Die Giganten von Mailand

Real Madrid feierte ausgelassen ihren elften Triumph in der Fußball-Königsklasse. Foto: Peter Powell
Real Madrid feierte ausgelassen ihren elften Triumph in der Fußball-Königsklasse. Foto: Peter Powell

Von Nico Stankewitz

Es war ein dramatisches und hochspannendes Finale, das Stadtduell der beiden spanischen Spitzenclubs. Wie so oft, wenn ein Spiel durch Elfmeterschießen entschieden wird war es natürlich ein glücklicher Erfolg für den Sieger, aber es war auch kein Zufall, dass Real sich stärker zeigte, als in den letzten Duellen mit dem Stadtrivalen, wo die Bilanz zuletzt höchst durchwachsen war.

Casemiro – Schlüsselspieler von Zidanes Real

Zinedine Zidane hat Real Madrid mit einigen ganz kleinen Änderungen wieder an die Spitze geführt, die wichtigste war eine Umstellung im Mittelfeld, wo er mit dem jungen Brasilianer Casemiro einen Abräumer installierte, der in seiner Spielweise ein wenig an den französischen Weltmeister und zweimaligen Champions-League-Sieger Marcel Desailly erinnert. Der zentrale defensive Mittelfeldspieler kam als Absicherung für die beiden zentralen Passmaschinen Toni Kroos und Luka Modric ins Team, Zidane opferte dafür mit dem kolumbianischen Topspieler James Rodriguez zwar einen Offensivstar, gewann dadurch aber Stabilität, die für die starke Rückrunde von Real hauptverantwortlich war. Casemiro überzeugte auch im Finale mit seinem physischen, aber unaufgeregten Spiel, er agiert, als wäre er der Bodyguard von Kroos und Modric.

(Fast) die Nacht von Yannick Carrasco

Und Atletico? Es war natürlich ein Abend der verpassten Möglichkeiten in Mailand. In der ersten Halbzeit noch unterlegen, steigerte sich der vermeintliche Underdog – der aber von vielen Experten nach den bisherigen Saisonleistungen durchaus favorisiert wurde – in der zweiten Halbzeit und hatte neben dem Ausgleichstreffer mit dem vergebenen Elfmeter von Griezmann noch eine weitere Riesenchance. In dieser zweiten Halbzeit kam auch der Mann des Spiels aus Atleti-Sicht in die Begegnung: Der Belgier Yannick Ferreira-Carrasco wurde nach der Pause eingewechselt und erzielte den Ausgleichstreffer in der 79. Spielminute.

 

Besonders spektakulär war dieser Treffer dadurch, dass am Spielfeldrand der vierte Offizielle bereits die Tafel mit der Rückennummer des Flügelspielers in der Hand hielt und der Argentinier Angel Correa darauf wartete eingewechselt zu werden. Offenbar war Trainer Diego Simeone so unzufrieden mit der Leistung des erst 34 Minuten zuvor in das Spiel gekommenen 23-Jährigen, dass er ihm die Höchststrafe für Fußball-Profis verpassen wollte. Nach dem Tor korrigierte der Coach ganz schnell seine Einschätzung und wurde bestätigt: In den verbliebenen 40 Minuten bis zum Ende der Verlängerung war der Belgier einer der auffälligsten Spieler auf dem Feld und sorgte über die linke Seite immer wieder für Gefahr in der Real-Abwehr. Und zum Schluss gehörte auch der letzte Aufreger der Verlängerung Carrasco, als er in einem Gerangel Reals Abwehr-Ekel Pepe eine Ohrfeige verpasste – womöglich bewahrte ihn nur die ausgeprägte Schauspiel-Leidenschaft des Brasilianers hier vor einer denkbaren Roten Karte.

Bleibt Madrid die Fußballhauptstadt der Welt?

Die Zukunft sieht nicht schlecht aus für die beiden iberischen Giganten, die sicherlich auch in der kommenden Saison mit dem FC Barcelona (nicht nur) um den spanischen Titel streiten werden. Atletico soll sich mit dem brillanten Argentinier Nicolas Gaitan von Benfica einig sein, die Ablösesumme wird auf 30 Millionen Euro geschätzt, auch bei dem Arbeiterclub aus dem Süden der Hauptstadt fließt inzwischen gutes Geld. Und mit dem neuen Stadion, dem Estadio de Madrid, wird sich ab 2017 die Einnahmesituation beim kleineren der beiden Riesen nochmal deutlich verbessern. Auch ein Spieler aus der Bundesliga wird immer wieder bei Atletico gehandelt – der Dortmunder Sokratis würde auch wunderbar zu der Truppe von Simeone passen, aber nach dem Hummels-Abgang dürfte der Grieche beim BVB unverkäuflich sein.

Auba oder Lewy zu Real?

Bei Real scheint sich vieles auf die Suche nach einem neuen Star im Sturm zu konzentrieren, so sind seit einiger Zeit die beiden Bundesliga-Topspieler Robert Lewandowski (Bayern) und Pierre-Emerick Aubameyang (Dortmund) im Gespräch, aber beides scheint schwer (oder sehr teuer) realisierbar. Ein Dilemma für Real: Da Suarez (Barcelona) nicht verpflichtet werden kann, ist Lewandowski wohl der weltweit einzige Stürmer, der noch ein Upgrade im Vergleich zu Karim Benzema darstellen würde.

Gerüchte erwähnen auch immer wieder Sergio Agüero von Man City und interessanterweise natürlich Atleticos Superstar Griezmann. Wenn sich das alles nicht realisieren lässt - als Backup könnte man einfach die Rückkauf-Option für Alvaro Morata (30 Millionen) von Juventus Turin ziehen, dann hätte man mit Lucas Vazquez – Morata – Jese wieder einen hübschen – und spanischen - zweiten Sturm. Luxusprobleme mit einem Luxuskader, erstmals dürfte natürlich auch Zinedine Zidane seine Vorstellungen einbringen können – der Triumph von Mailand hat seine Stellung deutlich gestärkt.

Spanien dominiert den Europapokal

Insgesamt sind die Perspektiven in Spanien glänzend: Der Sieg von Sevilla in der Europa League unterstreicht nochmal, dass die Primera Division Europa dominiert – seit dem Sieg der Bayern 2013 sind alle europäischen Titel nach Spanien gegangen. Man darf sich auch in Madrid wieder auf die neue Saison freuen – und vielleicht auch bald auf ein neues Duell in der Champions League.