Bekannten gab er Jocelyn als Tochter einer Freundin aus.

Dass die drei Frauen und das Kind am 6. Mai 2013 aus dem Keller ihres Peinigers befreit werden konnte, ist einer Unachtsamkeit Castros geschuldet. Beim Verlassen des Hauses hatte er vergessen, eine der Türen zu schließen.  Ein Nachbar hörte Hilferufe von Amanda Berry und trat zusammen mit einem weiteren Nachbarn die Haustür ein.

Sehen Sie auch
: Die Helden des Jahres

Ariel Castro konnte kurz nach der Befreiung der Frauen gefasst werden. Er wurde am 1. August 2013 zu lebenslänglicher Haft ohne Bewährung verurteilt. Einen Monat später fanden ihn Beamte tot in seiner Gefängniszelle auf. Zunächst ging man von einem Suizid aus. Allerdings hinterließ der Entführer von Cleveland keinen Abschiedsbrief. Aus einem im Oktober veröffentlichten Untersuchungsbericht der Strafvollzugsbehörden von Ohio geht hervor, dass es auch ein versehentlicher Selbstmord gewesen sein könnte. 

So soll Castro mit heruntergelassenen Hosen gefunden worden sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass er sich während eines sogenannten „autoerotischen Aktes“ unabsichtlich erdrosselt haben könnte. Bei derartigen Praktiken wird die Sauerstoffzufuhr des Gehirns zeitweise gestoppt, um das sexuelle Empfinden zu steigern. 

Vor Gericht hatte sich Castro bei seinen Opfern entschuldigt und betont, dass er kein Monster und Gewalttäter sei. Zudem betonte er, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich gewesen sei und dass die Frauen freiwillig zu ihm ins Auto gestiegen seien. Für die Entführungsopfer, die ein Jahrzehnt ihres Lebens verloren haben und schier unerträglichen Qualen ausgesetzt waren, muss eine solche Darstellung wie blanker Hohn geklungen haben. 

So hatte sich nach Castros Tod das Entführungsopfer Michelle Knight in einem TV-Interview geäußert. Darin beschrieb sie, wie Castro sie mit einem Verlängerungskabel an Hals, Händen und Füßen gefesselt  und sie "wie einen Fisch" aufgehängt hatte.  Sie habe wie ein U in der Luft gehangen, "wie eine Verzierung an der Wand".